Victoria Arnhold und Claire Siegert, Gründerinnen von Businettes
Foto: Businettes

Businettes: Inkubator für early-stage Gründerinnen

Bedarf es einer anderen Ansprache von Gründerinnen im Gegensatz zu Gründern? Für Claire Siegert und Victoria Arnhold ist die Antwort klar: Ja, die braucht es! Und um genau diese Ansprache zu liefern, gründeten die beiden zusammen ihr Unternehmen Businettes. Was Businettes genau umfasst und welche Learnings die beiden aus ihrer eigenen Gründung ziehen können, berichten sie im Interview mit Munich Startup.

Munich Startup: Claire und Victoria, Ihr seid die beiden Gründerinnen von Businettes, einer Community-Plattform für (angehende) Gründerinnen. Was genau umfasst das Angebot Eurer Plattform?

Claire Siegert und Victoria Arnhold von Businettes: Businettes ist ein digitaler Inkubator für early-stage Gründerinnen. Unsere Plattform beinhaltet ein digitales, lösungsorientiertes Programm, das auf die Bedürfnisse speziell von angehenden Gründerinnen ausgerichtet ist. Hierbei arbeiten wir mit drei unterschiedlichen Ansätzen.

#1 Business Programm – Erstens können unsere Kundinnen mithilfe unseres 5-stufigen Business Programms autonom und standortunabhängig an ihren Geschäftsideen arbeiten und diese so konkretisieren, bis daraus ein handfester Business Case entsteht, den sie selbstsicher potenziellen KundInnen, PartnerInnen oder InvestorInnen präsentieren können. Wir arbeiten hier mit einem Mix aus unterschiedlichen Methoden aus dem Bereich Design Thinking und Elementen vom Business Model Canvas. Das Programm haben wir in Zusammenarbeit mit unseren Pilotkundinnen Anfang 2020 final so ausgearbeitet, dass es sowohl auf die Bedürfnisse von Frauen mit aber auch ohne BWL-Kenntnissen ausgerichtet ist.

#2 Persönlichkeitsentwicklung – Darüber hinaus erhalten unsere Kundinnen Zugang zu einem Modul zur Persönlichkeitsentwicklung, das wir mit einem Diplom-Psychologen entwickelt haben. Damit widmen wir uns auch den Soft Skills unserer Kundinnen, damit sie sich leichter in ihre neue oder zukünftige Rolle der Gründerin einfinden können. Im Modul gibt es beispielsweise Übungen, die dabei helfen, das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken, Risikobereitschaft zu erhöhen, Entscheidungsfreude zu stärken, Resilienz aufzubauen und vieles mehr.

#3 Gründerinnen-Community – Zu guter Letzt haben wir auch eine Community mit über 400 Gründerinnen und gründungsinteressierten Frauen, die sich miteinander austauschen, sich gegenseitig Feedback geben, Sparring-Partnerinnen in Mastermind-Gruppen finden, an regelmäßigen EpertInnen-Workshops teilnehmen und vieles mehr.

Munich Startup: Wie ist Eure eigene Gründungsgeschichte?

Victoria: Ich wurde damals von meinen eigenen Freundinnen dazu inspiriert, Frauen das Gründen zu erleichtern. Viele meiner Freundinnen hatten interessante Geschäftsideen, doch keine von ihnen hat sie umgesetzt. Irgendwie fehlten ihnen die richtigen Anlaufstellen, die auf ihre Bedürfnisse speziell als Gründerinnen angepasst waren. Ich wollte unbedingt, dass sie ihre Geschäftsideen verwirklichen und habe so, ohne dass es mir am Anfang richtig bewusst wurde, selbst eine Geschäftsidee entwickelt: und zwar Businettes! Allerdings hatte ich das Problem, dass ich in erster Linie selbst meine erste Kundin war und somit sehr ähnliche Probleme bei der Umsetzung meiner Idee hatte, wie meine Freundinnen. Ich versuchte mehrere Jahre neben meinen Festanstellungen als Marketingmanagerin Businettes solo auf die Beine zu stellen, aber das war gar nicht so einfach…

Männlich-dominierte Startup-Szene

Claire: Ich habe nach dem Studium im Startup-Ökosystem gearbeitet, aber auf der Corporate-Seite. Ich habe oft mit meiner besten Freundin Victoria darüber gesprochen, wie männlich-dominiert diese Branche ist, sei es auf Startup-Konferenzen, Teilnehmer-seitig bei Startup-Programmen oder auch Mitarbeiter-seitig in Acceleratoren-Programmen. 2019 habe ich dann entschlossen mich selbstständig zu machen und – während ich eine kleine Marketing-Beratung aufgezogen habe – festgestellt, dass ich gerne gemeinsam mit einem Team an einer größeren Vision arbeiten möchte. 

Victoria und ich sahen beide den perfekten Match und wir beschlossen Businettes gemeinsam zu entwickeln und so startete unsere Reise als Gründerinnen-Duo.

Munich Startup: Welche Lücke will Businettes schließen?

Businettes: Mit Businettes wollen wir dazu beitragen, die Lücke im europäischen Startup-Ökosystem zwischen weiblichen und männlichen Gründern zu schließen. Aktuell gibt es nur 17 Prozent Frauen, die ein Startup gründen und hier sprechen wir nicht mal von female-only Teams, sondern von gemischten Teams. Es gibt also jede Menge zu tun!

Mutige Karriereentscheidungen und neue Bühnen

Businettes: Mit der Schließung der Gründerinnen-Lücke sehen wir die große Chance, mehr Frauen dazu zu empowern, mutige Karriereentscheidungen zu treffen, Bühnen zu betreten und es zu wagen, mehr zu werden als die Hierarchien in unserer aktuellen Gesellschaft teilweise für sie bereithalten. Wir glauben fest daran, einen positiven Impact für Female Empowerment zu leisten.

Munich Startup: Bedarf es Eurer Meinung nach einer anderen Ansprache von Gründerinnen im Gegensatz zu ihren männlichen Pendants? Wo genau seht Ihr hier Unterschiede?

Businettes: Ja, das sehen wir auf jeden Fall so. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Frauen im Bezug auf die Gründung nochmal ganz anderen Problemen ausgesetzt sind als Männer. Oft wird erstmal an den eigenen Fähigkeiten gezweifelt, es fehlen auch weibliche Role-Models, die Frauen zum Gründen Mut machen und inspirieren können. Mütter wiederum, oder die, die es werden wollen, stellen die Vereinbarkeit von Familien und Unternehmertum infrage, was bei Männern weniger der Fall ist.

Auch während der Gründung gibt es Unterschiede: Wir stellen immer wieder fest, dass von Frauen geführte Unternehmen etwas langsamer – aber dafür organischer – wachsen als die von Männern und oft auf mittel- und langfristige Sicht sogar erfolgreicher sein können. Frauen gehen weniger auf volles Risiko und haben einen sanfteren Ansatz, was Unternehmensführung, Wachstum und Mitarbeitermanagement angeht.

Gerade aufgrund dieser Unterschiede ist es wichtig, dass Frauen Anlaufstellen haben, bei denen sie sich direkt angesprochen fühlen und die diese spezifischen Herausforderungen und Herangehensweisen berücksichtigen.

Better done than perfect

Munich Startup: Erscheint es Euch gerade als eine gute Zeit, um zu gründen? Wenn ja, warum?

Businettes: Wir glauben, dass es eigentlich keinen perfekten Zeitpunkt zum Gründen gibt. Wichtig ist, dass man trotzdem einfach macht, ganz nach dem Motto: Better done than perfect. Ein Zeichen dafür, dass man bereit für eine Gründung ist, ist wenn man nicht mehr aufhören kann an seine Geschäftsidee(n) zu denken und spürt, dass das innere Feuer in einem zu lodern beginnt. Das ist eigentlich immer ein sehr guter Wegweiser.

Was wir auf jeden Fall merken ist, dass die Pandemie eine große Chance für Online-Businesses geschaffen hat, da die Hürden kleiner geworden sind. KonsumentInnen sind es mittlerweile gewöhnt, vieles online zu erledigen.

Munich Startup: Welche Learnings zieht Ihr aus Eurer eigenen Gründung?

Businettes: So viele! Aber wir machen es kurz und beschränken uns auf drei:

#1. Dranbleiben! – Eine Gründung ist mit sehr vielen Tiefschlägen verbunden, aber wer dranbleibt, nicht aufgibt und Resilienz entwickelt, wird mit atemberaubenden Höhen belohnt. Dabei ist es aber auch wichtig, dass man stets offen und anpassungsfähig bleibt und nicht stur gegen die Wand stampft, wenn es einfach nicht die richtige Richtung ist. Wir haben das Konzept von Businettes mehrmals ändern und drehen müssen, weil es einfach noch nicht den Impact hatte, den wir generieren wollten. Das war nicht immer einfach, aber wir sind wahnsinnig froh, dass wir uns treu geblieben sind und weitergemacht haben.

#2. Auszeiten nehmen. – Eine Gründung ist zwar superspannend, aber auch sehr schlauchend. Arbeit und Freizeit gehen als Gründerin oft nahtlos ineinander über und ehe man sich versieht, liegt der letzte Urlaub ohne Laptop im Liegestuhl am Strand zwei Jahre zurück. Dabei sind es gerade die Momente, in denen wir gedanklich mal weg vom Business sind und was völlig anderes machen die, die uns die meiste neue Energie und Power für unsere Unternehmung geben. Deshalb zwingen wir uns mittlerweile gegenseitig zu regelmäßigen Auszeiten, in denen das Einstellen von Out-Of-Office Benachrichtigungen Pflicht ist und der Laptop zugeklappt bleibt.

#3. Stress less! – Ja, eine Gründung kann schon an den Nerven zerren, aber am Ende findet man für so gut wie jedes Problem eine Lösung – WIRKLICH! Und wenn es mal besonders stressige Zeiten gibt, dann hilft uns in der Regel Sport, Schlaf und ein gutes Zeit- und Projektmanagement mit unseren Lieblingstools wie Trello oder Notion.

Long-Term-Vision: Investments in Female-Startups

Munich Startup: Auf welche Technologie oder Branche würdet Ihr zukünftig setzten?

Victoria: Da ich ursprünglich aus der Modebranche komme, verfolge ich sehr gespannt alles rund um das Thema Circular Fashion und Sharing Economy. Besonders spannend finde ich Fashion Rental Services wie das unserer Kundin Ward’Robe Affair von Ivana Perbi-Ohlheiser – für mich die Lösung vom Fast-Fashion-Problem und ein großer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit in der Modeindustrie. Die Millionenfundings von Vestiaire Collective & Co, sowie die Tatsache, dass Maje, Sandro oder auch The Kooples eigene Second-Hand- und Rental-Portale launchen, sind für mich ein absoluter Beweis dafür, dass das die Zukunft der Modeindustrie ist.

Claire: Sehr interessante Frage, weil wir tatsächlich in der Long-Term-Vision von Businettes planen in Female-Startups zu investieren. Alles was nachhaltig und sozial ist und nicht noch mehr Müll und Armut produziert finde ich spannend. Ich kann das gar nicht auf eine Branche oder Technologie reduzieren. Ich wünsche mir mehr Impact-Gründungen und Startups wie Social Bee von Zarah Bruhn beispielsweise sind echt perfekte Role-Models dafür.

Startup-Hub mit Renommée

Munich Startup: Was könnte aus Eurer Sicht am Gründungsstandort München noch verbessert werden?

Businettes: Wir haben als international aufgestelltes Team viele verschiedene Startup-Hubs kennengelernt. Seit Juli 2020 waren wir beispielsweise für zwei Jahre Teil des Inkubators Station F in Paris. Station F ist in Frankreich in Sachen Startups so etabliert wie Harvard in den USA fürs Studium: es ist eine richtige Auszeichnung dort aufgenommen zu werden. Neben der Renommée bietet es außerdem wirklich alles, was man als GründerIn benötigt: Inhouse Zugang zu verschiedenen Acceleratoren, internationale Networking Möglichkeiten, Office Hours mit Investoren und Mentoren, Office Space und vieles mehr. Außerdem ist die Station F auch zugänglich für internationale GründerInnen-Teams, nicht nur für französische.

Solch eine Institution und Auszeichnung für GründerInnen wäre für München spannend. Internationale Aufmerksamkeit im Startup-Ökosystem hat München ja spätestens seit dem Start der Bits & Pretzels.

Munich Startup: Welchen Gründer oder welche Gründerin würdet Ihr gerne einmal persönlich treffen? Und was würdet Ihr sie oder ihn fragen?

Victoria: Sehr spannend finde ich Melanie Perkins von Canva, da sie nicht nur die Design-Welt revolutioniert und demokratisiert hat, sondern auch einen großen Teil ihres Vermögens spendet. Ich würde sie gerne fragen, ob sie jemals damit gerechnet hat, dass Canva mal so groß wird, wie es heute ist.

Claire: Oh da gibt es einige! Wenn ich mich mal auf Deutschland fokussiere, würde es mich interessieren mit Nina-Julie Lepique und Lea Sophie Cramer zu sprechen und sie fragen, wie sie es geschafft haben das Tabu-Thema weibliche Sexualität erfolgreich salonfähig zu machen, wie sich die Bekanntmachung ihrer Geschäftsidee angefühlt hat und wie sie es in Investoren-Gesprächen – mit meist männlichen Investoren, würde ich jetzt mal stark annehmen – geschafft haben, zu überzeugen.