Als Reaktion auf die Inflation haben die Zentralbanken die Leitzinsen angezogen. Die amerikanische Fed hat im Juni sogar die stärkste Erhöhung der Leitzinsen seit fast 30 Jahren verkündet. Kurz danach wurden bereits weitere große Zinsschritte diskutiert. Höhere Zinsen machen Risikokapital gegenüber anderen Anlageklasse weniger attraktiv und so sinkt das VC-Geschäftsklima nach einem Rekordstand im vergangenen Jahr nun bereits das zweite Quartal in Folge. Der Geschäftsklimaindikator fällt um 26 Zähler auf -18,5 Punkte. Die Geschäftserwartungen haben sich dabei noch stärker eingetrübt als die Geschäftslage. Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage sinkt um 20,6 Punkte auf -7,6. Der Indikator für die Geschäftserwartung verliert 31,4 Zähler auf -29,4 Punkte.
„Das VC-Geschäftsklima hat sich auch im zweiten Quartal 2022 weiter abgekühlt. Die Märkte haben sich von der Konsequenz und Stärke mit der die Fed die Zinswende nun durchzieht, überrascht gezeigt“,
sagt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW.
„Das hat Fundraising und Bewertungen auf dem VC-Markt unter Druck gesetzt. Solange die Inflationsraten hoch bleiben, kann es immer wieder zu Momenten kommen, in denen die Zinsschritte der Notenbanken von den Erwartungen abweichen und zu Marktausschlägen führen. Die Unsicherheit im VC-Markt wird kurzfristig also hoch bleiben. Doch auch wenn sich die Unsicherheit legt, wird wohl das Dealvolumen hinter dem Ausnahmejahr 2021 zurückbleiben. Ein Absturz ist nach aktuellem Kenntnisstand aber auch unwahrscheinlich. Grundsätzlich befinden wir uns in der Übergangsphase von einem ‚heißen‘ in einen ‚kühleren‘ Markt.“
VC-Geschäftsklima: Zweitstärkster Rückgang nach Corona
Nach dem Corona-Schock war im zweiten Quartal 2022 der bisher zweithöchste Rückgang des Fundraisingklimas zu beobachten. Im Gegensatz zum V-förmigen Einbruch mit rasch folgender Erholung im Jahr 2020 rechnet die KfW eher nicht mit einer so raschen Rückkehr zu einem positiven VC-Geschäftsklima.
Einerseits erwarten die Analysten sinkende Unternehmensbewertungen in der Startupbranche. Dies kann zu günstigeren Einstiegsgelegenheiten für Investoren führen. Andererseits erwarten Investoren Schwierigkeiten, neue Mittel einzuwerben und versuchen deshalb möglicherweise, ihre vorhandenen Mittel über einen längeren Zeitraum zu strecken oder zur Stabilisierung des Bestandsportfolios zu nutzen. Auch sind bei anhaltend hohen Inflationsraten weitere Zinserhöhungen zu erwarten. Angesichts dieser Unsicherheiten zögern manche Investoren bereits, weiter zu investieren. Laut KfW Research sprechen Investoren von „ausgedehnten Sommerferien“. Die Analysten erwarten deshalb eine spürbareren Abschwächung der Investitionstätigkeit im dritten Quartal.
Angesichts des unsicheren Marktumfelds und sinkender Unternehmensbewertungen hat sich das Exitklima besonders stark abgekühlt: Das zweite Quartal in Folge ist der entsprechende Indikator um mehr als 50 Zähler abgesackt. Besonders IPOs sind aktuell unattraktiv: Zuletzt gab es im Jahr 2009 in Europa und den USA so wenige IPOs VC-finanzierter Unternehmen wie in diesem Jahr.