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Was versteht man unter Femtech?

Femtech – ein Begriff, über den man im Startup-Kontext immer wieder stolpert. Doch was genau ist damit eigentlich gemeint? Eine erste Annäherung.

Der Gender Pay Gap dürfte vielen ein Begriff sein, aber schon einmal vom Gender Data Gap gehört? Damit wird die fehlende oder unterrepräsentierte Datenerhebungen für ein bestimmtes Geschlecht bei Datenerhebungsverfahren bezeichnet. Nicht immer, aber meistens betrifft der Mangel an Daten Frauen.

Stigma & Tabu

Im medizinischen Bereich kann ein Mangel an Daten nicht nur unschön, sondern auch gefährlich sein. Denn fehlende oder geringe Datenanteile weiblicher Probandinnen in medizinischen Studien können zu einseitigen Forschungsergebnissen führen, und diese wiederum zu medizinischen Fehleinschätzungen oder falscher Medikation. Dabei ist die medizinische Vernachlässigung von Frauen nichts Neues: Gesundheitsbedürfnisse von Frauen wurden in der Vergangenheit oft vernachlässigt oder als weniger wichtig angesehen als diejenigen von Männern. Dies führte zu einer Unterrepräsentation von Frauen in der medizinischen Forschung und Entwicklung von Gesundheitstechnologien. Daneben wurde viele Themen im Zusammenhang mit der Gesundheit von Frauen wie Menstruation, Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und sexuelle Gesundheit, historisch gesehen tabuisiert oder stigmatisiert. Tabus, die sich oftmals bis heute halten.

Femtech: Individuelle Gesundheitsdaten von Frauen

Genau hier setzt Femtech an. Der Begriff leitet sich von „Female Technology“ (weibliche Technologie) ab und bezieht sich auf Produkte und Dienstleistungen, die dazu dienen, die Gesundheit, das Wohlbefinden und die Lebensqualität von Frauen zu verbessern oder zu unterstützen. Frauen haben oft unterschiedliche Gesundheitsbedürfnisse und -erfahrungen im Vergleich zu Männern. Femtech will eine personalisierte Herangehensweise an die Gesundheitsversorgung ermöglichen, indem es individuelle Gesundheitsdaten erfasst, analysiert und darauf basierend maßgeschneiderte Empfehlungen und Behandlungen bietet.

Femtech umfasst eine Vielzahl von Anwendungen, darunter:

  • Menstruations- und Fruchtbarkeitstracking-Apps: Diese Apps helfen Frauen, ihren Menstruationszyklus zu verfolgen, ihre Fruchtbarkeit zu überwachen und Informationen über ihren reproduktiven Gesundheitszustand zu erhalten.
  • Schwangerschafts- und Geburtsüberwachung: Es gibt verschiedene Technologien, die schwangeren Frauen helfen können, ihre Schwangerschaft zu überwachen, die Entwicklung ihres Babys zu verfolgen und potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen.
  • Gesundheits- und Wellness-Apps: Diese umfassen eine Vielzahl von Anwendungen, die sich mit Themen wie Ernährung, Fitness, mentaler Gesundheit, sexueller Gesundheit und anderen Aspekten des Wohlbefindens von Frauen befassen.
  • Medizinische Geräte und Wearables: Femtech umfasst auch medizinische Geräte und Wearables, die speziell für Frauen entwickelt wurden, wie zum Beispiel Geräte zur Überwachung von Herzgesundheit, Schlafmustern oder anderen Gesundheitsindikatoren.

Durch Femtech-Anwendungen kann der Zugang von Frauen zur Gesundheitsversorgung verbessert werden, insbesondere auch in Regionen, in denen der Zugang zu medizinischen Einrichtungen eingeschränkt ist oder in denen Frauen aufgrund von kulturellen oder sozioökonomischen Barrieren möglicherweise nicht die Möglichkeit haben, medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Durch Technologien wie Apps und Wearables können Frauen Informationen und Dienstleistungen erhalten, die sie sonst möglicherweise nicht erhalten würden.

Münchner Femtech-Startups

Auch im Münchner Startup-Ökosystem ist das Thema Femtech angekommen – zwar noch ausbaufähig, aber ein Anfang ist gemacht. Zu den Münchner Startups, die sie in dem Bereich bewegen, gehören beispielsweise:

  • Vimum: Das Startup will einen neuen Weg in der Geburtsvorbereitung beschreiten. Vimum bietet dafür Onlinekurse im sogenannten Hybridmodell für werdende und junge Eltern an. Also Kurse ‚on demand‘, kombiniert mit persönlicher Beratung. Mit seiner multimedialen E-Health-Plattform hat das Startup eine Antwort auf ein gesellschaftliches Problem vor allem während der Corona-Zeit gefunden. Denn während dieser Zeit konnten die bislang meist analog stattfindenden Kurse für werdende Eltern oft nicht mehr stattfinden. Und auch nach Corona ist das Bedürfnis nach Betreuung vor und nach der Geburt vorhanden – unabhängig von Zeit und Ort. Mit diesem Ansatz konnte das Münchner Unternehmen mittlerweile auch Krankenkassen als Partner für sich gewinnen.
  • Femfeel: Das Münchner Unternehmen begleitet mit seiner Plattform Frauen digital in ihren Wechseljahren. In der Gratis-Version seiner App bietet Femfeel diverse Informationsbeiträge rund um die Wechseljahre. Außerdem bietet sie die Möglichkeit, Beschwerden zu tracken und auszuwerten. Die Premium-Version der App hat darüber hinaus noch Kurse von Expertinnen im Angebot. Diese sollen dabei helfen, über Bewegung, Ernährung und Stressreduktion das Wohlbefinden während der Wechseljahre zu steigern. Zusätzlich zur App bietet das Startup Frauen die Möglichkeit, über einen Hormontest in Kombination mit einem Beratungsgespräch mit einer Hormonfachexpertin Klarheit über ihren aktuellen Hormonstatus zu erlangen. Im Gespräch sollen dann alle Fragen rund um die Wechseljahre geklärt werden. Im Herbst 2023 wurde das junge Unternehmen von dem Iserlohner Pharmaunternehmen Medice Health Family übernommen.  
  • Gobunion: Einen ‚Hallux valgus‘ – also einen Spreizfuß, auf Englisch ‚Bunion‘ – haben deutlich mehr Frauen als Männer. Und um mit diesem Problem umzugehen, hat Gobunion-Gründerin Sarita Bradley eine innovative Alternative entwickelt. Die Gobunion-Strümpfe haben einen Softgel-Zehentrenner, welcher die Großzehe in die Ursprungsposition dehnt und dafür sorgt, dass die Krümmung nicht zunimmt. Das ‚2 in 1‘-Produkt soll bei der täglichen Hallux-Routine helfen, einer stärkeren Verkrümmung vorbeugen und schmerzlindernd durch eine optimierte Größe und Stärke des Softgels wirken. 2019 pitchte sie mit Gobunion bei der Höhle der Löwen und konnte Ralf Dümmel als Investor für ihr Unternehmen gewinnen. Der Deal: 150.000 Euro gegen 49 Prozent der Anteile.