Shenzhen gilt als das Silicon Valley Chinas.

Going Global: Der Weg nach China erfordert einen langen Atem

Für viele Startups ist China ein wichtiger Markt zur Skalierung ihrer Technologien. Die Realisierung dieser Chancen erfordert allerdings intensive Vorbereitung und oftmals einen langen Atem. Denn echte „Quick Wins“ gibt es nur selten, meint Gastautor Bruno Rudnik. In unserer Reihe „Going Global“ teilt er seine Erfahrungen und Erfolgsfaktoren aus dem Chinageschäft.

Die Frage „Warum China?“ ist für viele Startups meistens schnell beantwortet: Die Kombination aus Größe des Marktes, Verfügbarkeit von Investitionskapital sowie politischer Unterstützung für Innovationsprojekte macht China zu einem attraktiven Zielmarkt insbesondere zur Technologieskalierung. Viel diskutiert werden aktuell auch Chinas Vorreiterrolle im Bereich der Digitalisierung und die sich daraus ergebenden Chancen für Startups. Hier gilt es allerdings zu differenzieren zwischen digitalen

  • B2C-Märkten, deren Geschwindigkeit und Dimension beeindruckend sind, die aber gleichzeitig durch starken lokalen Wettbewerb und spezifische chinesische Kundenanforderungen geprägt sind und
  • B2B-Märkten, in denen technologische Standards (z.B. im Maschinenbau) in der Regel noch von westlichen Anbietern gesetzt werden.

In klassischen produzierenden Industrien wie Stahl, Zement oder Chemie macht China etwa die Hälfte des globalen Outputs aus, so dass sich in vielen B2B-Sektoren eher die Frage des „wie“ als des „ob“ hinsichtlich eines Markteintritts in China stellt.

Entscheidend vor den ersten Schritten in China ist eine klare Definition des Zielmarkts und der Anforderungen an lokale Partner. Alleine schon aufgrund der Größe ist China nicht als ein einzelner Markt zu betrachten. Viele chinesische Unternehmen – und damit mögliche Partner vor Ort – sind häufig nur in bestimmten Regionen gut aufgestellt und vernetzt. Eine weitere Besonderheit ist die Rolle von privaten und staatlichen Unternehmen. Der häufig von Startups geäußerte Wunsch nach einem privatwirtschaftlichen Partner zur Markterschließung ist insbesondere in strategischen Industrien wie Energie oder Telekommunikation, aber auch in den meisten Prozessindustrien, oftmals weder machbar noch sinnvoll.

China für Startups

Vergleichsweise einfach für Startups ist heutzutage die Anbahnung von Kontakten nach China. Unterstützung hierfür gibt es durch eine Vielzahl von Wettbewerben, Delegationsreisen, Industrieparks, Acceleratoren oder Technologie-Scouts. Besonders gute Beispiele hierfür sind das TIE² International Lab der UnternehmerTUM sowie die „4th China (Shenzhen) Innovation & Entrepreneurship International Competition“. Wichtig für Startups ist es, möglichst frühzeitig die dahinterstehenden Player sowie deren strategische, finanzielle oder auch politische Motivation zu erkennen.

Ebenfalls schnell unterzeichnet sind im Chinageschäft einfache Absichtserklärungen (MOUs, LOIs) mit potenziellen Partnern vor Ort. Empfehlenswert ist es, bereits zu einem frühen Zeitpunkt möglichst konkrete Ziele, geplante Meilensteine und grundsätzliche Verantwortlichkeiten zu formulieren, um einen ersten Bezugspunkt für nachfolgende Verhandlungen zu schaffen.

Mit konkreten Vertragsgesprächen beginnt in der Regel ein zeit- und ressourcenintensiver Prozess, in dem über zahlreiche Iterationen auch erreichte Verhandlungsergebnisse durchaus wieder in Frage gestellt werden. Gerade für Startups, die sich typischerweise in der Rolle des kleineren „Junior Partners“ befinden, ist es zwingend erforderlich die eigenen Ziele und die eigene technologische Stärke als Verhandlungsposition nicht aus den Augen zu verlieren.

Ratsam ist es ebenfalls, sich bereits im Vorfeld von Verhandlungen eine oder mehrere Fallback-Optionen zu erarbeiten. Aufgrund der Größe des Landes und des intensiven Wettbewerbs der chinesischen Firmen untereinander, ergeben sich für Standort oder Partner nahezu in jedem Fall gute Handlungsalternativen.

Innovative Technologien sind meist sehr erklärungsbedürftig

Genauso wichtig wie eine stringente Verhandlungsführung ist die Begleitung der Umsetzung „on the ground“ in China. Innovative Technologien von Startups sind gegenüber chinesischen Partnern in vielen Fällen sehr erklärungsbedürftig – vor allem wenn man nicht mehr mit westlich geschulten Managern in den Finanz- oder M&A-Abteilungen großer Konzerne spricht, sondern mit den Verantwortlichen für Produktion oder Vertrieb im Tagesgeschäft. In diesen Bereichen fehlt es zusätzlich oft an einfachen Dingen wie englischen Sprachkenntnissen oder der Dokumentation von Prozessen.

Neben Know-how-Transfer, Schulungen etc. ist vor allem der Aufbau von persönlichen Beziehungen und einem Vertrauensverhältnis ein ganz wesentliches Ziel der regelmäßige Präsenz vor Ort. Aufbau und Pflege dieser Beziehungen ist dabei eine ureigenste Aufgabe der Startup-Gründer/ CEOs – sowohl in der Anbahnung als auch in der Umsetzung von Kooperationsprojekten.

Fazit

Auf den Punkt gebracht: Echte „Quick Wins“ sind im Chinageschäft für Startups eine Seltenheit. Vielmehr versprechen folgende Faktoren mittel- bis langfristig Erfolg:

  1. Geht aus einer Position der technologischen Stärke und nicht der finanziellen Schwäche nach China
  2. Definiert klar Euren Markt, Ziele und Anforderungen an den chinesischen Partner
  3. Versucht die Motivation des chinesischen Partners zu verstehen, warum dieser mit einem deutschen Startup kooperieren oder in dieses investieren möchte
  4. Kooperiert mit chinesischen Firmen, die über Erfahrungen in internationalen Projekten verfügen oder noch besser eine eigene Präsenz in Deutschland/ Europa haben
  5. Arbeitet immer mit Fallback-Optionen, besonders im Hinblick auf Standorte und Partner in China
  6. Baut persönliche Beziehungen auf – vor allem als Gründer/ CEO selbst
Gastbeitrag von Bruno Rudnik

Gastbeitrag von Bruno Rudnik

Bruno Rudnik ist Geschäftsführer von SusTech Consult. Er berät europäische Startups und deren Investoren bei der Skalierung und Finanzierung von Umwelttechnologien sowie beim Markteintritt und der Partnersuche in Asien. Darüber hinaus ist er ehrenamtlich für die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung (DCW) tätig. Zum einen als Fachsprecher für Umwelttechnologien und zum anderen als Vorsitzender der DCW-Region Südbayern. Die DCW ist seit über 30 Jahren der führende Verband in Deutschland für den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen mit China.

 

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