Risiko und Sicherheit: Das können wir aus der Krise für die Zukunft lernen

Startups sind es gewohnt, hart am Wind zu segeln und gezielt Risiken einzugehen. In der Pandemie sind damit viele ins Straucheln gekommen. Wie können in Zukunft Risiken für Startups beherrschbarer werden? Ein Kommentar.

Im zweiten Star-Wars-Film ‚Das Imperium schlägt zurück‘ bringt Jedi-Meister Yoda eine Startup-Weisheit auf den Punkt:

„Nicht versuchen! Tu es oder tu es nicht – es gibt kein Versuchen!“

Die Idee dahinter: Der im vorsichtigen Versuch angelegte Zweifel führt zum Scheitern. Will man etwas erreichen, muss man es machen. So erklären sich auch die Vorbehalte vieler VC-InvestorInnen gegenüber Sidepreneurs, also GründerInnen im Nebenerwerb: Wer etwas erreichen will, muss seinen gesamte Zeit und Energie auf eine Unternehmung fokussieren. Das Sicherheitsnetz eines Brotjobs neben der Gründung schwächt demnach den unbedingten Willen, die Gründung zum Erfolg zu führen.

Hohes Risiko ist Teil des Geschäftsmodells

Auch sonst arbeiten Startups streng nach dem Motto ‚all in‘. Neue Geschäftsideen werden zunächst schnell und günstig am Markt getestet. Sobald dann aber die Entscheidung gefallen ist, in welche Richtung das Unternehmen gehen soll, werden sämtliche Kräfte in eine Richtung gebündelt, um dort schneller als die Konkurrenz zu wachsen. Sollte sich der eingeschlagene Weg als falsch herausstellen, wird mit einem Pivot die radikale Kehrtwende vollzogen – alles wohlgemerkt unter Höchstgeschwindigkeit.

Um sich maximale Freiräume zu erhalten, ist der Zeithorizont der eigenen Planungen oft kurz. Frühphasen-Startups kalkulieren häufig nur ein Jahr oder sogar nur wenige Monate im Voraus. Alles andere wäre auch illusorisch: Es liegen so viele Grundsatzentscheidungen und Abzweigungen vor jungen Unternehmen, dass Fünfjahrespläne nicht machbar sind.

Nachdem die Corona-Krise im Frühjahr völlig überraschend über die Welt hereingebrochen ist, wurde die geringe Sichtweite vielen Startups zum Verhängnis: Wer seine Finanzierung immer nur fürs kommende Quartal sichert, läuft in der Krise Gefahr, finanziell auf Grund zu laufen.

Was bedeutet das für Startups für die Zeit nach Corona? Müssen Startups ihre Risiko-Verhalten überdenken?

Ohne Risiko keine Disruption

Auch jenseits der Krise ist die Startup-Methode Bedingung für das Entstehen disruptiver Unternehmen: Unter Höchstgeschwindigkeit und vollem Risiko scheitern sicherlich manche Unternehmen, die mit behutsamerem Wirtschaften vielleicht überlebt hätten. Doch jene Unternehmen, die sich durchsetzen, haben das Potenzial zu echter Innovation und Veränderung. Der rasante Aufstiegt und weltweite Siegeszug der GAFAM – Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft – lässt sich nur unter Startup-Bedingungen erklären. Es ist freilich auch kein Zufall, dass alle fünf digitalen Riesen an der amerikanischen Westküste entstanden sind, einer Region, in der zur selben Zeit wahrscheinlich hunderte ähnlich ambitionierte Startups gescheitert sind.

Statt eines breiten Mittelstandes bringt die Startup-Herangehensweise eine Weltspitze disruptiver Unternehmen und ein Verfolgerfeld innovativer Herausforderer hervor. Eine Volkswirtschaft, die im weltweiten Wettbewerb mitspielen möchte, kann darauf nicht verzichten. Oder anders gesagt: Startups müssen ins Risiko gehen, schnell sein – sonst haben sie kaum eine Chance in die globale Spitze aufzusteigen.

Das Geld ist da – und kommt nicht bei den Startups an

Dennoch lehrt die aktuelle Krise, dass es Sicherheitsmechanismen braucht, um einen Kahlschlag wie zur Jahrtausendwende zu verhindern. Der Zusammenbruch des Neuen Markts hat damals die deutsche Startup-Szene um Jahre zurückgeworfen und viel Vertrauen zerstört. Das darf nicht wieder passieren.

Wenn Startup-Unternehmen selbst jedoch auf riskantes Handeln und kurze Zeithorizonte angewiesen sind, um erfolgreich werden zu können – wer soll für Sicherheit sorgen?

Startups selbst können keine Sicherheitsreserven anlegen, mit denen sie die mageren Monate oder Jahre einer globalen Krise überstehen können. Im besten Fall leisten dies jedoch andere Akteure im Startup-Ökosystem: Venture-Capital-Firmen, Business Angels und Family Offices, die über ausreichende Mittel verfügen, können ihren Portfolio-Unternehmen über die Durststrecke helfen. Wahrscheinlich sind klassische Startup-Finanzierer auch die besten AnsprechpartnerInnen, wenn es darum geht, einzuschätzen, welche Startups durch die Krise in ihrer Existenz bedroht sind und welche es auch ohne Krise nicht geschafft hätten.

Im deutschen VC-Markt mangelt es jedoch noch immer an Kapital. Laut einer aktuellen KfW-Studie fließen 0,047 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts in Venture-Capital-Investitionen – nur halb so viel wie etwa in Großbritannien. Da überrascht es wenig, dass RisikokapitalgeberInnen nicht immer die Puste haben, ‚ihre‘ Unternehmen in der Krise zu stützen oder ihnen sogar Kapital für weiteres Wachstum zur Verfügung zu stellen. Deshalb musste der deutsche Staat eingreifen und Startups mit einem 2-Milliarden-Euro-Paket in der Krise unterstützen. Nicht umsonst wurde der Großteil des Geldes über die VC-Firmen an die Startups ausgezahlt, da diese am ehesten ein Garant für ein funktionierendes Startup-Geschäftsmodell sind.

Die Intervention der öffentlichen Hand war richtig und wichtig in der Krise. Wenn wir die existenziellen Risiken für Startups durch zukünftige Einbrüche jedoch beherrschbar machen wollen, braucht das Startup-Ökosystem mehr Geld. Dafür ist es nötig, dass wie in Großbritannien und den USA mehr Kapital von institutionellen Anleger wie Pensionskassen, Banken und Versicherern an Startups fließt. Das Geld ist schließlich da, doch noch wird in Deutschland zu wenig davon in Startups investiert. Damit dies geschieht, müssen der Gesetzgeber und die öffentliche Hand an einigen Stellschrauben drehen. Aber was es auf Seiten des ‚alten Geldes‘ braucht, ist vor allem eines: Die Bereitschaft, ins Risiko zu gehen.

Sollte nach Corona die Einsicht reifen, das deutsche Startup-Ökosystem finanziell besser auszustatten, hätte die Krise nachträglich doch noch etwas Gutes. Oder um es erneut mit Meister Yoda zu sagen:

„Der größte Lehrer Versagen ist.“