Fulfin-Co-Founder Nathan Evans
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Fulfin: „Diese herausfordernde Zeit war äußerst positiv für unser Unternehmen“

Seit 2018 bietet das Münchner Startup Fulfin Finanzierungslösungen für Online-KMUs an und hilft damit zum Beispiel Onlineshops, neue Waren zu kaufen. Im Update-Interview erklärt Mitgründer Nathan Evans, was die Krisen der letzten Jahre mit dem Startup gemacht haben und wie es sich weiterentwickeln wird.

Munich Startup: Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, befanden wir uns mitten in der Covid-Krise und der Anstieg des Online-Shoppings hatte damals einen positiven Einfluss auf das Geschäft von Fulfin. Was hat sich seither verändert?

Nathan Evans, Fulfin: Nach Covid kam der Inflationsschub und die damit einhergehenden steigenden Zinssätze. Wir alle wissen, wie sich das auf die VC-Finanzierung von Startups ausgewirkt hat, und die Fintech-Finanzierung hat sich mehr als die meisten anderen zurückgezogen. Wir waren davon nicht wirklich schockiert und waren uns sehr sicher, dass unser Geschäftsmodell den Zyklus überstehen würde.

Erinnerst Du dich an das alte Lied „When the going gets tough, the tough get going“? Für Fulfin trifft das auf jeden Fall zu, denn diese herausfordernde Zeit war äußerst positiv für unser Unternehmen. Zum einen haben sich die Banken noch weiter aus der Kreditvergabe an KMU zurückgezogen, was zusammen mit dem Rückgang der VC-Finanzierung bedeutet, dass die KMU die Möglichkeiten des Neolending mehr denn je zu schätzen wissen. Ein weiterer wichtiger Effekt ist, dass viele andere, weniger leistungsfähige Kreditgeber erhebliche Ausfälle zu verzeichnen hatten, während unsere KI-gestützte Risiko-Engine auch in diesen schwierigen Zeiten eine branchenführende Leistung erbracht hat. Dadurch war es für uns viel einfacher, Eigenkapital und Fremdkapital zu sehr wettbewerbsfähigen Konditionen zu beschaffen.

Munich Startup: Welche Hindernisse sind Euch auf Eurem Weg begegnet?

Nathan Evans: Glücklicherweise sind alle unsere Herausforderungen durch unser Wachstum und unsere Möglichkeiten bedingt. Wir sind immer noch ein schlankes Unternehmen und es ist nie einfach, großartige Leute für ein wachsendes Team zu finden, aber es ist ein Luxusproblem, zu wachsen und das Team aufbauen zu müssen.

Fulfin setzt zunehmend auf KI

Munich Startup: Wie hat sich Eure Lösung weiterentwickelt?

Nathan Evans: Das Ausmaß, in dem wir KI und Data Science in unserer Kreditwürdigkeitsprüfung einsetzen, hat deutlich zugenommen, und die Rolle des „Human in the Loop“-Underwriters wird immer mehr zu einer der Validierung als der Entscheidungsfindung. Das bedeutet, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung noch schneller und das Nutzererlebnis noch besser als je zuvor geworden ist. Wir machen auch Fortschritte bei unserer Strategie, unsere finanziellen Erkenntnisse aus der Bewertung von mehreren tausend Unternehmen und Millionen von Finanztransaktionen zu nutzen, um unseren Kunden zu helfen, intelligentere finanzielle Entscheidungen zu treffen.

Munich Startup: Und wie sieht es finanziell bei Euch aus?

Nathan Evans: Wir sind derzeit gut kapitalisiert und verfügen über eine Laufzeit bis ins nächste Jahr. Sowohl die verbesserten Bedingungen für unsere Fremdfinanzierung als auch die Bestätigung unserer Forschungsfinanzierung haben unsere effektive Laufzeit um mehrere Monate verlängert. Wir werden bald eine weitere Finanzierungsrunde einleiten, um noch stärker wachsen zu können, und wir haben bereits großes Interesse von Investoren erhalten.

„Wenn du erwartest, dass der Weg gerade und glatt ist, bist du ein Narr“

Munich Startup: Welche Learnings konntet Ihr im Gründerteam bisher mitnehmen?

Nathan Evans: „Everybody has a plan until they get punched in the face”, lautet ein berühmtes Zitat von Mike Tyson. Dies ist eine Metapher für das Gründerleben. Eine Vision und einen Plan zu haben, wie man dorthin kommt, ist wichtig, aber wenn du erwartest, dass der Weg gerade und glatt ist, bist du ein Narr. Startups stehen vor allen Herausforderungen, die auch etablierte Unternehmen zu bewältigen haben, und darüber hinaus noch eine ganze Menge mehr. Unser Unternehmen, unser Produkt und sogar in gewissem Maße unsere Vision sind anders als noch vor ein paar Jahren, was ich angesichts der veränderten Umstände für sehr positiv halte. Was sich nicht ändert, sind unsere Werte und Überzeugungen und wie wir unsere Ziele erreichen wollen.

Munich Startup: Welche Rolle spielte das Münchner Ökosystem auf Eurem bisherigen Weg?

Nathan Evans: Dank unserer guten Verbindungen zum Startup-Ökosystem und zur TUM und LMU konnten wir in München schon immer hervorragende Talente rekrutieren. Viele Fintechs sind in Berlin ansässig, aber wir hatten immer das Gefühl, dass wir unser Unternehmen in München genauso gut aufbauen können wie in der Hauptstadt. Wir sind hier aufgewachsen, angefangen auf der Couch im Werk1-Café bis hin zu unserem jetzigen Zuhause im MTZ.

Fulfin hat einige wichtige Ankündigungen zu machen

Munich Startup: Auf welche Milestones arbeitet Ihr als nächstes hin?

Nathan Evans: Wir werden in Kürze offiziell eine spannende Technologie- und Origination-Partnerschaft mit einer deutschen Bank ankündigen, die sich positiv auf unsere Kundenakquise auswirken wird und uns möglicherweise in die Lage versetzt, die von uns entwickelte Risiko-Technologie zu monetarisieren. Außerdem sind wichtige Produktmeilensteine in der Pipeline, die unsere Plattform für unsere digitalen KMU-Kunden noch wertvoller machen werden. Wir glauben, dass die Zukunft der Kreditvergabe bei Fintechs liegt und sind gespannt, wie sich unser Geschäft in den nächsten Jahren entwickeln wird.