Sie sind wohl eine der begehrtesten Berufsgruppen der heutigen Zeit: Entwickler. Häufig stehen Unternehmer vor der Frage, wie sie ebenjene am besten in ihr Unternehmen locken. Wir haben einen gefragt, der sich damit auskennt: Stefan Schwarzgruber, DACH Countrymanager bei Stack Overflow.
1. Viele Startups kämpfen mit dem Problem, an gute Entwickler zu kommen. Welchen Rat kannst Du jungen Unternehmen geben, wenn es darum geht, Entwickler anzulocken und evtl. attraktiver zu sein als Corporates?
Wir von Stack Overflow beschäftigen uns viel mit der Frage, was eine Stelle für Entwickler attraktiv macht. Deswegen führen wir groß angelegte Umfragen und Studien unter Entwicklern weltweit durch — wie zum Beispiel in unserer weltweiten Studie 2017. Startups haben es nicht leicht im Vergleich zu Konzernen.
Dennoch gibt es ein paar Tipps, die sich bewährt haben. Zuerst einmal muss man den Typ Entwickler finden, der auch bereit ist, in einem schnellen und mitunter stressigen Umfeld wie dem eines Startups zu arbeiten. Daher lohnt es sich, sich mit der Vita eines Programmierers zu beschäftigen: Hat er schon einmal für ein Startup gearbeitet und wo liegen seine Interessen? Berufliche soziale Netzwerke oder Stack Overflows “Developer Story” eignen sich hierfür hervorragend.
Es zählt nicht nur das Geld
Gute Entwickler können sich aussuchen, wo sie arbeiten und drehen die traditionelle Rollenverteilung von Kandidat und Unternehmen um. Deshalb muss das Startup die Initiative ergreifen und den Entwickler ansprechen. Dabei sollte man die wichtigsten Punkte nennen: Aufgabe, Gehalt, Urlaubstage, Home Office-Regelungen und Team sind entscheidend. Es lohnt sich hier für Startups auch andere Vorzüge anzubieten. Je nach Unternehmenskultur oder Mitarbeitervorlieben können das z.B. die Bereitstellung entsprechender Budgets für Weiterbildungsmaßnahmen in Form von Konferenz-Besuchen und ähnlichem sein oder aber Benefits wie Teamausflüge oder Investitionen in die Ausstattung — ganz nach den Vorstellungen des jeweiligen Teams.
Grundsätzlich haben wir herausgefunden, dass Geld zwar eine Rolle spielt, für Entwickler aber meistens das Umfeld, die Entwicklungsmöglichkeiten und Kollegen ebenso wichtig sind.
2. Wie tickt der typische Entwickler? Was wünscht er sich von einem Unternehmen?
Die meisten der über 800.000 IT-Professionals in Deutschland sind Webentwickler und arbeiten als Full-Stack-Entwickler. Dabei programmieren sie am liebsten mit Java und Python. Soweit erst einmal zu den harten Fakten des deutschen Entwicklers. Wie ein typischer Entwickler tickt ist dennoch schwer zu sagen. Grundsätzlich gehören Entwickler aber zu neugierigen Menschen, die viele Talente besitzen müssen: Mit Code erschafft man etwas, man ist Künstler, Architekt, Sprachtalent und Formelfreak in einem. Das Bild des Nerds, der stundenlang vor dem PC hockt und nie die Sonne sieht, existiert schon lange nicht mehr.
Weiterbildungsmöglichkeiten haben großen Wert
Unser letzter weltweiter Entwicklerreport zeigt, dass — gefragt nach den wichtigsten Bewertungskriterien einer Stelle — vor allem Weiterbildungsmöglichkeiten für Entwickler am wichtigsten sind. Klar, denn Technologie verändert sich stetig und Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass ihre Angestellten immer auf dem neuesten Stand sind. Deshalb ist das ideale Unternehmen eines, das Kurse und Weiterbildungsmaßnahmen für neue Technologien anbietet und dafür auch Arbeitszeit einräumt. Auf Platz zwei bei den Must-haves eines Arbeitgebers folgt in Deutschland die im Job genutzten Technologien, mit denen die IT-Experten täglich arbeiten. Platz drei auf der Wunschliste belegt ein großartiges Umfeld mit tollem Büro und noch besseren Kollegen. Erst auf Platz vier kommt das Gehalt bei der Bewertung der Stelle.
Über München: „Die Stadt ist ein Ballungszentrum für IT-Experten“
3. Wieso hat sich Stack Overflow in München angesiedelt? Was sind die Vorteile des Standorts und welche Erwartungen verbindet Ihr damit?
Schon länger haben wir bei Stack Overflow mit einem Standort in Deutschland geliebäugelt. Deutschland braucht unheimlich viele Entwickler in Forschung, Industrie und Wirtschaft. Unsere Wahl ist dabei auf München gefallen, weil die Stadt das für uns beste Potenzial bietet: Große Unternehmen, die forschen sowie Innovationen vorantreiben und deshalb großartige Entwickler brauchen, die die Zukunft mitgestalten. BMW, Infineon, Microsoft und IBM sind hier vertreten und arbeiten an den Produkten von morgen — auch in ihren neu gegründeten Innovationszentren.
Mit 380.000 Menschen in 20.000 Unternehmen der IKT-Branche ist die Stadt ein Ballungszentrum für IT-Experten in Süddeutschland. Jährlich verlassen in München rund 4.400 IKT-Absolventen die Hochschulen und treten neu in den Arbeitsmarkt ein. Somit ist der Nachwuchs und die Technologie-Kompetenz gesichert. Zum anderen nennt man die bayerische Hauptstadt nicht umsonst “Isar-Valley”: Eine florierende Startup-Szene und tolle Investoren legen den Grundstein für großartige Kooperationen und technische Neuerungen. Und ganz nebenbei bietet München natürlich herrliche Natur und eine tolle Lebensqualität.
Networking top — Wohnungsmarkt Flop
4. Nach den ersten Eindrücken? Fehlt Euch etwas in München und wenn ja, was?
Die ersten Eindrücke von München sind sehr gut. Wir sind pünktlich zum Oktoberfest in die Stadt gekommen und haben hier auch gleich das Ökosystem rund um das Volksfest und das hiesige Tech-Event Bits&Pretzels kennengelernt. Wir wurden sehr freundlich empfangen und Institutionen wie z.B. “Invest in Bavaria” waren sehr hilfreich und gaben uns praktische Tipps und Tricks für unsere erste Zeit in München.
Wir arbeiten zurzeit noch in einem Coworking Space, wo wir schnell Anschluss gefunden haben — Networking mit Bayern funktioniert also recht gut. Hier werden Nägel mit Köpfen gemacht und auch die Unis sind top aufgestellt, um Ideen umzusetzen. München ist eine urdeutsche Stadt und es ist nicht so hektisch und international wie London — aber das kann zur Abwechslung auch mal ganz schön sein. Ein Wermutstropfen: Die Wohnungssuche in München ist sogar schwieriger als in London. In London bekommt man in der Regel eine Wohnung in der festgelegten Preisklasse, die man sich ausgesucht hat. Hier bewirbt man sich als einer von hunderten auf die guten Wohnräume. Das war ernüchternd.
Kinder und Jugendliche ans Programmieren heranführen
5. Denkst Du, dass Programmieren als Schulfach eingeführt werden müsste? Und was würde das zukünftig für den Beruf des Entwicklers bedeuten?
Unser Gründer und CEO Joel Spolsky sagt immer: “Software is eating the world”. Das bedeutet, dass alles heute von Code bestimmt wird und das natürlich in Zukunft noch zunimmt. Er selbst hat schon mit ungefähr zehn Jahren angefangen mit technischen Geräten herumzuspielen und zu programmieren. Genau das ist wichtig: In jungen Jahren den Kindern zeigen, was Programmieren bedeutet und sie dafür vielleicht sogar begeistern. In Deutschland ist das noch nicht so ganz angekommen. Deshalb denke ich, dass jeder Schüler und jede Schülerin an das Thema herangeführt werden muss und Schulen die Dringlichkeit dessen erkennen müssen.
Auch wenn es zu Anfang vielleicht langweilig oder sehr mathematisch klingt: Sie sollten verstehen, was Codes und Algorithmen bewirken und wie sie funktionieren. Das Automobil wurde im 19. Jahrhundert ebenfalls von Tüftlern erfunden und nur die wenigsten verstanden, wie es funktionierte. Heutzutage kann zwar immer noch nicht jeder die Funktionen eines Motors oder die Gangschaltung im Detail erklären – aber verstehen, wie das Auto fährt und welche Komponenten wie wirken, schon. Das würde ich mir auch für Software wünschen: Verstehen, wie sich das Gesamtbild hinter dem Interface zusammensetzt.
6. Was ist die Zukunftsvision von Stack Overflow? Gibt es einen konkreten Plan für die nächsten 10 Jahre?
Zunächst einmal wollen wir ein großartiges Team und Büro im Herzen Münchens aufbauen und ich denke, dass wir dabei schon auf einem sehr guten Weg sind. Wir suchen derzeit noch Vertriebsmitarbeiter, die leidenschaftlich gerne an der digitalen Zukunft von Deutschland mitarbeiten wollen. Die Stellenausschreibungen findet Ihr auf unserer Website.
Was die Produktseite angeht, so bleiben wir mit einigen spannenden neuen Projekten unserer Kernmission treu: Seit jeher bringt Stack Overflow nicht nur Entwickler untereinander, sondern auch Arbeitgeber mit IT-Talenten zusammen. Ein wichtiger Teil dessen ist es, Unternehmen und Entwickler miteinander auf Augenhöhe kommunizieren zu lassen. Ob Recruiting, Marketing, Marktforschung oder auch Systeme für das unternehmensinterne Wissensmanagement – alle Lösungen von uns haben zum Ziel, das Leben von Entwicklern besser und einfacher zu machen. Gerade arbeiten wir an unserem neuen Produkt „Stack Overflow Channels”. Es wird Teams jeder Größe die Möglichkeit geben, in ihrem eigenen, abgesicherten Bereich internes Wissen auszutauschen. Genau wie auf Stack Overflow — nur innerhalb des Unternehmens.
Vielen Dank für das Gespräch!