Muhammad Yunus auf der DLD-Konferenz 2020.
© Picture Alliance for DLD / Hubert Burda Media

„Wir Menschen entscheiden, wie sich Technologie entwickelt“

Auf der internationalen Konferenz- und Innovationsplattform Digital Life Design — kurz DLD — in München stand die Frage im Mittelpunkt, welchen Beitrag Technologie zu einer lebenswerten Zukunft leisten kann. Unter dem Motto ‚What are you adding?‘ diskutierten PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen, JournalistInnen und UnternehmerInnen aus den verschiedensten Bereichen.

„Nur wenn wir den Wandel als Chance begreifen, können wir ihm positiv begegnen. Nur wenn wir die Digitalisierung besser verstehen, macht sie uns keine Angst mehr. Und nur wenn wir uns selbst einbringen — politisch, gesellschaftlich oder im Bereich der Wissenschaft — können wir die Welt von morgen aktiv mitgestalten“,

erklärte Steffi Czerny, Mitgründerin und Geschäftsführerin der DLD, jüngst in einem Interview mit Munich Startup. Zur Eröffnung der Konferenz griffen sie und der DLD-Vorsitzende Yossi Vardi diesen Gedanken wieder auf: Noch nie sei eine Konferenz-Agenda so von der Bereitschaft und dem Engagement aller RednerInnen und PartnerInnen getrieben gewesen, Herausforderungen und Chancen nicht nur anzusprechen, sondern auch konkrete Vorschläge und Pläne für messbare Ergebnisse zu unterbreiten.

Die Gesellschaft im Wandel

Mit deutlicher Kritik wandte sich Friedensnobelpreisträger Mohammad Yunus an das versammelte Publikum, unter denen sich zahlreiche hochrangige VertreterInnen von Politik und Wirtschaft befanden.

„Wir leben in einer Welt, in der 26 Menschen so viel besitzen, wie 50 Prozent der gesamten Weltbevölkerung. Was tun sie damit?“

Und:

„Irgendetwas ist schrecklich falsch an der Art und Weise, wie wir Technologien entwickelt haben. Es liegt an uns Menschen zu entscheiden, wie sich Technologie entwickeln soll.“

Mit seinen Worten setzte Yunus den Ton für einen Teil der Podiumsdiskussionen, schließlich stellen digitale Technologien politische Systeme vor neue Herausforderungen. Denn dank moderner Kommunikation gibt es zahlreiche neue Chancen für Partizipation – oder eben die Gefahr, ganze Bevölkerungsteile außen vor zu lassen. Clara Barnett, Beraterin für digitale Inklusion beim Department for International Development der britischen Regierung, fasste dies in ihrem Vortrag so zusammen:

„Fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist immer noch offline. Nur eine kleine Gruppe profitiert vom großen Nutzen dieser Entwicklung. Es muss nicht so sein, aber wenn es so bleibt, riskieren wir, Milliarden von Menschen zurückzulassen. Fragt Euch alle: Wie lösen Eure Produkte und Eure Dienstleistungen die großen globalen Missstände?“

Europäische Digitalpolitik der Zukunft

Auch die europäische Digitalpolitik war auf der DLD ein wichtiges Thema. Denn der Kontinent scheint derzeit in einer Zange zu stecken: Auf der einen Seite die USA, mit ihren zurückhaltenden Regeln beim Datenschutz und einem zunehmenden wirtschaftlichen Protektionismus unter Präsident Trump; auf der anderen Seite China, welches an einer totalen Überwachung seiner Bevölkerung arbeitet und zugleich mit Initiativen wie der neuen Seidenstraße versucht, seinen Einfluss auf andere Länder und Regionen auszudehnen. Daher diskutierten Andrew Keen, Autor von ‚How To Fix The Future’, der Europa-Politiker Axel Voss (CDU) und Xin Li von Caixin Media die Zukunft der Europäischen Digitalpolitik. Keen warnte dabei:

„Datenschutz ist das politische Kernthema des 21. Jahrhunderts. Wenn Europa sein Identitätsproblem nicht löst, wird es nie eine einheitliche Digitalpolitik haben.“

Auch Axel Voss, der im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments sitzt, sieht die Situation kritisch:

„Wenn wir uns nicht ändern, werden wir eine digitale Kolonie sein – entweder von den USA oder von China.“

In Hinblick auf die Zukunftstechnologie 5G versuchte der EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Thierry Breton, die Gemüter zu beruhigen. Ihm zufolge kontrolliere Europa mehr als 50 Prozent der 5G-Patente, im Vergleich dazu China 30 Prozent und die USA lediglich 14 Prozent. Für Europas digitale Agenda prognostizierte er einen Paradigmenwechsel in der Post-Cloud-Ära, bei der Quantentechnologie eine entscheidende Rolle spielen werde. Thierry sagte:

„Europa hat die erste Datenwelle verpasst. Meine Aufgabe ist es, die zweite Welle nicht zu verpassen.“

Verschiedene Branchen unter der Lupe

Neben den großen Linien internationaler Politik und gesellschaftlicher Veränderungen widmete sich die Konferenz auch zahlreichen Branchen, darunter dem Digital-Health-Bereich, für den München als ‚unschlagbares Ökosystem‘ gilt. Gesundheitsminister Jens Spahn sprach auf der DLD-Bühne über die Digitalisierung der Gesundheitsbranche:

„Wir müssen den Menschen erklären, dass die Nutzung von Daten für die Gesundheitsforschung wirklich etwas bewirken kann.“

Auch der Mobility-Sektor, in dem sich das Münchner Ökosystem mit dem Digital Hub Mobility ebenso hervorhebt wie mit erfolgreichen Startups, war Thema der Konferenz. Mit Blick auf die Zukunft sieht etwa US-Ökonom Jeremy Rifkin das Ende der Industrie für fossile Brennstoffe nahen. Daher fordert er ein komplettes Umdenken bei der Energieerzeugung und -verteilung:

„Die Technologie ist jetzt da. Wir brauchen keine weitere Forschung und Entwicklung. Es gibt keine Ausreden mehr.“

Aenne Burda Award for Creative Leadership

Im Rahmen der DLD-Konferenz in München wurde zudem die Schweizer Philanthropin Maja Hoffmann mit dem Aenne Burda Award for Creative Leadership ausgezeichnet. Mit der Gründung der Luma Stiftung im Jahr 2004 legte Hoffmann den Grundstein für den Kulturkomplex Luma Arles in der französischen Stadt Arles. Sie möchte die Stadt damit zu einem der innovativsten Kulturzentren Europas machen.

Mit dem Aenne Burda Award for Creative Leadership werden jedes Jahr Frauen ausgezeichnet, die sich mit herausragenden unternehmerischen und kreativen Leistungen einen Namen gemacht haben und damit die Leidenschaft von Aenne Burda teilen.

Über die DLD-Konferenz 2020

Die Digital Life Design (DLD) fand vom 18. bis 20. Januar 2020 in der Alten Kongresshalle auf der Münchner Schwanthalerhöhe stat. Erwartet wurden 1.500 geladenen Gäste und über 200 internationale Speaker. Das Motto in diesem Jahr war die Frage ‚What are YOU adding?‘ — also: ‚Wie können Sie sich einbringen?‘. Veranstalter der Konferenz ist Hubert Burda Media.