Die beiden GründerInnen Christina Ramgraber und David Siekaczek
Foto: Regina Ziegler / Sira

Follow-Up: Wie läuft es eigentlich bei Sira?

2012 ist Sira mit einem innovativen Konzept für betriebliche Kinderbetreuung an den Start gegangen. Inzwischen kann das Münchner Startup mit 130 MitarbeiterInnen rund 40 Standorte versorgen. Die Gründerin Christina Ramgraber schildert im Interview, wie sie mit Herausforderungen durch Pandemie und Fachkräftemangel umgegangen ist, wie sich das Geschäftsmodell erweitert hat und wie sie als Sozialunternehmerin einen gesellschaftlichen Mehrwert schafft.

Munich Startup: Als wir das letzte Mal gesprochen haben, habt Ihr gesagt, dass Ihr mit der Sira Kinderbetreuung bis Ende 2020 39 Standorte plant. Konntet Ihr dieses Ziel erreichen?

Christina Ramgraber, Sira: Das letzte Mal hatten wir 2019 gesprochen. Da wussten wir und auch die ganze Welt noch nicht, welche großen Herausforderungen mit der Corona-Pandemie auf uns zukommen werden. Corona und auch der aktuelle Fachkräftemangel, der sich immer mehr zuspitzt, haben uns in unseren Zielen etwas ausgebremst. Wir sind langsamer gewachsen als ursprünglich geplant. Unser Ziel waren damals 39 Standorte bis Ende 2020, jetzt werden wir Ende dieses Jahres bei insgesamt 41 Sira-Standorten liegen.

Munich Startup: Welchen Herausforderungen seid Ihr auf dem Weg dahin begegnet?

Christina Ramgraber, Sira: Eine große Herausforderung war ganz klar Covid19. Statt mit neuen Projekten und Wachstumsplänen mussten wir uns von einem Tag auf den anderen mit vorübergehenden Standortschließungen, Notfallbetreuung und Kurzarbeitergeld beschäftigen. Die Unsicherheit war groß – und das war gerade zu Beginn auch bei allen Stakeholdern zu spüren. Aber wir haben die Krise ganz gut gemeistert. Die größte Herausforderung in unserer Branche bleibt nach wie vor der anhaltende Fachkräftemangel, der in München auch noch einmal wesentlich stärker zu spüren ist als vielleicht in manch anderen Städten und Regionen.

Zweite Zielgruppe für Sira Kinderbetreuung

Munich Startup: Wie hat sich Euer Geschäftsmodell weiterentwickelt?

Christina Ramgraber, Sira: Neben den allgemeinen Pandemie-Einschränkungen in den letzten Jahren, war auch spürbar, dass das Thema betriebliche Kinderbetreuung bei vielen mittleren und größeren Arbeitgebern etwas von der Agenda gefallen ist. Das war damals unsere Kernzielgruppe. Nun hat sich eine zweite Kernzielgruppe als direkte Kooperationspartner etabliert: Kommunen, Städte und Gemeinden. So sind wir zum Beispiel von der Stadt Köln per Ratsbeschluss als Träger beauftragt worden, verbunden mit einem Modellfinanzierungsprogramm, bis 2026 insgesamt 17 Standorte in Köln zu realisieren. In weiteren Städten sind wir nun in Verhandlungen über ähnliche Programme. Aber auch das Firmengeschäft hat seit letztem Jahr wieder deutlich angezogen. Denn die Unternehmen wissen, wie wichtig es ist, sich als familienfreundlicher Arbeitgeber zu positionieren. Auch räumlich sind wir mittlerweile breiter aufgestellt – wir sind nicht mehr „nur“ in Bayern vertreten, sondern auch in Nordrhein-Westfalen mit Standorten in Köln und Aachen und in Baden-Württemberg mit Standorten in Stuttgart und Mannheim.

Munich Startup: Und wie sieht es finanziell bei Euch aus?

Christina Ramgraber, Sira: 2021 haben wir eine Wachstumsfinanzierungsrunde mit dem Impact Investor Bonventure abgeschlossen, um nach der Pandemie wieder schneller wachsen zu können. Dementsprechend haben wir vergangenes Jahr auch personell in der Verwaltung aufgestockt und zwei Business Development Managerinnen sowie eine Projektmanagerin eingestellt. Derzeit haben wir keinen neuen Kapitalbedarf, sondern finanzieren uns komplett aus den laufenden Umsätzen. Wichtig für uns: Wir machen keine Standorte, an denen wir selbst in größerem Maße in die Vorfinanzierung gehen müssen. Die Investitionskosten für Umbau und Ausstattung werden entweder durch KooperationspartnerInnen, VermieterInnen oder öffentliche Investitionsprogramme für den Kitaausbau gedeckt. Wir wachsen vielleicht etwas langsamer, aber finanziell nachhaltiger und risikobewusster.

Micro-Management und Perfektionismus überwinden

Munich Startup: Welche Learnings konntet Ihr im Gründerteam bisher mitnehmen?

Christina Ramgraber, Sira: Man wird sich auf jeden Fall der eigenen Stärken und Schwächen bewusst und kann die Aufgaben entsprechend im Gründerteam verteilen. Und wir sind auf aktuell 130 MitarbeiterInnen gewachsen. Ab einer gewissen Unternehmensgröße war es für uns als GründerInnen eine Herausforderung, nicht mehr alles selbst bestimmen zu können, sondern Aufgaben auch zu delegieren und auf mehreren Schultern zu verteilen. Mirco-Management und übertriebener Perfektionismus funktionieren irgendwann nicht mehr, wenn man wachsen will. Was wir auch gelernt haben: es ist mühsam und viel Arbeit. Aber wenn man nach dem „proof of concept“ dranbleibt, einen guten Job macht und nicht beim ersten Gegenwind alles hinschmeißt, wird es irgendwann einfacher!

Munich Startup: Christina, du verstehst Dich als Sozialunternehmerin. Was genau können wir uns darunter vorstellen?

Christina Ramgraber, Sira: Als wir 2012 gestartet sind, kannte fast keiner den Begriff Social Startup. Anders als technologische Gründungen mussten wir uns immer wieder erklären, was uns überhaupt zu einem Unternehmen macht. Das ist nun anders – GründerInnen werden mit verschiedenen Förderprogrammen ermutigt, in die soziale und ökologische Richtung zu gehen. Das stärkt bestehende Sozialunternehmen und inspiriert auch andere Unternehmen, ihren sozialen und ökologischen Impact zu stärken. Ich interpretiere das so, dass wir mit unserem Geschäftsmodell wirtschaftlich erfolgreich sind, aber gleichzeitig einen gesellschaftlichen Mehrwert erreichen wollen. In unserem Fall sind das neu geschaffene Kinderbetreuungsplätze, die für mehr Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit, bessere Karrieremöglichkeiten für Frauen und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für berufstätige Eltern sorgen.

Große Nachfrage am Firmenstandort München

Munich Startup: Welche Rolle spielte das Münchner Ökosystem auf Eurem bisherigen Weg?

Christina Ramgraber, Sira: Zu Beginn haben wir natürlich als „Rookies“ sehr von den Unterstützungsmöglichkeiten und dem Kontakt zu anderen Startups profitiert. Wir waren in Förderprogrammen im Strascheg Center for Entrepreneurship (SCE) der Hochschule München und in der Social Entrepreneurship Akademie, haben dort zum Beispiel auch Weiterbildungsangebote für GründerInnen wahrgenommen. Mit unserem Geschäftsmodell profitieren wir natürlich auch ganz stark von der wirtschaftlichen Dynamik und vielfältigen Unternehmenslandschaft Münchens. Viele unserer Firmenkunden hier in München sind erfolgreiche Scaleups, die in den letzten zehn Jahren entstanden und stark gewachsen sind. Natürlich gehören aber auch etablierte, seit langem erfolgreiche Unternehmen zu unseren Kunden. Ein Beispiel: Im Juni dieses Jahres haben wir die Mini-Kita „Bremsklötzchen“ am Oberwiesenfeld eröffnet, für die Firma Knorr-Bremse. Direkt daneben gibt es schon seit 2020 unsere Mini-Kita „Westwing-Wichtel“, die wir in Kooperation mit der Firma Westwing betreiben.

Munich Startup: Auf welche Milestones arbeitet Ihr als nächstes hin?

Christina Ramgraber, Sira: Wir wollen im kommenden Jahr die Marke von 60 Standorten und 600 Betreuungsplätzen knacken. Seit Mitte 2022 treiben wir zudem die Digitalisierung von internen Prozessen durch den Einsatz von maßgeschneiderten Softwareprodukten in der Kitaverwaltung, in der Finanzbuchhaltung und im Controlling voran, um dieses Wachstum prozessseitig auch stemmen zu können. Das wollen wir bis Ende dieses Jahres abgeschlossen haben.