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Remote statt vor Ort: Wie arbeitet der German Accelerator in der Corona-Krise?

Der German Accelerator unterstützt eigentlich vielversprechende deutsche Startups bei ihrer Expansion ins Ausland und schickt sie nach San Francisco, ins Silicon Valley, New York, Boston oder Singapur. Eigentlich, denn die Corona-Krise ändert auch hier einiges. Was genau, und wie die betroffenen Startups damit umgehen: wir haben nachgefragt.

Judith Sterl, Head of Global Marketing & Communications beim German Accelerator:

„Wir beim German Accelerator haben alle unsere Programme komplett auf Online umgestellt. Unsere Startups bereiten sich nun also von Deutschland aus auf die internationale Expansion vor und wir werden die Präsenz vor Ort und das entsprechende intensive Networking in Boston, New York, Silicon Valley oder Singapur zu einem späteren Zeitpunkt nachholen. Auch unsere Discovery Tour-Angebote Next Step Asia und Next Step India starten wir remote und die geplanten zehntägigen Vor-Ort-Besuche werden wir durchführen, sobald die globale Lage es zulässt. Die Inhalte unserer verschiedenen Workshops, Trainings und Coachings werden nun also virtuell vermittelt, ebenso findet die intensive und für jedes Startup individuelle Zusammenarbeit mit unseren Mentoren und Coaches über digitale Kanäle statt.“

Sie berichtet weiter, dass der stetige Austausch zwischen den Startups untereinander und mit den German Accelerator Teams vor Ort nicht zu kurz kommt. Gemeinsame Happy Hours, Intros und auch Pitches finden nun eben online statt.

Mit Expertenwissen gegen Krisenzeiten

„Wir haben unser Angebot auch um spezielle Sessions ergänzt, die unseren Startups konkret helfen, sich für die aktuelle Krise zu wappnen, sich auf eine Rezession vorzubereiten, und gleichzeitig für die Zeit nach Corona zu planen. Dabei kommen auch die internationalen Expansionsplanungen entsprechend unseres Auftrags nicht zu kurz. Und wir haben gerade auch eine neue Webinar-Reihe gestartet „Pass The Mic“, in der wir Experten zusammenbringen, und uns mit verschiedensten Themen beschäftigen. Auf diese Weise möchten wir Startups in Deutschland mit Expertenwissen, konkreten Infos und Tipps versorgen und sie dabei unterstützen, die Krisenzeit so gut wie möglich zu meistern. Diese Webinar-Reihe bieten wir sowohl für unsere aktuellen Programmteilnehmer und Alumni an, öffnen sie aber auch für andere Startups und Ökosystem-Partner.“

Jens Kirch von Terraplasma Medical. (Foto: Terraplasma Medical)

Jens Kirsch, CEO von Terraplasma Medical, aus dem German Accelerator LifeSciences Programm in Boston:

„Terraplasma Medical hat ein CE-zugelassenes Medizinprodukt entwickelt, das Plasma Care zur Behandlung von akuten und chronischen Wunden, welches mit kaltem Plasma Bakterien einschließlich multi-resistenter Erreger, Viren und Pilzen inaktiviert und dadurch die Wundheilung fördert. In den letzten Tagen wurde mit Virologen, Mikrobiologen und Ärzten aus der Anästhesie, Intensivmedizin und Pneumologie die äußerst vielversprechende Anwendung von kaltem Plasma für die Behandlung von COVID-19 diskutiert. Da kalte Plasmen neben Bakterien ein sehr breites Wirkspektrum gegen Viren haben (dies wurde u.a. an Adenoviren, Noroviren und Influenzaviren gezeigt), kann davon ausgegangen werden, dass auch Coronaviren inaktiviert werden können. Dazu werden aktuell vielversprechende prä-klinische Untersuchungen durchgeführt, welche kurzfristig abgeschlossen sein werden. Somit könnte bei intubierten, beatmeten Patienten im Mund und Rachenraum durch die Anwendung von kaltem Plasma die Viruslast deutlich vermindert oder sogar eliminiert werden. Dadurch würden die Mikroaspirationen in den Bronchialbaum verringert und der zusätzliche weitere Viruseintrag unterbunden.“

Jens Kirsch meint weiter, dass darüber hinaus ein wesentlicher Aspekt die Vermeidung der Mikroaspiration zusätzlicher, häufig multiresistenter, bakterieller Erreger in die Lunge ist, welche häufig nosokomiale Pneumonien verursachen. Es kann somit das Risiko einer kritischen, sekundären Super-Infektion verringert werden. Dies könnte ein wesentlicher Punkt für die Steigerung der Überlebenschance sein, denn es ist bekannt, dass eine sekundäre (nosokomiale) bakterielle Superinfektion, zum Beispiel bei der SARS Pandemie zu bis zu 55% der Todesfälle geführt hat (Quelle: CDC). Bestätigt wird dies laut Kirsch auch in ersten Veröffentlichungen aus China/Wuhan die gezeigt haben, dass bei 50% der COVID-19 Patienten, die nicht überlebt haben, eine Super-Infektion bestand.

„Neben der Behandlung von intubierten Patienten wird die Behandlung von Patienten in einem früheren Krankheitsstadium geprüft, um eine Verbreitung des Virus in den Bronchialbaum und die Lunge sowie damit eine intensivmedizinische Behandlung und Intubation zu vermeiden. Ziel ist es, in den nächsten Wochen mit Universitäten und Kliniken in München und Regensburg neben prä-klinischen Ergebnissen indikative klinische Ergebnisse zu erzielen.“

Brigitte Schrätzenstaller-Rauch, Chief Business Development Officer von Reactive Robotics, aus dem German Accelerator LifeSciences Programm in Boston:

„Reactive Robotics entwickelt robotische Medizintechnik für schwerstkranke Intensivpatienten. Wir sind uns der enormen Verantwortung für Patienten und das klinische Personal bewusst. Diese Haltung spiegelt sich auch in unserem persönlichen Umgang mit COVID-19 wieder. Wir haben sehr genau die aktuellsten Veröffentlichungen der medizinischen Fachpresse verfolgt und proaktiv Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter, unserer Kunden und Geschäftspartner getroffen. Stay Safe und #StayHome leitet uns.“

Sie betont außerdem, dass das Team aufgrund seiner guten technischen Ausstattung und seines routinierten Umgangs mit modernster Informationstechnologie von einem Tag auf den anderen auf Homeoffice umschalten konnte. Für die wenigen Kollegen, die vor Ort sein sollten, wurde in einem detaillierten Zeitplan die Anwesenheit so transparent geregelt, dass man Begegnungen möglichst ausschließen kann.

„Wir haben vereinbart, dass in der Mittagszeit keine internen Telcos stattfinden und dass Pausen in Ordnung sind“

„Im Homeoffice sorgen wir für regelmäßigen Austausch mehrfach in der Woche mit Video „Check-In“ Meetings in welchen neben den beruflichen Themen auch das persönliche Gespräch einen Platz hat. Wir haben vereinbart, dass in der Mittagszeit keine internen Telcos stattfinden und dass Pausen in Ordnung sind. Wir haben festgestellt dass alle sehr fokussiert und hart arbeiten — warum: weil wir mit unserem robotischen Assistenzsystem VEMO einen Beitrag zur Linderung der angespannten Situation in den Intensivstationen leisten können. Wir halten zusammen und arbeiten an der Realisierung unserer Mission: wir bringen die Therapie zu den Patienten! Stay Safe und #StayHome.“

Katharina Kreitz von Vectoflow. (Foto: Vectoflow)

Katharina Kreitz, Co-Founder und CEO von Vectoflow, aus dem German Accelerator Programm Silicon Valley:

„Alles ist sehr ungewiss. Aktuell trifft es uns noch nicht und wir merken nur kleine Auswirkungen. Da die ganzen großen Firmen im Automobil und Luftfahrtbereich allerdings unsere Kunden sind und stark unter der Krise leiden, könnte es nur eine Frage der Zeit sein. Als Team haben wir uns sehr gut aufgestellt. Da wir Hardware herstellen, sind 1-5 wechselnde Leute maximal parallel im Büro/Werkstatt/Windkanal und nie im gleichen Raum. Eigentlich hatten wir vor, für die Verlängerung des German Accelerator Programs in Silicon Valley vor Ort in San Francisco zu sein, um unsere Expansion in die USA weiter voranzutreiben. Da das aktuell nicht möglich ist, freuen wir uns, dass wir bereits remote anfangen können, mit den German Accelerator Mentoren zu arbeiten!“

Florian Ziesche, Co-Founder und CEO Deutschdata, aus dem German Accelerator JumpStart-Programm für Early-stage Companies im Silicon Valley:

„Die Corona-Epidemie hat große Auswirkungen auf unsere Kunden wie beispielsweise BMW und Rolls Royce Motor Systems, da diese momentan nicht mehr produzieren. Die Live-Demonstrationen führen wir deshalb an einem großen Projektor in unserem Büro durch. An allen anderen Terminen nehmen wir von zu Hause aus teil. Um möglichst effizient arbeiten zu können, sind Muhammad (Co-Founder und CTO) und ich (CEO und Founder) zusammengezogen. Wir sehen die aktuelle Situation als eine große Herausforderung an, jedoch auch als Möglichkeit, unser Unternehmen noch digitaler aufzustellen.“

Christian Schläger von Build38. (Foto: Build38)

Christian Schläger, Geschäftsführer vom Build38, aus dem German Accelerator Programm Südostasien in Singapur:

„Agil, familiär und global — das sind die 3 Strategien, auf die wir erfolgreich bauen. Mit Standorten in Singapur, Barcelona und München sowie Kunden in China sind wir von Beginn der Krise an direkt betroffen und mussten jede Woche neu entscheiden, was wir tun und was nicht. Als Team halten wir zusammen und nutzen die typische Flexibilität als Startup und unseren hohen Grad an Digitalisierung zum Schutz und zur Unterstützung unsere Lieben zu Hause und unserer Firma.“

Christian Schläger erklärt, dass sein Team momentan in einem agilen Zwei-Wochen-Rhythmus arbeitet und auf die gestiegene Nachfrage nach Cyber Security, mobilen Lösungen und GDPR-konformen Apps reagiert.

„Diese Krise zeigt uns: Was wir tun hat Impact und zwar gigantischen Impact, denn sicheres mobiles Leben und Handeln ist wichtiger als je zuvor! Das German Accelerator Programm in Südostasien war ein echter Kick für unseren aktuellen Erfolg. Durch das intensive Mentoring und die vielfältigen internationalen Erfahrungen des Teams konnten wir schneller auf die Krise reagieren und uns fokussieren. Was als nächstes kommt, wissen wir nicht, aber wir bereiten uns auf schwierige Zeiten vor und hoffen auf Gutes um dann besser zu sein als geplant.“

Alexander Engelfried, Co-Founder und Chief Business Development Officer von Fairfleet aus dem German Accelerator Programm Südostasien in Singapur:

„Fairfleet bietet eine Online-Plattform mit einem dezentralen Netzwerk professioneller, lokaler Drohnenpiloten. Mit nur wenigen Klicks können Kunden weltweit Drohnen-Services buchen und innerhalb weniger Tage digitale Daten ihrer Projekte über die Fairfleet-Plattform nutzen — ohne dafür ihr Büro verlassen zu müssen. Gerade in Zeiten, in denen auf Homeoffice umgestellt wird, Dienstreisen unmöglich sind und menschliche Inspektionen nicht einfach so stattfinden können, unterstützt Fairfleet Unternehmen dabei, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten. Wichtige Infrastruktur wie Solaranlagen, Hochspannungsleitungen, Pipelines, Straßen, Autobahnen oder Schienen können von einem einzelnen Piloten vor Ort erfasst und von Fairfleet analysiert werden. Auch Immobilieninvestoren und -dienstleister, Versicherungen oder Logistikunternehmen, benötigen vor allem jetzt das dezentrale Netzwerk und die Analysefähigkeiten von Fairfleet, um vom heimischen Büro aus das operative Geschäft zu bedienen.“