© Sewts

Sewts und das Gehirn für die Industrieroboter von morgen

Industrieroboter kommen mit Textilien nicht wirklich klar — zumindest noch nicht. Denn wenn es nach Sewts geht, ändert sich daran sehr bald etwas. Wie genau, das haben uns die drei Gründer Till Rickert, Tim Doerks und Alexander Bley im Interview verraten.

Munich Startup: Till, Tim und Alexander, stellt Euch bitte kurz vor.

Sewts: Wir, das sind Till Rickert, Tim Doerks und Alexander Bley. 2012 haben wir uns zu Beginn unseres Studiums hier an der TU München kennengelernt und sind seitdem eng befreundet. Während verschiedener Industriepraktika zwischen Bachelor- und Masterstudium ist uns dann allen klar geworden, dass wir uns nicht als kleines Zahnrad in einem großen Unternehmen sehen, sondern an unseren eigenen Ideen arbeiten wollen. So ist in uns der Gedanke gereift, ein eigenes Unternehmen aufzubauen.

Munich Startup: Was genau macht Ihr bei Sewts?

Sewts: Bei Sewts entwickeln wir das Gehirn für die Industrieroboter von morgen. Viele Industrieprozesse, wie beispielsweise die Herstellung von Fahrzeugsitzbezügen, das Vernähen unserer Kleidung oder auch Arbeitsschritte in industriellen Großwäschereien sind bis heute nicht automatisierbar. Das Problem liegt in den Materialeigenschaften von Textilien. Roboter können nicht vorhersehen, wie sich ein Textil während eines Prozesses verhält oder welche Falten es wirft. Für den Menschen ist das eine absolut selbstverständliche Aufgabe.

Neue Anwendungsgebiete für Industrierobotor

Durch den Background von Tim und Alex im Bereich Faserverbundwerkstoffe ist die Idee entstanden, sehr präzise Finite-Elemente Simulationen von Textilien dafür zu verwenden, um – einfach gesprochen – Roboter zu steuern. Wir trainieren Robotern durch unsere künstliche Intelligenz ein menschenähnliches Verständnis für das Verhalten von Textilien an. Und weil wir dabei nicht tausende Trainingsbilder selber erzeugen wollen, haben wir einen Weg gefunden, die Simulationen der Textilien für diese Zwecke zu verwenden.

Langfristig eröffnet unsere Technologie eine große Menge an neuen Anwendungsgebieten für Industrieroboter. Unsere große Vision ist dabei die marktnahe, nachhaltige und vollautomatisierte Produktion von Kleidungstextilien.

Munich Startup: Seid Ihr mit dieser Idee alleine auf dem Markt?

Sewts: Natürlich gibt es einige Startups und auch etablierte Unternehmen, die sich mit der intelligenten Steuerung von Industrierobotern beschäftigen. Durch unseren Fokus auf die Verarbeitung von Textilien oder, allgemeiner gesprochen, leicht verformbarer Materialien sehen wir uns dabei in einer einzigartigen Position. Die Produktion von Fahrzeugsitzbezügen oder Kleidung ist nahezu ausschließlich Handarbeit. Das wollen wir ändern.

Munich Startup: Womit struggeld Ihr gerade am meisten?

Sewts: Tatsächlich besteht eine unserer größten Herausforderungen zurzeit darin, motivierte und begabte Talente mit dem Fokus auf Robotik und künstliche Intelligenz zu bekommen. Die Konkurrenz ist sehr groß hier in München. Wenn uns also jemand kennenlernen möchte: Meldet euch gerne!

Munich Startup: Und Hand aufs Herz, wie läuft das Geschäft?

Sewts: Dadurch, dass wir im ersten Anwendungsgebiet unserer Technologie auch einen Teil der Hardwareentwicklung bzw. die Zusammenführung von Software und Hardware übernehmen müssen, dauert das Ganze etwas länger. Im ersten Quartal 2020 planen wir neue Pilotkundenprojekte über einen längeren Zeitraum. Ende 2020 werden wir unser Produkt für die Automatisierung in industriellen Großwäschereien an den Markt bringen. Erst kürzlich haben wir unsere Pre-Seed Runde im mittleren sechstelligen Bereich abgeschlossen. Mit diesen Mitteln wollen wir unser Team von derzeit 7 auf 12 Leute wachsen lassen.

Munich Startup: Was bedeutet München für Euch?

Sewts: Wir drei leben alle seit 2012 in München. Vor allem die Nähe zu den Bergen begeistert uns immer wieder. Durch die TUM und die LMU haben wir auf der einen Seite Zugang zu Weltklasse-Talenten, auf der anderen Seite ist es aufgrund der riesigen Anzahl sehr namhafter Unternehmen problematisch, sich in deren Gehaltsgefüge einzuordnen.

Einzigartiges Ökosystem in München

Schon sehr früh haben wir durch die UnternehmerTUM eine ausgezeichnete Unterstützung erhalten. Angefangen vom ersten Beratungsgespräch, über das Bootcamp Xplore, den High-Tech Inkubator Xpreneurs bis hin zu unserem ersten Kapitalgeber, der Initiative for Industrial Innovators. Trotz unserer Nähe zur TU pflegen wir natürlich auch ein enges Netzwerk zur LMU und haben am dortigen Entrepreneurship Center Accelerator teilgenommen. In unseren Augen bietet München ein einzigartiges Ökosystem, von dem wir extrem profitiert haben und es immer noch tun.

Neben dem hervorragenden universitären und industriellen Netzwerk sind wir natürlich auch froh, einen Standort mit exzellenter Biergartendichte vorzufinden.

Munich Startup: Und eine wichtige Frage zum Schluss: Wie wird Euer Startup zum nächsten Unicorn? Oder sehen wir uns bald auf der Epic Fail Night?

Sewts: Ganz ehrlich: Das weiß niemand. Für den absoluten Durchbruch sind auch viele externe Faktoren entscheidend, die nicht immer in unseren Händen liegen. Aber trotzdem: An unserem Willen wird es nicht scheitern. Wenn ab 2022 vollautomatisiert T-Shirts und andere Kleidungsartikel hier in München durch unsere Technologie produziert werden, befinden wir uns sicherlich auf dem richtigen Weg.

Ferner des klassischen Bewertungsthemas ist es uns aber besonders wichtig, ein Unternehmen aufzubauen, welches einen echten Nutzen für die Gesellschaft und unsere Umwelt hat.

Danke für das Interview.

Regina Bruckschlögl

Nach eigenen Startup-Erfahrungen blickt sie als Redakteurin von Munich Startup nun aus einer anderen Perspektive auf die Münchner Startup-Szene – und entdeckt dabei jeden Tag, wie vielfältig das Münchner Ökosystem ist. Startup Stories, die erzählt werden wollen!

Ähnliche Artikel

Savrr

News

 

Savrr: Heute sparen, morgen kaufen

Kaufrausch auf Kredit war gestern. Das Münchner Startup Savrr motiviert mit seiner Bezahlmethode „Save Now, Pay Later“ zum verantwortungsvolleren Konsum. VerbraucherInnen legen…

Sewts

News

 

7 Millionen Euro für Sewts

Sewts sichert sich in einer Series-A-Finanzierungsrunde sieben Millionen Euro. Neben den Bestandsinvestoren Bayern Kapital, APEX Ventures und High-Tech Gründerfonds kann das Münchner…

Sewts Velum

News

 

Sewts feiert erfolgreichen Markteintritt

Arbeitskräftemangel war gestern – zumindest, wenn es nach dem Münchner Startup Sewts geht. Das Robotik-Unternehmen entwickelt Lösungen für schwer zu automatisierende manuelle…

Wavelab

Stories

 

Wavelab: „Wir sind auf der Suche nach den Spotifys und Netflixes von Morgen“

Mit dem Wavelab hat nun auch die Hochschule für Musik und Theater München (HMTM) ein eigenes Innovationslabor und Gründungszentrum. Wir haben bei…

Sewts

News

 

Millionen-Finanzierung für Robotik-Startup Sewts

Sewts entwickelt eine SaaS-Lösung für die automatisierte Verarbeitung von Textilien und Folien. Apex Ventures, Bayern Kapital und der HTGF investieren im Rahmen…

Gesundheit

Thema Gesundheitssystem

 

Startups und die Gesundheit von morgen

Es bewegt sich etwas in Deutschlands Gesundheitssystem. Kostendruck, neue Technologien und Geschäftsmodelle bringen bestehende Strukturen ins Wanken. Smartphones werden zu Medical Devices,…

materialrest24.de

News

 

„Gestern verstaubt – morgen verbaut“ – 7 Fragen an… materialrest24.de

Das Münchner Startup materialrest24.de hat einen echten Need im Handwerk erkannt und eine Online-Plattform für Ab- und Ankauf von Material-Restbeständen geschaffen. Wie…

Exaring AG

News

 

TV-Erlebnis von morgen — 7 Fragen an… Exaring!

Wie könnte „innovatives Fernsehen“ wohl aussehen? Darüber haben sich die Gründer der Exaring AG Gedanken gemacht und waipu.tv entwickelt. Was dahinter steckt…