Startups und die Gesundheit von morgen

Es bewegt sich etwas in Deutschlands Gesundheitssystem. Kostendruck, neue Technologien und Geschäftsmodelle bringen bestehende Strukturen ins Wanken. Smartphones werden zu Medical Devices, mit denen Nutzer sich intensiver mit ihrer Genesung befassen können: Patienten können sich aktiver in ihre Therapie einbringen. Neu entstehende Geschäftsmodelle ändern gleichzeitig die Machtverhältnisse zwischen Pharma-Riesen, Kassen und Patienten. Startups gestalten diesen Wandel wesentlich mit. — Der Beitrag erschien erstmals im Baystartup-Magazin Startupdate 03/2019.

In den nächsten Jahren könnte eine rapide Entwicklung in der Versorgung einsetzen. Versorgungswege werden effektiver und vernetzter, gleichzeitig übernehmen Patienten und Patientinnen immer mehr die Kontrolle über ihre eigene Gesundheit. Auch der Gesetzgeber fordert inzwischen aktiv digitale Lösungen: Bis 2021 soll die elektronische Gesundheitsakte kommen, und wir werden noch die Einführung des elektronischen Rezepts erleben. Dass vor knapp einem Jahr die digitale Fernbehandlung liberalisiert wurde, erleichtert neue Konzepte in der Telemedizin. Wichtige Eckpfeiler wie moderne Praxissoftware und eine elektronische Patientenakte müssen noch flächendeckend adaptiert werden.

Neue Wege, die Startups hier gehen und die wir in den letzten Jahren im Baystartup-Portfolio sehen, fokussieren sich dabei vor allem auf vier Themenbereiche:

1. E-Health

2. Prozessoptimierung

3. Diagnostik

4. Tools für Unternehmen aus Med- und Biotech

Startups entwickeln hier seit Jahren spannende Lösungen. Sie reichen von Therapieassistenten über Medikamentenentwicklung, Konzepten für eine bessere medizinische Versorgung oder Analyse-Dienste, die in unsere individuelle DNA schauen bis hin zu lebensverlängernden Therapien. Bisher sind sie mit ihren Ansätzen aber häufig an den Hürden gescheitert, mit denen gerade junge Unternehmen am Gesundheitsmarkt zu kämpfen haben: Kassen können ihre Angebote nicht verschreiben, der Zugriff auf ausreichend (Start-)Kapital ist nicht immer gegeben, Zertifizierungen und Dokumentationspflichten binden enorme personelle und finanzielle Ressourcen – und manchmal fehlt auch schlicht das Verständnis für Digitales und neue Technologien bei Playern und potentiellen Kunden im Markt.

Temedica team
Das Team von Temedica.

„Für uns war es vor allem zu Beginn, vor drei Jahren, eine große Herausforderung, gegen Bürokratie und Regulatorik zu bestehen. Vieles war damals noch gar nicht auf digitale Produkte oder Prozesse anwendbar. Wir mussten sehr viel Überzeugungsarbeit leisten und diejenigen im Gesundheitssystem finden, die bereit waren, einem jungen motivierten Team mit neuen Ideen Vertrauensvorschuss zu gewähren“,

sagt Gloria Seibert, Gründerin und Geschäftsführerin von Temedica.

„Ob Online-Sprechstunde oder automatisiertes Labor für schnellere, zuverlässigere Krebsdiagnosen: die Gesundheitsbranche beginnt zu erfassen, welche Möglichkeiten die Digitalisierung für den Patienten bringen kann“,

sagt Inveox-Geschäftsführerin Maria Sievert.

„Für uns ist das genau der richtige erste Schritt in Richtung optimierter und personalisierter Versorgung der Zukunft, zum Wohl des Patienten“.

Die Inveox-Gründer Maria und Dominik Sievert (Foto: Astrid Eckert / TU Muenchen)
Die Inveox-Gründer Maria und Dominik Sievert.

Alle Player – nicht nur Startups – müssen dabei im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit unbedingt vermeiden, dass ihre Innovationen nicht zu Insellösungen werden. Neben Interdisziplinarität sei laut Sievert daher auch Interoperabilität eine der großen Anforderungen an Neu- und Weiterentwicklungen. Viele digitale Lösungen von Startups sind mittlerweile so reif, dass sie auch die besonderen Voraussetzungen des Gesundheitswesens bedienen können.

Trendthema E-Health

Kurz zusammengefasst werden rein digitale Lösungsansätze von Startups häufig unter den Stichworten „Digital Health“ oder „E-Health“. Im Vordergrund stehen Anwendungen, die Behandlung und Betreuung von Patientinnen und Patienten unterstützen und dabei die Möglichkeiten nutzen, die moderne Informations- und Kommunikationstechnologien bieten. Die Kommunikation untereinander, aber auch die Unterstützung bei der Vorsorge, Diagnose und bei Therapien stehen im Fokus. Ein wichtiges Puzzlestück im Kontext Digital Health sind digitale Therapieassistenten, die verschiedene Bereiche und Akteure im Gesundheitswesen miteinander verknüpfen. Bei vielen von ihnen sind die Geschäftsmodelle ohne eine intelligente Nutzung von Big Data oder Künstlicher Intelligenz nicht möglich.

Neolexon aus dem Werk1 in München entwickelt mit Hilfe von digitalem Training via Tablet ein Therapiesystem, das Menschen mit Sprachstörung nach Hirnschädigung eine individuelle Therapie ermöglicht. Mit einer App für Therapeuten kann die Therapie organisiert, durchgeführt und angepasst werden. Eine App für Patienten ermöglicht das selbstständige Training zu Hause. Es wird vom behandelnden Sprachtherapeuten individuell für jeden Patienten angepasst – etwas, das bislang in der Praxis kaum möglich war, da meist nur ein begrenzter Wortschatz in Form von Fotokarten aus Papier zur Verfügung stand. Durch die Neolexon-Datenbank kann der Therapeut auf 7.800 Wörter und 1.200 Sätze und die dazu gehörigen Fotos zugreifen. So übt der Patient gezielt die Wörter, die er im Alltag benötigt und die für seine spezifische Sprachstörung passend sind.

8sense, ein Unternehmen aus dem Digitalen Gründerzentrum in Rosenheim, entwickelt eine Plattform virtueller Coaching-Systeme, die bei der Bekämpfung von Rückenleiden helfen. Die Lösung, bestehend aus einem Sensor zum Anstecken am Kragen und einer mobile App, will Menschen befähigen, ihre Haltung und die Bewegung ihres Rückens und damit die Ursachen ihrer Rückenleiden besser zu verstehen. Haptisches Feedback eines Sensors, visuelle Darstellung, kombiniert mit interaktiven Übungen, motivieren den Nutzer eine gesunde Rückenhaltung einzunehmen. Im Alltag gibt der 8sense-Clip direktes Feedback durch sanfte Vibrationsmuster bei einer zu langen starren Haltung und hilft dem Träger, seine Position zu ändern und somit dynamischer zu sitzen. Der Coach visualisiert das Alltagsverhalten und will Verhaltensänderungen anstoßen. Im Gegensatz zu anderen Apps lernt der Coach nicht nur aus dem subjektiven Feedback des Users. Er berücksichtigt zusätzlich die Trainings- und Alltagserfassung durch den 8sense-Clip, das Verhalten aller anderen Nutzer und lernt aus Eingaben von Experten für individualisierte Trainingspläne.

VisionHealth
Das Visionhealth-Team.

Visionhealth bietet digitale Therapieförderung für Patienten mit Atemwegserkrankungen. Unter der Marke Kata wird eine breite digitale Plattform für Betroffene geschaffen. Im ersten Schritt hat VisionHealth eine intelligente App für Patienten entwickelt, um allein mit dem Smartphone der Patienten die Effektivität von Inhalationen zu steigern: Kata eliminiert Fehler in der Handhabung von Inhalatoren durch automatisiertes Inhalationstraining und sofortiges Feedback an die Patienten. Mithilfe eines Algorithmus erkennt die App das Inhalationsmanöver, bewertet die Effektivität und kann etwaige Fehler korrigieren, ohne dass ein medizinischer Experte vor Ort oder per Ferndiagnose unterstützen muss. Dazu bedient sich VisionHealth Technologien wie Künstlicher Intelligenz, Augmented Reality, Machine Learning und Computer Vision.

Temedica entwickelt digitale Lösungen, die Patienten über ihren Heilungsprozess begleiten und unterstützen, zum Beispiel bei der Patientenversorgung im Therapie- und Präventionsbereich. Ärzte und Therapeuten können Therapieinhalte verordnen und anpassen sowie Fortschritte überprüfen.

„Das Besondere an Temedica ist, dass wir nicht nur einen digitalen Begleiter für eine spezifische Erkrankung anbieten“,

erklärt Geschäftsführerin Gloria Seibert.

„Vielmehr entwickeln wir auf Basis unserer bestehenden Produkte maßgeschneiderte digitale Lösungen für verschiedene medizinische Indikationen. Somit erreichen wir eine große Breite von Patienten mit vielen unterschiedlichen Erkrankungen.“

Machine Learning ermöglicht hier die langfristige medizinische Betreuung von Patienten. Dass der Bedarf für diese Konzepte da ist, zeigt sich auch dadurch, dass die Temedica-Produkte mittlerweile von vielen Krankenkassen erstattet werden, zum Teil ist das 2016 gegründete Unternehmen sogar direkt an die Systeme der Kassen angebunden.

Apps, die den Patienten mündiger machen

Dieser Prozess steht M-sense noch bevor. Das Startup zielt mit seiner App darauf ab, Patienten noch stärker in den Therapieverlauf mit einzubeziehen. M-sense hilft Menschen mit Migräne oder Spannungskopfschmerzen, die Anzahl ihrer Kopfschmerztage und des Medikamentengebrauchs zu reduzieren – um 30 bis 50 Prozent. Die App M-sense ermöglicht es ihnen, ihre individuellen Auslöser zu analysieren und aktiv etwas gegen ihre Schmerzen zu unternehmen. M-sense war die erste Migräne- und Kopfschmerz-App, die in Deutschland als Medizinprodukt zertifiziert wurde, und ist bis heute das einzige Angebot, das neben Dokumentationsmöglichkeiten auch mehrere wirksame Therapiemethoden bereitstellt. Patienten können aus der App heraus einen Arztreport mit dem betreuenden Arzt teilen und durch den Medikamententracker eine angemessene Einnahme an Medikamenten erreichen.

„Dadurch machen wir jeden Arztbesuch effizienter und unterstützen durch eine grafisch aufbereitete Auswertung Behandlung sowie Diagnose“,

sagt Geschäftsführer Florian Koerber. Über 220.000 Downloads sprechen für das Konzept. Nächstes Jahr wird aller Voraussicht nach das Digitale Versorgung-Gesetz in Kraft treten und die ärztliche Verschreibung von Angeboten wie dem von M-sense ermöglichen. Damit ist das Angebot dann nicht nur auf dem Gesundheitsmarkt zugelassen und erhältlich, sondern wird auch von den Krankenkassen erstattet.

Prozessoptimierung für Gesundheitswesen und Industrie

Durch die Digitalisierung nimmt das Thema Prozessoptimierung immer mehr Raum ein. Das umfasst sowohl Verwaltungsprozesse im Gesundheitswesen, aber auch die Effizienzsteigerung von Abläufen zum Beispiel in Laboren im Zusammenspiel mit betreuenden ärztlichen Einrichtungen. Labore wollen Proben effizienter analysieren und mit einer genaueren Datenbasis ihre Analyseergebnisse an Ärzte und Krankenhäuser zurückspielen. Für diesen Bereich hat das Startup Inveox eine Lösung entwickelt. Die Vision des Unternehmens: eine zuverlässige und schnellere Krebsdiagnose durch ein vollautomatisiertes, vernetztes Labor von der Vorbereitung des entnommenen Gewebes bis hin zur Analyse des Gewebeschnitts auf dem Objektträger. Der Ansatz verbindet eine Web-Plattform, intelligente Probenbehälter und einen Automaten, der mehrere Proben gleichzeitig verarbeiten kann und bisher manuelle und fehlerbehaftete Schritte im Labor ersetzt, speziell am Proben­eingang. Arzt und Pathologe werden strukturiert und in Echtzeit automatisch über den aktuellen Stand der Probe informiert – vom Versand bis hin zur Diagnose.

climedo gründer
Climedo

Climedo bietet einen digitalen Assistenten, um Ärzte bei der sicheren und effizienten Durchführung von personalisierten Krebstherapien zu unterstützen. Während über 50 Prozent aller klinischen Studien aktuell noch auf Papier durchgeführt werden, ermöglicht das Startup Fachleuten im Gesundheitswesen, über seine Plattform klinische Studien schneller durchzuführen und die Qualität und Zusammenarbeit von Ärzten, Patienten und Industriepartnern zu verbessern.

IT-Labs entwickelt die erste intelligente Versorgungsmanagementplattform für chronisch Kranke, die Mitarbeiter im Homecare- und Hilfsmittelmarkt über Smartphone, Tablet und PC unterstützt. Die Software erlaubt als Erste eine wirklich evidenzbasierte Ermittlung des Bedarfs an Produkten für den einzelnen Patienten. Anamnesedaten schränken die Auswahl an Produkten soweit ein, dass vom Benutzer der Software keine subjektive Entscheidung mehr nötig ist. Das stellt eine optimale Versorgung des Patienten mit Produkten auf Basis wissenschaftlicher Standards sicher.

Ganzheitliche Ansätze

Wie die Grenzen von Prozessoptimierung, Digital Health und klassischer Medizintechnik verschwimmen, zeigt sich deutlich am Beispiel von Mecuris. Das Münchner Medizintechnik-Startup entwickelt eine Online-Plattform, auf der Orthopädietechniker ohne CAD-Design-Kenntnisse patientenspezifische und CE-konforme Orthesen und Prothesen gestalten können. Gemeinsam mit dem Patienten können sie Wünsche bei Design, Farbe und Struktur verwirklichen. Kundenzufriedenheit und Akzeptanz der Versorgung steigen erheblich, Orthopädietechniker sparen Zeit und Kosten. Digitalisierung und 3D-Druck ermöglichen hier nicht nur ein Mehr an Individualisierung, sondern auch eine bessere Vernetzung zwischen Orthopädietechnikern und Hilfsmittelproduzenten. Die gesamte Prozesskette wird von Anfang an digitalisiert, damit entstehen dann auch neue Geschäftsmodelle.

Mecuris
Das Team von Mecuris.

„All das zusammengenommen führt dazu, dass der Druck auf die Branche steigt und die Orthopädietechnik am Rande des digitalen Wandels steht“,

sagt Wolf-Peter Werner, CFO bei Mecuris.

„Die Möglichkeiten, die uns Technologien wie industrieller 3D-Druck in der Gesundheitsbranche bieten, werden sich dabei rapide entwickeln, idealerweise hin zu mehr Lebensqualität und Lebensfreude für den Anwender.“

Early-Adopter dieser Möglichkeiten könnten sich laut Werner damit einen wertvollen Vorsprung verschaffen. Die Lösungen von morgen machen Diagnosen genauer, schneller und effizienter

„Gerade deutsche Startups im Bereich Life Sciences zeichnen sich oft durch eine sehr wissenschaftlich fundierte Basis aus“,

sagt Christian Leikert, Partner bei Creathor Ventures und zuständig für Healthcare-Investments.

„Das gilt für alle Bereiche, die gegenwärtig im Fokus von Investoren sind: Gentherapie, Immunologische Ansätze und viele andere mehr.“

Die Forschungslandschaft in Deutschland sei dabei auch im internationalen Vergleich sehr gut aufgestellt, meint Andreas Huber von Bayern Kapital.

„Verbesserungspotenzial gibt es dagegen noch bei der Umsetzung von Invention zur Innovation, wobei aber in den letzten Jahren hierzulande vermehrt Initiativen aller Art gestartet sind.“

Digitale Komponenten können zum Beispiel bei der Diagnostik, im Therapiebereich oder bei der Medikamentenentwicklung Anwendung finden. Hinter vielen dieser Ansätze steht das Ziel, personalisierte Lösungen für die Patienten zu entwickeln, anstatt wie bislang einen One-size-fits-all-Ansatz zu verfolgen.

So geht Plasmion als junges Unternehmen weit über einen reinen digitalen Ansatz hinaus. Das Startup bietet mit seiner patentierten SICRIT-Technologie eine Erweiterung für Laborgeräte an. Sie verwandelt die Geräte in eine „elektronische Nase“. Labore können damit Proben erstmals durch Davorhalten direkt messen und andere Analysegeräte frei kombinieren. Die Technik des Startups ermöglicht erstmals den vollständig automatisierten Einsatz solcher Laborgeräte als „Geruchssensoren“ nicht nur in der medizinischen Diagnostik, sondern auch in der industriellen Prozesskontrolle oder der Sicherheitsindustrie (z. B. Sprengstoffe).

Wellabe (ehem. Bodylabs) hat ein mobiles Labor entwickelt, um Diagnostik zu den Menschen an ihren Arbeitsplatz zu bringen. In weniger als 20 Minuten werden über 60 Gesundheitswerte gemessen und in der Wellabe-App ausgewertet. Mitarbeiter können in einem anschließendem Gespräch via Video-Konsultation mit einem Arzt ihren Gesundheitszustand besprechen.

„Auf Basis dieser handfesten medizinischen Werte erhalten Nutzer nicht nur verständliche Erklärungen der Messwerte in der App, sondern auch personalisierte Präventionsprogramme“,

erklärt Geschäftsführer Michael Theodossiou von Wellabe.

Numares aus Regensburg entwickelt in-vitro-diagnostische Testsysteme für die klinische Diagnostik. Damit kann zum Beispiel eine Vielzahl von Stoffwechselprodukten in Blut und Urin mittels einer Messung in kürzester Zeit identifiziert und quantifiziert werden. Dieses simultane Abbild des Stoffwechsels erlaubt unter anderem die Vorhersage sich entwickelnder Krankheiten wie Atherosklerose, es ist aber auch in der pharmazeutischen Entwicklung von großer Bedeutung. Da die Methode sehr schnell ist, können erstmals große Teile der Bevölkerung schnell und günstig untersucht werden. 2004 unter dem Namen Lipofit Analytic als Spin-off der Universität Regensburg gegründet, brachte dem Unternehmen 2013 der Großauftrag einer US-Laborkette den wirtschaftlichen Durchbruch. Weitere Indikationsgebiete werden erschlossen, zum Beispiel Onkologie oder Transplantation.

Ithera Medical, eine 2010 gestartete Ausgründung des Helmholtz Zentrums München (HMGU), hat eine innovative bildgebende Technologie zur Diagnostik entwickelt. Sie wandelt Laserimpulse zu akustischen Signalen um, und diese zu dreidimensionalen Bildern. Neben der anatomischen Bildgebung liefert das Verfahren zudem funktionale sowie molekulare Informationen in Echtzeit. So lassen sich unter anderem Tumore und entzündliche Erkrankungen einfach, präzise und ohne invasive Eingriffe erkennen.

Nanotemper Technologies erforscht, entwickelt und produziert biophysikalische Labormessgeräte für die Grundlagenforschung und Wirkstoffentwicklung. Das Produktportfolio verfügt dabei über ein technologisches Alleinstellungsmerkmal: Es ermöglicht eine signifikante Zeitersparnis bei der Bestimmung biomolekularer Eigenschaften in Forschung und Entwicklung. So wird die durchschnittliche Testdauer von 144 Stunden auf nur 1,5 Stunden reduziert. Darüber hinaus wird um den Faktor 40 weniger Material für die Tests benötigt. Pharma-Konzerne können mithilfe der Nanotemper-Technologie in einer frühen Phase etwa drei Monate Entwicklungszeit einsparen.

Dynamic Biosensors, Finalist im Münchener Businessplan Wettbewerb 2010, ist im Bereich der Proteinanalytik unterwegs. Sein patentierte Analysesystem dient dazu, Medikamente auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Es erlaubt z.B. Wirkstoffkandidaten für die Pharmaforschung zu entwickeln. Arzneimittelhersteller können schnell, gezielt und effizient medizinisch-pharmazeutische Wirkstoffe herstellen, Pharmaforscher finden heraus, ob ein neues Arzneimittel sein Ziel im Körper finden wird und Krankheiten effizient bekämpfen kann.

Tools für die BioTech- und Pharma-Branche

Am Beispiel von Dynamic Biosensors zeigt sich, dass bei Medizin und Gesundheit von morgen inhaltliche Grenzen zunehmend verschwimmen. Das 2012 gegründete Technologieunternehmen hat das Potenzial, mit seinem Ansatz eine neue medizinische Diagnostik zu ermöglichen. Gleichzeitig gibt es der Branche ein wichtiges Werkzeug an die Hand, um Innovationen im Medikamenten- und Wirkstoffbereich überhaupt voranzutreiben. Genau das ist ein Bereich, in dem sich in den letzten Jahren weitere Teams aus dem Baystartup Netzwerk haben etablieren können.

Bicoll bietet präklinische Dienst- und Forschungsleistungen im Bereich Wirkstoffentwicklung aus Naturstoffen und im Bereich Medizinalchemie an. Das biopharmazeutische Unternehmen mit Sitz in Martinsried hat sich auf die Entdeckung neuer Wirkstoffe in Pflanzen spezialisiert, die durch eine starke medizinische Chemie gestützt werden. Bicoll konzentriert sich dabei auf die Bereitstellung von Lösungen für Pharmazeutika, Kosmetika, Nutrazeutika (zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel) und die Landwirtschaft.

Erfolgreich am Markt etabliert hat sich auch das 2008 gegründete Life Science-Unternehmen Chromotek, das Produkte für die biomedizinische und pharmazeutische Forschung entwickelt. Chromotek ist dabei als Zulieferer innovativer Technologien für die forschende Industrie an einer frühen Stufe der pharmazeutischen Wertschöpfungskette tätig.

„Wir statten Wissenschaftler auf der ganzen Welt mit innovativen Antikörper-Werkzeugen aus, um ihre Forschung für den nächsten Durchbruch zu beschleunigen. Sprichwörtlich geben wir den Forschern bessere Schaufeln an die Hand, um schneller Gold zu schürfen“,

erklärt Chromotek-Geschäftsführerin Marion Jung.

„Unsere auf bestimmte Anwendungen zugeschnittenen Technologien profitieren von besonderen Eigenschaften von Alpaka-Nano-Antikörpern.“

Das Immunsystem von Alpakas und anderer kamelartiger Tiere stellt neben klassischen Antikörpern auch sogenannte Nanobodies her. Sie sind besonders klein, einfach aufgebaut und sehr stabil.

„Ein solcher Nano-Antikörper ist wie ein Multi-Tool, das an andere Proteine, Nukleinsäuren oder chemische Moleküle und Farbstoffe angekoppelt werden kann. Im Labor können wir sie gezielt genetisch anpassen oder mit besonderen Eigenschaften ausstatten.“

Neben Anwendungen für die Forschung bieten Nanobodies erhebliches Potenzial in der medizinischen Diagnostik und Therapie. Besonders für innovative Therapieformen in der Immunonkologie bringen sie Vorteile.

Finanzierungschancen für Startups

In den vergangenen Jahren hat sich laut Andreas Huber, Investment Manager bei Bayern Kapital, die Finanzierungssituation für Startups allgemein verbessert.

„VC-seitig ist heute mehr Geld im Markt als noch vor ein paar Jahren. Man sieht größere Runden vor allem auf internationaler Ebene.“

Die großen Pharmakonzerne würden Innovationen oft nur zukaufen und sich auf späte klinische Phasen der Entwicklung und Vertrieb konzentrieren.

„Damit ergibt sich eine große Chance für Startups.“

„Momentan befindet sich viel Kapital in der Venture-Szene, attraktive Anlagemöglichkeiten sind begehrt“,

erklärt auch Peter Graf von der BayBG. Neben VCs seien auch Corporates und CVCs in diesem Segment immer stärker unterwegs.

„Auch die großen Medizintechnik- und Pharma-Unternehmen engagieren sich regelmäßig bei Startups. Gleichzeitig sehen wir auch immer mehr Investoren, die keinen spezifischen Branchenhintergrund im Gesundheitswesen, Life Science oder Medizintechnik haben“,

so Graf. Als besonders aussichtsreich für Startups und Investments schätzen Experten aus dem Baystarteup Investoren-Netzwerk die Digitalisierung von Healthcare und Life Sciences ein – hier vor allem die Anwendung künstlicher Intelligenz.

„Bei Creathor legen wir derzeit ein besonderes Augenmerk auf Lösungen, die digitale Komponenten enthalten, auch wenn es bislang noch nicht einfach ist, bewährte Geschäftsmodelle anzuwenden, da der Bereich erst in der Frühphase steckt“,

sagt Christian Leikert. Da die Kapitalmärkte von den großen Unternehmen im Gesundheitssektor digitale Strategien erwarten, gibt es hier viele Exit-Chancen. Da in Deutschland der Gesundheitsmarkt sehr stark von den Krankenkassen beeinflusst wird, haben hierzulande vor allem die Lösungen Chancen auf Kapital, die neben den Interessen von Patienten und Konsumenten auch auf die Interessen der Krankenkassen abzielen.

„Wenn ein Unternehmen es zum Beispiel schafft, den Austausch von Informationen zwischen Ärzten, Patienten, Krankenkassen, Laboren usw. zu vereinfachen, sparen Krankenkassen zum einen Kosten ein und Patienten werden zum anderen besser behandelt“,

erklärt Privatinvestor Stephan Huber.

Die Entwicklung zwischen Deutschland bzw. Europa und den USA gehe derweil im Bereich Finanzierung weiter auseinander, beobachtet Christian Leikert, Partner bei Creathor Ventures und zuständig für Healthcare-Investments:

„Es ist hierzulande nicht nur deutlich weniger Risikokapital zur Finanzierung junger Unternehmen im Gesundheitsbereich vorhanden, deutsche Firmen treten auch eher selten als Käufer für lokale Startups auf.“

Junge europäische Unternehmen müssen sich typischerweise bereits ab der Series-B-Finanzierungsrunde im Ausland, insbesondere in den USA und Asien, nach Wachstumskapital umschauen. In den USA gibt es wesentlich größere Fonds und – auch nicht zu unterschätzen – einen zusätzlichen Exit-Kanal, die NASDAQ.

Luft nach oben

Durch optimale Verknüpfung von Medizin und IT können Patienten künftig auch von besseren Diagnosen und personalisierten Behandlungen bzw. Therapien profitieren. Zwei Themen stehen hier im Rampenlicht: Big Data und Künstliche Intelligenz – also einerseits die Erfassung und Visualisierung, andererseits die Nutzung von Daten. Startups sind dran an Konzepten und Geschäftsmodellen für eine personalisierte Medizin, die diese Schlüsseltechnologien einsetzen – auch wenn wir aktuell noch nicht allzu viele Beispiele sehen, die sich in diesem Bereich wirklich schon am Markt etabliert haben. Die Anforderungen bei der Erstattung von Leistungen steigen. Auch auf regulatorischer Seite erschweren Herausforderungen den Weg gerade von jungen Unternehmen in den Markt. Die Erwartungshaltung von Investoren wie Kunden, ein Mehr an Gesundheit zu schaffen bei geringeren Kosten heißt für Gründer: sie müssen möglichst schnell publizierte Evidenz zu Wirksamkeit und Kosteneffektivität schaffen, um für Ärzte, Patienten und Krankenkassen erster Ansprechpartner zu sein und zu bleiben.