© Andreas Gücklhorn / Unsplash

700 Milliarden Euro pro Jahr: Investitionslücke gefährdet Climatetech

Einer aktuellen Studie zufolge soll die Climatetech-Industrie bis 2030 ein Umsatzvolumen von 600 Milliarden Euro erreichen. Europa läuft dabei allerdings Gefahr, hinter die USA und China zurückzufallen, denn eine Investitionslücke von 700 Milliarden Euro pro Jahr gefährdet das Wachstum der Branche.

Will Europa die angestrebte Energieautonomie und das Ziel, seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren, erreichen, benötigt der Kontinent eine wettbewerbsfähige Climatetech-Industrie. Signifikante Investitionen in den Sektor sind dabei unerlässlich. Einer aktuellen Studie von UnternehmerTUM, UVC Partners, Allianz Economic Research und Allianz X zufolge ist die derzeitige Investitionslandschaft jedoch unzureichend. So müssten in der EU zwischen 2021 und 2030 jährlich rund 1,5 Billionen Euro in Climatetech investiert werden. Gemessen an den faktischen Investitionen der vergangenen Jahre bedeutet dies eine Investitionslücke von 700 Milliarden Euro pro Jahr. Davon müssten der Studie zufolge 560 Milliarden Euro aus dem privaten Sektor kommen und 140 Milliarden Euro aus dem öffentlichen Sektor.

Europäische Pläne für Climatetech nehmen erst Gestalt an

Der beispielhafte Blick auf den Energiebereich verdeutlicht die Situation. So belaufen sich derzeit die jährlichen Investitionen in saubere Energie in der EU auf etwa 400 Milliarden Euro, was eine öffentliche Investitionslücke von etwa 40 Milliarden Euro pro Jahr hinterlässt, so die Studie. Weitere 160 Milliarden Euro werden zudem aus dem Privatsektor benötigt. Was die öffentliche Hand betrifft, entstehen neben dem EU-Haushalt, der über 578 Milliarden Euro für die grüne Transformation bereitstellt, auch nationale Initiativen. Dazu zählen etwa der deutsche Klima- und Transformationsfonds in Höhe von 212 Milliarden Euro. Frankreich wiederum plant eine jährliche Steuergutschrift in Höhe von 500 Millionen Euro zur Förderung von Wind- und Solarenergie, Wärmepumpen und Batterien. Und auch die Benelux-Staaten und die nordischen Länder führen eine ehrgeizige klimabezogene Industriepolitik ein.

Dabei fallen die europäischen Staaten jedoch bereits ins Hintertreffen gegenüber den USA und China. Dies zeigt nicht zuletzt auch die Entscheidung des Münchner Kernfusions-Startups Marvel Fusion, seine Laserfusionsfabrik in den USA zu errichten. Lucio Milanese, Mitbegründer von Proxima Fusion, einem weiteren Münchner Kernfusions-Startup, erklärt in der Studie:

„Wenn die EU nicht die gleiche Form der Unterstützung wie die USA und China bietet, werden sich die Fusionsenergieindustrie und andere Bereiche wie etwa die Batterieentwicklung und -produktion in der EU wahrscheinlich nicht gut entwickeln und kaum überleben.“

Innovation entscheidend für Klimaziele

Zudem betont die Studie die wichtige Rolle, die Innovation bei der Erreichung der Klimaziele einnimmt. Denn die Weiterentwicklung bestehender Technologien soll nur etwa 25 Prozent der erforderlichen CO2-Emissionsreduzierungen bewirken. Die verbleibenden rund 75 Prozent der Emissionsreduzierungen müssen von neuen Technologien kommen. Um dies zu erreichen, werden zwischen 2020 und 2040 durchschnittlich 3,3 Billionen US-Dollar an jährlichen Investitionen in innovative Technologien benötigt.

Venture Capital (VC) und Private Equity (PE) unterstützen diese Entwicklung mit ihren Investitionen in Climatetech- und Cleantech-Unternehmen. Und diese nehmen deutlich zu, so die Studie. Lagen sie im Jahr 2019 global noch bei 40,8 Milliarden Euro (43,3 Milliarden Dollar) stiegen sie bis 2022 auf 91,8 Milliarden Euro (97,3 Milliarden Dollar). Europäische Unternehmen sicherten sich 2022 30 Prozent dieser Mittel.

Die Studie mahnt allerdings an, dass auf politischer Ebene Anpassungen eingeleitet werden müssten. So sollen eine verschlankte Finanzierung, der Aufbau einer gemeinsamen EU-Plattform für den Zugang zu Finanzmitteln, die Unterstützung langfristiger Finanzierungen durch Mischfinanzierungen und die Vergabe öffentlicher Aufträge an Climatetech-Lösungen die Situation für Climatetech- und Cleantech-Unternehmen in Europa verbessern. Arthur Singer, Mitbegründer des Münchner Climatetech-Startups Stabl, das in dem Report als Fallstudie vorgestellt wird, sagt:

„Wenn Unternehmen einen Börsengang machen wollen, werden sie einen machen. Ungünstige Marktbedingungen in Europa werden zu Börsengängen im Ausland führen.“

Die Studie mit dem Titel „Climate Technology: The missing piece in the net zero puzzle“ kann hier heruntergeladen werden.