In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München setzte Wow Urbane Utopien im Sommer 2023 ein Projekt in der Maxvorstadt um. Vorbild war Idee der Superblocks aus Barcelona. Mit dabei waren auch 14 Bäume der Wanderbaumallee.
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Wow Urbane Utopien: Städtische Lebensräume aufwerten und Grau zu Grün transformieren

Vielen MünchnerInnen dürfte der „Schanigarten“ inzwischen ein Begriff sein: die meistens auf Parkplätzen errichteten, temporären Außenbereiche von Gaststätten erfreuen sich schließlich großer Beliebtheit im Sommer. Mit dem Parklet haben sie eine Art öffentliches Pendant. Auch hier werden Parkplätze mit Hilfe von Aufbauten umgewidmet, meist in Sitzflächen mit zusätzlichen Angeboten wie Urban Gardening Möglichkeiten oder Tauschschränken. Aber auch Fahrradstationen werden gerne integriert. Das Münchner Startup Wow Urbane Utopien steckt hinter mehreren dieser Parklets in der Landeshauptstadt und anderswo. Wir haben mit den GründerInnen gesprochen.

Munich Startup: Was macht Euer Wow Urbane Utopien? Welches Problem löst Ihr?

Wow Urbane Utopien: Urbane öffentliche Räume sind begrenzt und werden von verschiedenen Interessengruppen individuell genutzt und beansprucht. Insbesondere in einer Zeit des Wandels ist eine bedarfsgerechte Anpassung unserer Städte für eine lebenswerte Zukunft unumgänglich. Innenstädte stehen vor strukturellen Herausforderungen wie dem zunehmenden Leerstand und dem Aussterben der Fußgängerzone. Urbane Mobilität ändert sich stärker als je zuvor und erste Folgen des Klimawandels werden spürbar. Unsere öffentlichen Räume sollten den Wandel als Chance für Veränderungen nutzen.

Unser Startup konzentriert sich auf nachhaltige Stadtentwicklung und setzt auf taktischen Urbanismus, um lebenswerte Räume zu schaffen und anderweitige Nutzungen aufzuzeigen. Unser Ziel ist es, den Stadtraum erlebbar zu machen und dabei von Grau zu Grün zu transformieren. Dabei bieten wir unter anderem Alternativen zur herkömmlichen Parkraumnutzung, indem wir öffentlichen Raum reaktivieren und für Menschen nutzbar machen. Insgesamt geht es darum, unterschiedlichste städtische Lebensräume aufzuwerten und innovative Lösungen für ein nachhaltiges Zusammenleben zu bieten. Dabei reicht unser Angebot von Beratung und Informationen über individuelle Lösungen für kleine sowie große urbane Transformationsprojekte.

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Benjamin Domnick und Elisa Maschmeier haben Wow Urbane Utopien zusammen mit Simon Emmer ins Leben gerufen. © Wow Urbane Utopien

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Wow Urbane Utopien: Unser Angebot ist so bisher nicht auffindbar und sticht durch ein einzigartiges Design und projektbezogene und individuelle Komplettlösungen heraus. Obwohl es bereits ähnliche Angebote in anderen Städten gibt, sind wir die ersten, die diese hohe Nachfrage in München und im weiteren Umkreis individuell erfüllen. Bereits letztes Jahr mussten wir selektiv Projekte vorziehen und andere aufgrund von zu geringen Kapazitäten absagen.

Wow Urbane Utopien: Vom privaten Projekt zum Startup

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?

Wow Urbane Utopien: Während des Covid-Lockdowns im Jahr 2020 begannen wir, ohne Genehmigung Möbel auf einem Platz aufzustellen, um eine ungenutzte Fläche in einen offenen Treffpunkt für die Nachbarschaft zu verwandeln. Im Jahr 2021 erhielten wir die Möglichkeit, im Rahmen eines Pilotprojektes der Stadt und mit finanzieller Unterstützung das erste Parklet professionell zu bauen. Durch die positive Resonanz erhielt das Projekt viel Aufsehen, was zu den ersten Anfragen aus anderen Städten führte. Angesichts der anhaltenden Nachfrage entstand die Idee, Stadtmöblierung professionell zu gestalten und unseren Beratungsservice Städten, Kommunen und anderen Interessierten anzubieten.

Nach Pop-up Werkstätten in diversen temporären Zwischennutzungen über ganz München verteilt, konnten wir 2023 endlich unsere erste eigene Werkstatt eröffnen und bieten seither professionelle, individuelle Lösungen für unsere KundInnen an. Als wir bei der Gestaltung des ersten professionellen Parklets einen Parkplatz in Standardgröße (12qm) auf den Werkstattboden malten, wurde uns bewusst, welch großen Raum ein Auto im öffentlichen Raum beansprucht.

Munich Startup: Veränderungen im öffentlichen Raum sind teils hart umkämpft, wie etwa in der Kolumbusstraße im vergangenen Jahr. Wie gewinnt Ihr die Menschen für Eure Projekte?

Wow Urbane Utopien: Wir gewinnen Menschen nicht nur für, sondern vor allem mit unseren Projekten, indem wir auf partizipative Planung und gemeinsames Aufbauen setzen. Durch Aufbauworkshops und interaktive Möglichkeiten beteiligen wir die Menschen direkt an unseren Projekten. Interessanterweise haben frühere KritikerInnen heute oft eine unterstützende Haltung zu unseren Projekten entwickelt. Die Akzeptanz steigt erheblich, wenn Menschen erkennen, welchen Mehrwert der entstandene Ort mit Aufenthaltsqualität für sie bietet. In unseren Parklets integrieren wir vielfältige Angebote, die verschiedene Interessen ansprechen. Dazu gehören Tauschschränke, Schwarze Bretter, Fahrradstationen und Hochbeete, die dazu beitragen, eine breite Palette von Bedürfnissen an das Stadtviertel erfüllen. Menschen fühlen sich versorgt und vernetzt.

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Ein Schwarzes Brett ziert den Rainer-Werner-Fassbinder-Platz nahe der Donnersbergerbrücke.
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„Wir hoffen auf vereinfachte und beschleunigte stadtinterne Abläufe“

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Wow Urbane Utopien: In einem Jahr streben wir an, Projekte zu entwickeln, die wir bereits über die kalte Saison vorbereiten und bauen können. Wir hoffen auf vereinfachte und beschleunigte stadtinterne Abläufe, die es ermöglichen, mehr Projekte in verschiedenen Vierteln umzusetzen. Die Stadt selbst sollte ein größeres Interesse haben, Transformationsprozesse zu fördern und zu erleichtern. Als beratendes und ausführendes Unternehmen möchten wir diese Prozesse begleiten und die Gestaltung von Angeboten im öffentlichen Raum maßgeblich beeinflussen. Ein weiteres Ziel ist es, dass Parklets im Winter stehen bleiben dürfen, um ihre Nutzung auch in der kalten Jahreszeit zu ermöglichen und weitere Angebote und Bauweisen zu integrieren.

In fünf Jahren streben wir danach, dauerhaft von Städten und anderen KundInnen beauftragt zu sein. Unser Ziel ist es, eine frühe Vorplanung zu ermöglichen, um Projekte im Frühjahr mit den ersten Sonnenstrahlen aufstellen zu dürfen. Wir wollen Kooperationen mit Sharing-Mobility-DienstleisterInnen und weiteren PartnerInnen eingehen, um Mobility Hubs zu schaffen und die innerstädtische Mobilität zu revolutionieren. Zudem möchten wir unsere beratenden Dienstleistungen in zukunftsorientierten Stadtentwicklungsthemen für Städte und Gemeinden in ganz Europa ausweiten und den Namen Wow etablieren.

„Straßenraumexperimente nehmen zu und schaffen Reallabore in der Stadt“

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?

Wow Urbane Utopien: In München haben wir den Startup-Standort als herausfordernd, aber mit Potenzial erlebt. Der Wille zur Förderung von Innovation „Made in Bavaria” ist vorhanden, doch einige behördliche Prozesse erscheinen umständlich, ineffizient und nicht zielführend. Die Stadt sollte sich mehr trauen und jungen UnternehmerInnen keine zusätzlichen Steine in den Weg legen. Das Finden eines bezahlbaren Büros oder einer Werkstatt war beispielsweise ein langer Weg, bei dem uns schlussendlich nur etwas Glück in die Karten gespielt hat. Straßenraumexperimente nehmen zu und schaffen Reallabore in der Stadt. Die breite Bevölkerung wird auf diese Weise immer häufiger für das Thema der Straßenraumumnutzung sensibilisiert, gleichzeitig werden die Projekte aber von einem starren deutschen bürokratischen Regelwerk erschwert.

Ein absurdes Beispiel war unter anderem eine Auflage, die uns vorgab für ein städtisches Projekt 33 Straßenschilder an den aufgestellten Parklets zu installieren, selbstverständlich auf eigene Kosten. Im Vergleich dazu nehmen andere Städte wie Helsinki JungunternehmerInnen und Startup-Förderungen ernster, bieten Raum zum Ausprobieren, Vernetzen und Wachsen und vereinfachen den Einstieg in die Selbstständigkeit.

Munich Startup: Öffis oder Fahrrad?

Wow Urbane Utopien: Die Entscheidung zwischen öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Fahrrad fällt schwer, doch die richtige Kombination macht erst richtig flexibel. Micromobility durch Sharing-Dienste oder mit dem eigenen Fahrrad, in Verbindung mit einem funktionierenden öffentlichen Nahverkehr und Schienennetz, stellt die schnellste, günstigste und nachhaltigste Art der Mobilität dar. Je nach Bedarf nutzen wir verschiedene Fortbewegungsmittel wie LKW, Lastenrad, Rennrad oder Expressbus, was eine multimodale Fortbewegungsweise in der Stadt ermöglicht.

Müssen wir uns aber wirklich entscheiden, bevorzugen wir persönlich am Ende gerade in München doch das Fahrrad, da es die Gesundheit fördert, fit hält, Spaß macht und immer den direkten und meist schnellsten Weg ermöglicht. Außerdem hat man dabei nicht mit Verbindungsproblemen und Zugausfällen zu kämpfen.