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Deutscher Biotechnologie-Report 2019: Weniger Neugründungen als im Vorjahr

Deutscher Biotechnologie-Report 2019: Die Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland wachsen weiter. Aber: Die bekannten Probleme, allen voran das Fehlen eines funktionierenden Risikokapital-Ökosystems, bestehen weiter.

Der Umsatz der Branche stieg im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr um neun Prozent auf 4,36 Milliarden Euro. Gleichzeitig kletterte die Zahl der Beschäftigten um fünf Prozent auf 27.445. Die Indikatoren für Dynamik und Innovation — die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie die Neugründungen — blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück: Die F&E-Ausgaben stiegen nach Jahren des Rückgangs immerhin um vier Prozent auf 1,23 Milliarden Euro. Die Zahl der Neugründungen sank dagegen erneut. Nach 27 Neugründungen im Jahr 2017 gingen im vergangenen Jahr nur noch 15 Jungunternehmen an den Start.

Zu wenig Kapital für kostenintensive Therapeutika-Entwicklungen

Besonders alarmierend an den Neugründungszahlen: Der Anteil der Therapeutika-Entwickler ist deutlich zurückgegangen — von 60 Prozent im Vorjahr auf nur noch 20 Prozent im Jahr 2018. Das ist ein Indiz dafür, dass Biotech-Unternehmen in Deutschland Schwierigkeiten haben, Kapital zu erhalten, denn gerade die Therapeutika-Entwicklung ist sehr kostenintensiv.

Das sind Ergebnisse des Deutschen Biotechnologie-Reports 2019 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY in Kooperation mit dem Branchenverband BIO Deutschland.

Finanzierung auf Rekordniveau — aber nur wenige Transaktionen

Nur in scheinbarem Gegensatz zu der verhaltenen Entwicklung bei den Neugründungen steht die explosionsartige Entwicklung des Venture Capitals für Biotech-Unternehmen: Die Investitionen stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 92 Prozent auf 385 Millionen Euro. Die Kapitalerhöhungen kletterten sogar um 153 Prozent auf 859 Millionen Euro, sodass unterm Strich eine Verdoppelung der Finanzierung für Biotechs in Deutschland auf 1,24 Milliarden Euro steht — ein Rekord.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass nur einige wenige Transaktionen für den Anstieg verantwortlich waren. Da wäre beispielsweise die Rekordfinanzierung von BioNTech über 228,8 Millionen Euro — die größte Finanzierung eines Biotech-Unternehmens in Deutschland überhaupt. Ohne diese Finanzierung wären die Venture-Capital-Investitionen im vergangenen Jahr um 22 Prozent auf 157 Millionen Euro zurückgegangen.

Deutscher Biotechnologie-Report: „Finanzierung in der Breite steht auf wackligen Füßen“

Der Studienautor und Leiter des deutschen Life Science Centers von EY, Dr. Siegfried Bialojan, kommentiert die Zahlen:

„Die Umsätze und Mitarbeiterzahlen der Biotechnologie-Branche in Deutschland wachsen weiter. Auch bei der Finanzierung scheint alles in Ordnung zu sein — immerhin konnten die deutschen Biotechs so viel Kapital anziehen wie noch nie. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Finanzierung in der Breite auf wackligen Füßen steht. Einige wenige Unternehmen haben im vergangenen Jahr einen Großteil der Finanzierungssumme auf sich vereint. Gerade die teure Therapeutika-Entwicklung hat es damit hierzulande schwer. Das Grundproblem bleibt also bestehen: Es fehlt ein Kapital-Ökosystem, durch das Innovation in Deutschland systematisch in die Spur gebracht wird.“

Auch Dr. Peter Heinrich, Vorstandsvorsitzender von BIO Deutschland e. V., sieht die Entwicklung mit gemischten Gefühlen:

„2018 war ein Rekordjahr für die Finanzierung der Biotechnologie in Deutschland — das ist sehr ermutigend. Allerdings schaffen es nach wie vor viel zu wenige herausragende Forschungs- und Entwicklungsergebnisse hierzulande in die Anwendung. Die Folge davon beobachten wir derzeit: Relativ geringe Forschungs- und Entwicklungsausgaben und weniger Neugründungen. Wir brauchen in Deutschland wieder eine Kultur des Mutes und der Risikobereitschaft und auch einen besser funktionierenden Technologietransfer, um diese Entwicklung umzukehren.“