Helmut Schönenberger, Geschäftsführer von UnternehmerTUM und Vice President Entrepreneurship der TU München
Foto: UnternehmerTUM

Helmut Schönenberger: „In Krisenzeiten enstehen Unternehmen mit disruptiven Geschäftsmodellen“

Helmut Schönenberger startete gemeinsam mit der Unternehmerin Susanne Klatten im Jahr 2002 das Gründerzentrum UnternehmerTUM und leitet es auch seither. Vergangenes Jahr berief die TU München ihn zum Honorarprofessor für Entrepreneurship Practice und ernannte ihn zu Beginn dieses Jahres zum Vice President Entrepreneurship. Wir konnten mit Helmut Schönenberger darüber sprechen, wie sich die Münchner Startup-Szene in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, was er sich vom Munich Urban Colab verspricht und welche Folgen der Krise er für Startups erwartet.

Munich Startup: Schon vor bald 20 Jahren haben Sie in Ihrer Diplomarbeit die Gründungsnetzwerke rund um die Stanford University und die TU München verglichen. Wie hat sich das Münchner Startup-Ökosystem seither entwickelt?

Helmut Schönenberger: In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich München zu einem international sichtbaren Cluster für Tech-Startups entwickelt, mit Unicorns wie Celonis, Flixbus und Lilium. Die Pipeline an weiteren wachstumsstarken Startups ist gut gefüllt. Münchner Firmen wie Blickfeld, Fazua, Isar Aerospace, Konux, Navvis, Personio, Proglove und Twaice haben gute Chancen, Stars der europäischen Startup-Szene zu werden. Ich bin sehr optimistisch, dass mit diesen Erfolgsgeschichten München zum führenden europäischen B2B-Startup-Ecosystem werden kann. Eine besondere Stärke vom Münchner Ökosystem ist auch, dass die Gründerzentren der großen lokalen Hochschulen – der LMU, der Hochschule München und der TUM – sehr eng zusammenarbeiten.

Munich Startup: Warum sollen AbsolventInnen der TU München gründen – und sich nicht einfach einen gut bezahlten Job bei einem ansässigen Mittelständler oder Konzern suchen?

Helmut Schönenberger: Wichtig ist uns an der TUM, dass sich unsere Absolventinnen und Absolventen intensiv über ihren Karriereweg Gedanken machen. Die Gründung eines eigenen Unternehmens ist dabei eine Option. Faszinierend ist für mich, dass man als Gründerin oder Gründer die Chance hat, seine eigenen Ideen schnell zu verwirklichen, ein starkes Team aufzubauen und Kunden und Investoren zu gewinnen. Gleichzeitig bedeutet die Gründung eines eigenen Unternehmens auch, viel Zeit und Leidenschaft zu investieren, viel Verantwortung zu übernehmen und mit Unsicherheit und Risiko umzugehen. Jeder muss für sich entscheiden, welcher der passende Weg ist.

Munich Urban Colab: „Treffpunkt für Innovatoren aus unterschiedlichen Bereichen“

Munich Startup: Dem Deutschen Startup Monitor zufolge bringt keine deutsche Hochschule mehr Startup-Gründer hervor als die TU München. UnternehmerTUM hat daran wahrscheinlich einen nicht unbedeutenden Anteil. Was machen Sie besser als andere Universitäten und deren Gründerzentren?

Helmut Schönenberger: Wir verfolgen an der TUM seit dem Gewinn der Exzellenzinitiative im Jahr 2006 konsequent die Strategie der „unternehmerischen Universität“. Mit UnternehmerTUM haben wir dabei ein universitäres Gründerzentrum, das zusammen mit TUM Forte und den Lehrstühlen professionell die Strategie umsetzt und die Brücke zwischen Universität, etablierten Unternehmen und der Startup-Szene schlägt. Wichtig ist auch, dass seit der Gründung im Jahr 2002 unsere Allein-Gesellschafterin und UnternehmerTUM-Aufsichtsratsvorsitzende Susanne Klatten uns für diesen nachhaltigen Entwicklungsweg den Rückhalt gibt.

Munich Startup: Gemeinsam mit der Stadt München baut UnternehmerTUM im Moment das Munich Urban Colab am Leonrodplatz. Was ist dort geplant und was versprechen Sie sich davon?

Helmut Schönenberger: Ziel ist es, mit dem Munich Urban Colab einen neuen unternehmerischen Hot Spot in der Stadt aufzubauen, der sich auf Lösungen für Städte der Zukunft fokussiert. Es ist ein Treffpunkt für Innovatoren aus unterschiedlichen Bereichen und Organisationen, wie den Münchner Hochschulen, etablierten Unternehmen, Startups, Investoren usw. Großartig ist, dass wir das Gebäude mit der Landeshauptstadt hochziehen. Viele innovative Köpfe aus der Stadtverwaltung und den städtischen Unternehmen werden sich im Colab engagieren.

Helmut Schönenberger: „Wollen München als Gründungscluster noch besser international positionieren“

Munich Startup: UnternehmerTUM berät Studenten, bildet aus, hilft bei der Gründung, unterhält eine ganze Reihe von Förderprogrammen, betreibt einen Makerspace und investiert über einen eigenen VC-Fonds in Startups. Wohin soll die Reise noch gehen? Haben Sie konkrete Zukunftspläne für UnternehmerTUM?

Helmut Schönenberger: Wir werden mit der TUM und unseren weiteren Partnern unsere Mission fortführen, um der nächsten unternehmerischen Generation ein perfektes Entwicklungsumfeld für sich und ihre jungen Unternehmen zu bieten. In den nächsten Jahren heißt das insbesondere, die Kompetenz in den entscheidenden Technologie- und Branchenfeldern wie AI, Additive Manufacturing und Robotics auszubauen. Zudem wollen wir als TUM und UnternehmerTUM auch die Zusammenarbeit mit unseren Kollegen und Freunden von der LMU, dem LMU Entrepreneurship Center, der Hochschule München und dem SCE weiter ausbauen, um München als Gründungscluster noch besser international zu positionieren.

Munich Startup: Mit AppliedAI betreibt die UnternehmerTUM nach eigenen Angaben Europas größte Initiative für künstliche Intelligenz. Gemeinsam mit fünf anderen Initiativen in Deutschland haben Sie kürzlich AI4Germany gestartet. Ziel ist es, den Mittelstand bei der Anwendung von KI zu unterstützen. Welche Bedeutung und welches Potenzial hat künstliche Intelligenz für die Wirtschaft?

Helmut Schönenberger: AI ist eine Schlüsseltechnologie, die unsere Wirtschaft massiv verändern wird. Die Situation ist ähnlich wie vor gut 20 Jahren, als der Siegeszug des Internets begann. Unsere Aufgabe als größtes deutsches Gründerzentrum ist es, dass wir jetzt die AI-Welle nicht verschlafen, sondern diese optimal reiten. Dann wird unser Standort auf der Weltkarte der führenden High-Tech-Regionen weiter gut sichtbar sein.

Munich Startup: Welche mittel- und langfristigen Folgen wird die Corona-Krise Ihrer Ansicht nach für das Münchner Startup-Ökosystem haben?

Helmut Schönenberger: Kurz- und mittelfristig wird es für viele Startups Herausforderungen bei der Gewinnung von Kunden und Investoren geben. Gerade für Unternehmen im B2B-Bereich wird die Akquise in den nächsten 6 bis 18 Monaten oft nicht einfacher werden. Gleichzeitig sind gerade in Krisenzeiten sehr erfolgreiche neue Unternehmen mit disruptiven Geschäftsmodellen entstanden. Wichtig ist in dieser Zeit des Wandels, die Stärken unserer Startups und die unserer etablierten Unternehmen zu bündeln, gemeinsam die Digitalisierung unserer Wirtschaft voranzutreiben und nachhaltige Produkte auf den Markt zu bringen.