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Plug and Play: „Innovation ist Teil unserer DNA“

Die offene Innovationsplattform und Venture-Capital-Firma Plug and Play aus dem Silicon Valley ist in München mit zahlreichen Partnern und Investitionen aktiv. Sie hat gleich drei ihrer Programme in der Landeshauptstadt angesiedelt: Retail, Insurtech und Health. Im Interview gibt Frederike Rohr, Director Health und Head of Munich von Plug and Play, Einblicke in das Tagesgeschäft, wie die Corona-Krise ihre Arbeit beeinflusst und sie erklärt, was München zu einem besonders interessanten Startup-Standort macht.

Munich Startup: Wie sieht das tägliche Geschäft von Plug and Play aus?

Frederike Rohr: Unser CEO und Gründer Saeed Amidi ist bereits 2008 mit der Startup-Szene in Kontakt gekommen und war einer der ersten Investoren in Startups wie beispielsweise Dropbox, Danger oder Paypal. Klassische VC Early Stage Investments sind also der Ursprung von Plug and Play und auch heute noch ein wichtiger Teil unserer DNA. Wir sind auf 5 Kontinenten tätig und in 18 verschieden Industrien geclustert – von Mobility über Fintech, Health, Insurance, Logistics und Supply Chain bis hin zu Food und Retail sind wir im Grunde überall aktiv, und in all diesen Industrien machen wir unsere eigenen Investments. Dies hat uns geholfen, der aktivste Frühphaseninvestor der Welt zu werden, wir unterzeichnen etwa 4 Investitionen pro Woche. Zu den jüngsten sehr erfolgreichen Investitionen in Deutschland gehören N26 oder die in München ansässige IDNow.

Um unseren Portfoliounternehmen und dem Startup-Ökosystem einen echten Mehrwert zu bieten, haben wir auch damit begonnen, ein starkes Unternehmenspartnernetzwerk mit bisher über 450 Partnern aufzubauen. Eines der bekanntesten Programme in Deutschland war die Axel-Springer-Plug-and-Play-Partnerschaft. Obwohl das Programm recht erfolgreich war, haben wir unseren Ansatz mit den Bedürfnissen des Marktes weiterentwickelt. Wir sind kein klassischer Accelerator – wir nehmen keine Equity und auch Pitch-Tranings sind bei uns nur ein Nebenangebot. Was uns ausmacht ist, dass wir wirkliche Business Cases von unseren Corporate Partnern in den jeweiligen Industrien haben. Das heißt, die Unternehmensbereiche kommen zu uns und suchen eine Lösung für ein Problem oder wollen Unterstützung in einem bestimmten Bereich. Hier suchen wir Startups, die genau passen und bringen sie mit den Corporates zusammen – auch schon vor dem Start des Programms, so dass sie sich wirklich sicher sein können, dass sie gemeinsam pilotieren oder an einer Lösung arbeiten wollen oder nicht.

Frederike Rohr ist Director Health und Head of Munich von Plug and Play.

Corporate Partner sollen voneinander lernen

Munich Startup: Und das läuft dann in die Kommerzialisierung.

Frederike Rohr: Im besten Fall, ja. Wir sind dabei der festen Überzeugung, dass die Corporate Partner voneinander sehr viel lernen können. Der Open-Innovation-Ansatz ist der Schlüssel zu unseren Aktivitäten. Zwar sind Unternehmen im selben Markt immer irgendwie Konkurrenten, aber sie haben natürlich die gleichen Herausforderungen, die sie bestreiten müssen. Wir schaffen eine offene Plattform, auf der sie sich zu diesen Themen austauschen und eben gemeinsam mit Startups Lösungen finden können. Und diese Plattform wollen wir auch immer erweitern. Das alles macht Plug and Play, wir sind mit über 30 Standorten überall vertreten, in allen Industrien.

Munich Startup: Wie hat sich denn die Corona-Krise für Euch ausgewirkt? Ihr sitzt jetzt wahrscheinlich global alle im Homeoffice, oder?

Frederike Rohr: Ja genau. Mir persönlich ist es dabei sehr, sehr wichtig, dass wir trotzdem versuchen, sowohl innerhalb des Teams als auch mit unseren Portfolio-Startups oder Corporate-Partnern die Kommunikation hochzuhalten. Das heißt – das ist sehr amerikanisch –, wir haben jeden Morgen einen sogenannten ‚Morning Huddle‘, bei dem wir Münchner uns immer um 9 Uhr treffen und uns kurz updaten. Das gleiche machen wir jetzt auch digital, einfach weil wir das ganz wichtig finden, dass wir uns noch sehen und nicht den Austausch verpassen. Ich habe jetzt auch eine ‚Lunch Learning Session‘ eingeführt, in der jeder Kollege auch einmal für 10 Minuten über irgendein Thema reden kann. Und sei es, wie man Banana Bread macht oder Caipirinhas mischt, wir wollen auch diesen aktiven, persönlicheren Austausch zwischen den Kollegen nicht verlernen. Und mit unseren Portfolio-Companies tauschen wir uns natürlich auch aus, hauptsächlich darüber, wie wir sie aktuell unterstützen können. Wir haben auch hilfreiche Ressourcen wie zum Beispiel einen Überblick der Förderprogramme der Regierungen in aller Welt geschaffen und führen Veranstaltungen virtuell durch, um sie unserem Unternehmensnetzwerk vorzustellen. Wie sehr sie betroffen sind, hängt aber natürlich auch von ihrer Industrie ab.

‚Fireside Chats‘ mit dem Plug-and-Play-Gründer

Munich Startup: Und auch Eure Events veranstaltet Ihr jetzt digital. Wie funktioniert das für Euch?

Frederike Rohr: Wir haben die Chance genutzt, im Rahmen von COVID-19 andere Formate anzubieten. Dazu gehören beispielsweise ‚Fireside Chats‘ zwischen unserem CEO Saeed und Gästen wie dem Head of Digital Health Innovation von Roche Diagnostics. Dabei ging es um die generelle Situation und das Diagnosekit, das Roche entwickelt hat. Ein anderer Gast war der CEO von Webasto – das Unternehmen ist ja auch Partner von uns und sehr durch die Schlagzeilen gegangen, weil es eine der ersten von Corona betroffenen Firmen in Deutschland war. Bei diesem Fireside Chat ging es darum, wie der Webasto-CEO mit dieser ganzen Situation in seinem Unternehmen umgegangen ist. Die Zeit nach der Krise hängt davon ab, wie es sich entwickelt – aber wir wollen natürlich die Letzten sein, die Events mit 300, 400 Leuten mit internationalen Anreisen bei uns im Büro pushen. Deshalb werden wahrscheinlich auch im Nachgang der Krise unsere Events erstmal kleiner ausfallen oder virtuell stattfinden.

Munich Startup: Wie ist Plug and Play denn in München organisiert?

Frederike Rohr: In München sind wir mit drei Verticals vertreten: Insurance, Health und Retail. Ursprünglich angefangen haben wir mit Retail, daraus ist die Brand-and-Retail-Plattform geworden. Das ist das Programm, das ursprünglich als Joint Venture mit MediaMarktSaturn gegründet wurde. Mittlerweile haben wir weitere Partner wie die Schwarz-Gruppe oder Visa hinzugewinnen können. Dann kam Insurance dazu, mit Partnern wie zum Beispiel Generali, Achmea und die Versicherungskammer Bayern. Und als Drittes dann Health, ursprünglich mit dem Founding Partner Roche Diagnostics, und mittlerweile mit Sanofi, Lonza, der Bill und Melinda Gates Foundation, Sana Kliniken und dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Accenture und Microsoft.

Dabei gibt es natürlich viele schöne Überschneidungen, gerade bei Gesundheit und Versicherungen, aber auch bei Retail und Gesundheit, wenn man etwa an Wearables denkt. Darüber hinaus haben wir ein Team, das sich auf die Investments konzentriert, und daraus die passenden Startups für unsere Corporate Partner zu finden, und ein Team, das die Events rund um unsere Corporate Partner und die Startups im Programm organisiert. Und dann haben wir noch die Kollegen, die sich um unsere Corporate Partner kümmern und darum, dass die Plattform stetig mit neuen Corporate Partnern wächst. Das heißt, unser tägliches Geschäft ist sehr, sehr vielseitig.

„Viel hängt davon ab, wie weit die Unternehmen in ihrem Innovationsprozess sind“

Munich Startup: Wie sieht denn die Zusammenarbeit mit den Corporate Partner aus?

Frederike Rohr: Das ist natürlich sehr unterschiedlich, weil es sehr partnerabhängig ist, was passiert. Im Health-Bereich zum Beispiel haben wir mit Roche und Sanofi zwei Partner, die sehr engagiert sind. Die haben jeweils eigene Teams, die sich nur um die Startup-Creasphere-Partnerschaft kümmern, mit denen wir gemeinsam arbeiten. Diese Teams sind auch die internen Ansprechpartner für Abteilungen, die aktiv nach einer neuen Lösung suchen. Aber nicht alle Corporate Partner haben etwas Vergleichbares – durch die teilweise komplexen Organisationsmatrixen bei großen und global aufgestellten Firmen bedeutet das, dass wir bei der Kommunikation mit den Startups ebenso wie im Ventures Bereich helfen müssen. Unsere Corporate-Partner tauschen sich aber auch untereinander über unsere Plattform aus. Generell hängt viel davon ab, wie weit die Unternehmen in ihrem Innovationsprozess sind und was sie suchen. Für uns ist es dabei ganz wichtig, dass wir über unsere Programme und Events die richtigen Startups mit den passenden Unternehmen zusammenbringen können.

Munich Startup: Wie ist es denn dazu gekommen, dass ausgerechnet Retail, Insurance und Health nach München gekommen sind?

Frederike Rohr: Wir suchen natürlich unsere Standorte nach den Industrien vor Ort aus. Für Versicherung bietet sich München unheimlich gut an und auch für Gesundheit, weil viele Pharma-Unternehmen und auch Krankenhausketten nicht weit weg sind. Wir wählen solche Standorte, weil wir einfach wissen, dass dort viel in der Industrie passiert. Bei Retail kommt natürlich noch hinzu, dass MediaMarktSaturn unser Joint Venture Partner war, und die sitzen ja in Ingolstadt.

„München bietet ein sehr starkes Ökosystem für Startups“

Munich Startup: Wie seht Ihr denn generell die Startup-Szene in München?

Frederike Rohr: Aus meiner Sicht bietet München ein sehr starkes Ökosystem für Startups an. Durch die renommierten Universitäten, durch die ein qualitativ hochwertiger Talentpool zur Verfügung steht, der lokale Startups beim Scale-up unterstützt. Zudem gibt es hier mehrere sehr gute Innovationszentren, die den schlauen Köpfen dabei helfen, aus ihren Ideen Unternehmen zu machen. Wir arbeiten eng mit ihnen zusammen, und sie leisten hervorragende Arbeit bei der Unterstützung des lokalen Ökosystems – zum Beispiel sind unsere Portfoliounternehmen Presize und Cliniserve aus dem CDTM-Programm der TU und der LMU hervorgegangen.

Wenn wir die Traktion in den letzten Jahren betrachten, gibt es in München sehr viele tolle Firmen, die sich vor Ort gegründet haben, was viel Gründungs-Erfahrung in die Stadt bringt – Konux, Blickfeld und Celonis sind nur einige prominente Beispiele. Und natürlich gibt es große Industriepartner, mit denen wir ja auch zusammenarbeiten. Man darf nicht vergessen, auch in der Startup-Welt braucht es Angebot und Nachfrage. Aufgrund dieses starken Unternehmensnetzwerks kommt eine hohe Zahl erfolgreicher B2B-Firmen aus dem Ökosystem.

Wenn wir unser deutsches Portfolio betrachten, unterstützt dies stark die These, dass das Ökosystem großartig ist, um erfolgreiche Unternehmen zu bilden – Unternehmen wie Cliniserve, Celus, Presize, 2trde, IDnow und i2x sind nur ein paar Beispiele hierfür. Wir sind immer wieder begeistert davon, wie viele tolle neue Startups sich in München gründen.

Im Investitionsfall hilft Plug and Play bei der Skalierung

Munich Startup: Wie weit muss ein Startup sein, damit es für Euch relevant wird?

Frederike Rohr: Dies hängt davon ab, ob das Startup mit unseren Unternehmenspartnern zusammenarbeiten will oder eine Investition in der Frühphase anstrebt. Im ersteren Fall, ist es wichtig für unsere Corporate Partner, dass die Startups wissen, was sie machen und erste erfolgreiche Proof-of-concepts haben. Die Startups müssen also zumindest ein Produkt oder einen Prototype haben und in der Lage sein, auch den Bedürfnissen oder Anforderungen der Abteilung unserer Partner gerecht zu werden. Im Investitionsfall sind wir sehr oft der erste institutionelle Investor – hier kommt es uns auf das Team und den Market Fit an, und wir helfen dem Unternehmen bei der Skalierung, um für die Unternehmenspartner bereit zu sein.

Munich Startup: Was sind die interessantesten Startups aus München, die Dir bis jetzt über den Weg gelaufen sind?

Frederike Rohr: Natürlich alle unsere Portfoliounternehmen, die ich oben erwähnt habe – Presize revolutioniert das Einkaufserlebnis im E-Commerce durch ihre videobasierte Größenanpassungslösung, i2x die Qualität der Kundenkommunikation, 2trde den Händlermarkt, Celus die Entwicklung von Elektronik, IDNow den ID-Prüfraum und Cliniserve den Pflegemarkt. Außerdem gibt es in München so viele interessante frühe Fälle. Da ich auch Leiterin unserer Gesundheitsplattform bin, freue ich mich besonders über die Gesundheits-Startups in München. Es gibt so viele unglaublich interessante Unternehmen wie Wellabe (ehemals Bodylabs, d. Red.), die ein mobiles Labor zur Messung von Gesundheitsdaten entwickelt haben, oder DeepC, die modernste ML-Lerntechnologien nutzen, um große Datenmengen zu erschließen und die größten Herausforderungen in der Gesundheitsdiagnostik zu lösen.

Munich Startup: Um erfolgreich zu sein muss ein Startup…?

Frederike Rohr: …fleißig sein, Drive haben, auf Zack sein, immer offen sein für neue Entwicklungen und immer den Anspruch haben, sich stetig weiterzuentwickeln. Das wichtigste ist aber, dynamisch zu sein und die richtigen Skillsets im Team zu haben.

Munich Startup: An wen kann sich ein Startup bei Euch wenden?

Frederike Rohr: Also im Grunde an uns alle. Aber für die einzelnen Programme der Investitionsfälle sind das Caro, sie ist unsere Retail-Ansprechpartnerin, Fabian ist unser Mann für alles rund um Gesundheit und Medtech, und für Versicherungen ist das Sebastien.