In Mailand treffen Geschichte und Moderne aufeinander.

Going Global: Italien bietet zahlreiche Kunden aus den verschiedensten Sektoren

Als eine der wichtigsten Industrie-Nationen der Welt und Mitglied der EU ist Italien ein natürlicher Expansionsmarkt für deutsche Startups. Dank seiner eigenen starken Startup-Szene sind die Unternehmen im Land zudem bereits mit der Zusammenarbeit mit Startups vertraut. Worauf man beim Markteintritt jedoch achten sollte, erklärt die Italienische Handelskammer München-Stuttgart (ITALCAM) in unserer Reihe „Going Global“.

Die Zahl der Startups in Italien wächst ständig, sogar während der COVID-19-Krise sind zahlreiche neue Unternehmen entstanden: Wurden 2019 noch insgesamt 10.630 Startups im Handelsregister verzeichnet, sind es heute bereits 11.899. Dies entspricht 3,2 Prozent aller neu gegründeten Kapitalgesellschaften im vergangenen Jahr.

Dabei konzentrieren sich die Jungunternehmen besonders in Norditalien und dort vor allem in der Lombardei, wo mit 26,9 Prozent aller Startups die größte Zahl registriert wurde. Das Zentrum der italienischen Startup-Szene stellt die Stadt Mailand dar. Aber auch die Regionen Latium (11,3 Prozent aller Startups), Emilia-Romagna (8,6 Prozent), Kampanien in Süditalien sowie Venetien (je 8,2 Prozent) können aktive Ökosysteme vorweisen.

Wichtigste Startup-Förderer sind dabei die Universitäten, allen voran die technischen Hochschulen in Mailand und Turin: So ist laut dem Ranking UBI Global World Rankings of Business Incubators and Accelerators 2019-2020 der von der Stiftung Polytechnikum Mailand (it. Fondazione Politecnico di Milano) geleitete Poli-Hub der technischen Hochschule Mailand (it. Politecnico di Milano) einer der fünf besten universitären Inkubatoren weltweit. Und der Inkubator I3P der technischen Hochschule Turin (it. Politecnico di Torino) wurde in dem Report zum besten und leistungsfähigsten öffentlichen Inkubator der Welt gekürt. Weitere wichtige Hubs sind zudem der Inkubator B4i an der Mailänder Bocconi-Hochschule und der auf die Branchen Food-, Agri- und Traveltech spezialisierte Digital Hub der LUMSA Universität in Rom. Insgesamt sind mehr als 160 private und öffentliche Inkubatoren in Italien tätig.

Was hat Italien zu bieten?

Deutsche Startups finden in der italienischen Industrie zahlreiche potenzielle Kunden aus den verschiedensten Sektoren, besonders aber in der für „Made in Italy“ typischen Verarbeitung. Je nach Region finden sich dabei unterschiedliche Schwerpunkte: Besonders im Norden ballen sich von Textilien über Mechanik bis hin zu Schuhen und Luft- und Raumfahrt verschiedenste Industriezweige. Dabei sticht in der Lombardei vor allem rund um die Stadt Varese eine Konzentration auf Kosmetik-, Getreide- und Gummiprodukte hervor. Im Piemont wiederum finden sich vor allem mechanische Unternehmen und Firmen aus dem Agrar- und Lebensmittelbereich, während Ligurien vor allem vom Schiffbau und dem Kunsthandwerk geprägt ist. In Venetien befinden sich Industrien der Produktionsspezialisierung wie etwa Goldschmieden oder Wein und Prosecco. In Friaul sticht dann der Sektor der digitalen Technologien sowie die Lebensmittelindustrie hervor. Im zentralen Bereich des Stiefels sind die Emilia-Romagna mit dem Keramiksektor sowie ihrer Fliesen-, Schuh- und Möbelindustrie zu nennen. Und die Toskana ist bekannt für die florentinischen Lederwaren und den Carrara-Marmor. In Süditalien schließlich gibt es den Pasta-Sektor in Kampanien und das Luft- und Raumfahrtgebiet in Apulien.

Darüber hinaus bietet das Land dank des 2016 erstellten Industrieplans neue Geschäftschancen im digitalen Sektor für die oben genannten verarbeitenden Industrien. Denn zusammen mit den Reformen hat die italienische Regierung auch zahlreiche finanzielle Anreize eingeführt, die darauf abzielen, die Attraktivität Italiens für ausländische Direktinvestitionen zu erhöhen. Dabei sollen Gebiete mit industriellen Krisen unterstützt und Aktivitäten in der Forschung und Entwicklung sowie das Wachstum innovativer Unternehmen gefördert werden.

Das Markenzeichen „Made in Italy“

In Italien aktiv zu sein bedeutet, sich Zugang zum Unternehmens-Know-how und einem großen Netzwerk von Experten zu verschaffen, die in der Lage sind, qualitativ hochwertige italienische Produkte herzustellen. Die Exportzahlen beweisen dabei die Qualität des internationalen Markenzeichens „Made in Italy“: Die Exporte der Lebensmittel- und Getränkeindustrie beispielsweise erreichen einen Wert von 40 Billionen Euro. Zudem ist Italien in Europa der größte Hersteller von Möbeln und Accessoires sowie der zweitgrößte Exporteur von Maschinen im Euroraum – bei der Ausfuhr an außereuropäische Länder belegt das Land hierfür sogar die Spitzenposition. Und dank seiner Stärke in Forschung und Innovation liegt Italien in der EU auf Platz 5 für die Lieferung von Hightech- und Mediumtech-Produkten und auf Platz 6 für Designanwendungen.

Die Einzigartigkeit des Markenzeichens „Made in Italy“ ist dabei auf den kulturellen und künstlerischen Reichtum des Landes zurückzuführen. Dies wird nicht nur durch die Touristenströme, sondern auch durch die UNESCO anerkannt: Laut der Organisation liegt Italien auf dem ersten Platz für die Zahl der Stätten, die als Weltkulturerbe gelten. Zusammen mit kultureller Bedeutung können daher Strategie und Innovation – entgegen aller Klischees – neue Perspektiven für das Bel Paese eröffnen.

Als deutsches Unternehmen in Italien: die Erfahrung von Datenberg

Mit Blick auf unterschiedliche Unternehmenskulturen gibt es allerdings für deutsche Unternehmen so manches zu beachten, wie das Münchner Startup Datenberg berichtet. Im Rahmen des „European Light Industries Innovation and Technology (ELIIT) Project“ kam es mit dem italienischen Garnhersteller Pecci Filati aus Prato bei Florenz in Kontakt. Das KMU beschäftigt circa 55 Mitarbeiter und wird von Roberta Pecci geführt. Die Textiltechnik hat eine jahrhundertelange Tradition in der Region Prato, ist jedoch in den letzten Jahren stark geschrumpft. Die Abwanderung der Textilfertigung in Billiglohnländer ging einher mit einem Fokus auf anspruchsvolle und innovative Produkte. So fertigt Pecci Filati nichtlineares Garn in kleinen Losgrößen, welches von der Modewelt eingesetzt wird.

Im Rahmen von ELIIT war es die Aufgabe von Datenberg, die Produktion datenbasiert zu optimieren. Hierfür suchten die Münchner nach den größten Optimierungspotenzialen und überlegten, wie der Mensch an der Anlage unterstützt werden kann. Dazu setzte das Startup seine eigens entwickelte Analyseplattform Smartplaza ein, welche bereits in Industrien wie dem Karosseriebau oder der Gummiherstellung angewendet wird. Dabei konnte Datenberg einiges über die verschiedenen Unternehmenskulturen lernen:

  1. Ciao oder Hello
    Wie in jedem Land gibt es auch in Italien Menschen, die Fremdsprachen beherrschen oder eben nicht. Bei Pecca Filati beispielsweise spricht die Geschäftsführung Englisch, der Rest des Teams jedoch nicht. Dadurch kann es dazu kommen, dass Prozesse durch den nötigen Zwischenschritt der Übersetzung an Geschwindigkeit und Effizienz verlieren.
  2. Italienischer Pragmatismus
    Themen wie Datensicherheit und Geheimhaltung können in Italien etwas pragmatischer gehandhabt werden, als es in Deutschland oft der Fall ist. So hat Datenberg beispielsweise Videos der Produktionsanlagen von Pecca Filati über Youtube zur Verfügung gestellt bekommen.
  3. Deutsche Pünktlichkeit
    Bei Vor-Ort-Terminen kann es durchaus vorkommen, dass Termine nicht genau eingehalten werden – allerdings lässt sich die Wartezeit gut mit etwas Espressi überbrücken. Bei Onlinekonferenzen hingegen zeigt auch die italienische Seite einen Hang zur Pünktlichkeit.
  4. Urlaub Im August
    Für Projektpläne sollte man beachten, dass in Italien der August ein starker Urlaubsmonat ist. Dieses Sommerloch ist deutlich ausgeprägter als etwa in Deutschland. Gibt es etwas zu regeln muss man auf den September warten.
  5. Freude an der Arbeit
    Was Datenberg besonders überzeugt hat, ist die Freude an der Arbeit von den italienischen Kollegen. Denn da sich das deutsche Team nicht direkt mit seinem technischen Ansprechpartner unterhalten kann, schneidet dieser Videos auf Italienisch mit Untertiteln über Produktionsmaschinen. Dies zeigt Wertschätzung und Motivation – auch ohne direkte Kommunikation.

Gastartikel der Italienischen Handelskammer München-Stuttgart (ITALCAM)

Die Italienische Handelskammer München-Stuttgart (ITALCAM) gehört zu dem Netzwerk der Italienischen Auslandshandelskammern offiziell anerkannt vom Italienischen Wirtschaftsministerium. Die Kammer wurde 1926 in München gegründet, mit dem Ziel, die Handelsbeziehungen zwischen Italien und dem deutschsprachigen Markt zu fördern und zu erweitern. Mitglieder von ITALCAM sind  Unternehmen, Freiberuflern und öffentliche Einrichtungen.

ITALCAM steht als Ansprechpartner für Unternehmen, die Unterstützung bei der Identifizierung von Geschäftsmöglichkeiten in Deutschland und Italien oder bei der Erweiterung ihres Vertriebsnetzes benötigen und bietet dafür personalisierte Beratungsdienstleistungen an. Darüber hinaus spielt ITALCAM eine strategische Rolle bei unterschiedlichen Kooperationsprojekte zwischen Italien und Deutschland in Schlüsselsektoren wie Logistik, Umwelt, Mechanik, Kreativindustrie und Design, Agrar- und Ernährungswirtschaft und Tourismus.

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