Das Gründerteam von Ryver.ai
Foto: Ryver.ai

Ryver.ai: Synthetische Daten für Radiologie-KI

Ryver.ai möchte mit generativer Künstlicher Intelligenz (KI) diverse Test- und Trainingsdaten generieren und so den Datenengpass in der Radiologie lösen. Wie das 2021 von Simona Santamaria, Kathrin Khadra und Jonas Ils gegründet Unternehmen dieses Vorhaben genau umsetzen will, erklärt uns Mitgründerin Kathrin Khadra im Interview.

Munich Startup: Was macht Euer Startup? Welches Problem löst Ihr? 

Kathrin Khadra, Ryver.ai: KI-Applikationen zur Unterstützung in der Radiologie haben oftmals Probleme mit Genauigkeit und Robustheit. Im großen Kontext bedeutet das, dass Krankheiten bei unterrepräsentierten Patientengruppen wie beispielsweise People of Color oder Menschen mit seltenen Krankheiten schlechter durch die KI erkannt werden.

Dies liegt daran, dass der Zugang zu Test- und Trainingsdaten aufgrund von Datenschutz und fragmentierter IT generell sehr schwer ist. Um an Daten zu kommen, verhandeln Radiologie-KI-Anbieter entweder 12-24 Monate Kollaborationen mit Krankenhäusern oder aber sie kaufen Daten von Brokern für bis zu 200 Euro pro Bild.

Ryver.ai löst diesen Datenengpass durch KI-generierte Radiologiedaten (z.B. Röntgenbilder, CTs, MRTs). Unsere Software muss man sich dabei vorstellen wie einen Kunstfälscher. Dieser versteht auf Basis von echten Bildern die spezifischen Charakteristika und kann daraufhin komplett neue Bilder, so genannte synthetische Daten, generieren. Die Bilder können nun für das Training von Radiologie-KI-Anwendungen in der klinischen Praxis verwendet werden. Da die synthetischen Daten nicht mehr direkt realen Patienten zuzuordnen sind, schützen sie die Privatsphäre.

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst! 

Kathrin Khadra: Das ist richtig. Ähnliche Lösungen werden bereits seit Jahren für die Entwicklung autonomer Fahrzeuge eingesetzt. Ein Großteil der Trainingsdaten sind lediglich Simulationen von Situationen im Straßenverkehr.

Ryver.ai nutzt die neusten Erkenntnisse aus der Forschung im Bereich generative KI, um ein Qualitätsniveau zu erreichen, dass synthetische Daten auch für den Gesundheitsmarkt relevant macht. 

Lösung für dringendes Problem

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory? 

Kathrin Khadra: Wir haben uns vor einigen Jahren über Stipendien kennengelernt. Ich kenne Jonas aus dem Manage and More Stipendium der UnternehmerTUM und Simona über das Femtec-Stipendium.

2020 haben wir zu Beginn des Lockdowns gemeinsam eine Gutscheinplattform für kleine lokale Läden in München gegründet, um ihnen einen Umsatzstrom zu ermöglichen, während sie die Läden schließen mussten. Das lief auch alles super, aber wir haben schnell gemerkt, dass das kein Thema ist, an dem wir die nächsten 10 Jahre arbeiten möchten. Daher haben wir das an Regional Hero abgegeben, die ein sehr ähnliches Konzept in Berlin aufgebaut hatten und das Thema noch immer weiterführen.

Danach haben wir uns zusammengesetzt und angefangen, zu überlegen, welches Problem da draußen dringend eine Lösung braucht. Wir waren schnell überzeugt, dass der große Datenbedarf für KI-Entwicklung und die hohe Relevanz von Datenschutz, eine wachsende Herausforderung darstellen. Wir haben einige Lösungen für unterschiedliche Industrien getestet und eine hat überlebt: Synthetische Daten für Radiologie-KI.

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen? 

Kathrin Khadra: Natürlich ist die Entwicklung der Technologie sehr komplex. Synthetische Daten in einer Qualität zu generieren, dass sie in einem medizinischen Kontext verwendet werden können, birgt sehr viele Schwierigkeiten.

Diese Technologie, dann aber noch in einen sehr risikoaversen Markt einzuführen, ist mindestens genauso schwierig. Wir mussten sehr viel Arbeit investieren, um das Vertrauen potentieller Kunden zu gewinnen.

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Kathrin Khadra: Bis nächstes Jahr wollen wir das erste Produkt für Lungen-CTs mit Tumorindikationen nach den ersten Piloten auf den Markt bringen. Danach werden wir unsere generativen Modelle weiter ausbauen. Das bedeutet, neue Körperteile wie den Kopf und Abdomen hinzuzufügen sowie weitere Bildmodalitäten wie MRT.

In etwa fünf Jahren können unsere Lösungen dann Daten für ein sehr breites Spektrum an Anwendungsfällen in der klinischen KI aber auch in der Pharmaindustrie adressieren.

„Treibende Kraft im Hintergrund“

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt? 

Kathrin Khadra: Jonas und ich sind quasi seit Stunde Null Teil des UnternehmerTUM-Ökosystems. Wir haben angefangen mit dem Manage and More Stipendium, unsere Idee im Xplore-Programm geschärft und jetzt vor kurzem mit Unterstützung von Xpreneurs unsere Finanzierungsrunde gemacht.

Außerdem haben wir durchgehend Unterstützung von den TUM Venture Labs. Antoine Leboyer, unser Mentor, hat zum Beispiel den entscheidenden Kontakt zu unserem ersten Investor gegeben.

Das Umfeld an befreundeten Gründern, die alle vor ähnlichen Herausforderungen stehen, ist unfassbar wertvoll und hilft uns immer wieder, wenn wir schwierige Entscheidungen treffen müssen.

Munich Startup: Hidden Champion oder Shooting Star? 

Kathrin Khadra: Wir wollen in erster Linie ein ernsthaftes und großes Problem lösen, sichere medizinische KI für jeden Patienten und jede Patientin. Wenn das erfordert, im Rampenlicht Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, dann machen wir gerne den Shooting Star, ansonsten sind wir einfach die treibende Kraft im Hintergrund.