Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – und ein Prototyp sagt mehr als tausend Bilder. Warum Prototyping im Design Thinking so wichtig ist und was genau eigentlich Design Thinking ist, erklärt Dennis Fischer, Gesellschafter der Münchner Innovationsberatung methodworks, im gateWAY Magazin.
Design Thinking. Diese Methode ist aktuell in aller Munde und vor allem in der Startup-Szene sehr beliebt. Woher kommt dieser Begriff aber überhaupt, handelt es sich dabei wirklich um eine Methode und was verbirgt sich dahinter?
Eine der treibenden Kräfte der Bewegung ist David Kelley. Der gelernte amerikanische Elektroingenieur war fasziniert von dem Fach ‚Produktdesign‘, in dem er 1978 in Stanford seinen zweiten Abschluss machte. Er hat die weltweit bekannte Design- und Innovationsberatung IDEO mitbegründet und die d.school in Stanford aufgebaut. Diese ‚Erfinderschule‘ lehrt Design Thinking und sieht sich selbst als ‚Hub of Innovation‘. Finanziell möglich gemacht hat den Aufbau der d.school Hasso Plattner, der Mitbegründer von SAP, mit einer Spende über 35 Millionen Dollar. Er gründete dazu auch ein Pendant in Potsdam, das Hasso-Plattner-Institut. Diese Institutionen haben dazu beigetragen, dass Design Thinking in den USA und im deutschsprachigen Raum so populär wurde.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
Design Thinking lehnt sich an ausgewählte und teilweise vereinfachte Prinzipien und Methoden des Designs an. In multidisziplinären Teams versuchen Design Thinker Probleme zu lösen und dabei immer den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Daher wird dieser Ansatz oftmals auch als ‚human centered design‘ bezeichnet.
Probleme sind dabei Innovationschancen — und keine Hindernisse. Für einen erfolgreichen Innovationsprozess sind einige Voraussetzungen nötig: zum einen ein Team aus diversen Disziplinen, Abteilungen und Hierarchieebenen, um mit Hilfe verschiedener Blickwinkel, Erfahrungen und einer kontroversen Diskussion ein herausragendes Ergebnis zu erreichen.
Die zweite Voraussetzung des Design Thinkings ist das Visual Thinking. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“: Wir alle kennen diesen Spruch. Und wenn man einmal in einem interdisziplinären Team mit Menschen verschiedener Hintergründe zusammengearbeitet hat, versteht man, wie viel einfacher es ist, eine Idee anhand einer Skizze zu erläutern als sie mit Worten beschreiben zu müssen.
Genau diesen Effekt macht sich Design Thinking zu Nutze und versucht, so wenig wie möglich in Worten und so viel wie möglich in Bildern auszudrücken. Die Qualität der Skizzen oder Prototypen ist dabei vorerst zweitrangig. Viel wichtiger ist, dass der Inhalt klar und einfach vermittelt wird. Das Visual Thinking führt zu einem der wichtigsten Aspekte des Design Thinkings, dem ‚Prototypen‘.
Rapid Prototyping und die limitierenden Ressourcen: Zeit und Geld
„The best way to experience an experience, is to experience it.“ (William Grant ‚Bill‘ Moggridge)
Um ein Produkt oder eine Dienstleistung zu erschaffen, die wirklich auf den Kunden ausgerichtet ist, sollte dieser aktiv mit in den Entstehungsprozess einbezogen werden. Dies funktioniert am besten, indem man den jeweils aktuellen Ideen- oder Entwicklungsstand in Form eines Prototypen für den Kunden physisch erlebbar macht.
In fast jedem Design Thinking Projekt gibt es jedoch zwei limitierende Ressourcen: Zeit und Geld. Aus diesem Grund startet man zu Beginn mit so genannten ‚Low-Resolution Prototypes‘ und entwickelt diese im Laufe der Zeit zu ‚High-Resolution Prototypes‘ weiter.
Einfach erklären kann man das an der Auflösung eines Fernsehers: Natürlich sieht man sich ein Fußballspiel lieber in Full HD Auflösung an, aber wenn es nur darum geht zu erkennen, ob die Mannschaft mit den blauen oder den roten Trikots ein Tor erzielt, genügt auch eine verpixelte Darstellung.
Post-it-Skizze oder Klick-Dummy: Rough, rapid, right
„Fail early to succeed sooner.“ (Tim Brown)
Ein guter Prototyp sollte dabei immer drei Eigenschaften erfüllen: Rough, rapid, right!
Er muss gerade gut genug sein (‚rough‘), dass der potenzielle Nutzer die Kerneigenschaften versteht und sich dabei lediglich auf die wichtigsten Features des Produktes konzentriert. Wenn man also herausfinden möchte, ob der Kunde beispielsweise bereit wäre, über eine App einen Zahnarzttermin zu vereinbaren genügt es, wenn man ihm dieses eine Feature zeigt. Er muss in diesem Schritt weder seine persönlichen Daten ändern können, noch den Login-Prozess durchlaufen.
Gleichzeitig sollte der Prototyp schnell (‚rapid‘) erstellt werden können, um verschiedene Hypothesen zeitnah zu testen. Es soll vermieden werden, dass man wochenlang an einer Idee bastelt, die vielleicht keinerlei Abnehmer am Markt findet. Im Anschluss muss der Prototyp an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden.
Außerdem ist die richtige (‚right‘) Wahl der Art des Prototypen wichtig. Im Grunde genommen ist jedes Team frei, wie es den Prototypen darstellen möchte. Angefangen bei Post-it-Skizzen über Legofiguren bis hin zu Rollenspielen und digitalen Klick-Dummys ist alles möglich.
Wichtig ist dabei zu verstehen, dass es meistens völlig ausreichend ist, die Funktionalitäten vordergründig zu präsentieren, ohne im Hintergrund eine einzige Zeile Code geschrieben oder ein real funktionierendes Produkt entwickelt zu haben.
Hierfür gibt es mittlerweile sehr gute kostenlose Tools wie marvelapp oder prottapp, mit deren Hilfe man innerhalb einer Stunde eine App ausreichend simulieren kann.
Rough, rapid, right: Beim Prototyping konzentriert man sich auf das Wesentliche
Aber auch ein Business Modell ist eine Art Prototyp, der helfen kann, dem Kunden ein Geschäftsmodell zu erklären und schnell Feedback einzuholen. Hier verwendet man meist Frameworks, wie beispielsweise den Business Model Canvas.
Es ist jedoch nicht nur so, dass Prototypen für simple Produkte oder Dienstleistungen verwendet werden. Auch in technischen Bereichen wie dem Bau von Gasturbinen verwendet zum Beispiel die Firma General Electric Rapid Prototyping.
„Show, don’t tell!“
Der Prototyp ist jedoch wertlos, wenn er nicht korrekt getestet wird. Hierbei gilt das Motto: „Show, don’t tell!“
Anders formuliert: Der Kunde sollte den Prototypen selbst entdecken und dabei seine ersten Gedanken laut aussprechen dürfen. Denn: Das Ergebnis fällt weniger aussagekräftig aus, wenn der Entwickler dem Nutzer alle Eigenschaften des Prototypen erläutert, bevor er ihn um Feedback bittet.
Dabei sollte der Entwickler offen für Feedback jeder Art sein und seine eigenen Gedanken und Gefühle hinten anstellen, um, wie schon in der Einleitung beschrieben, den Kunden wirklich zu 100 Prozent in den Mittelpunkt zu stellen. Ein kurzes animiertes Video zum Testen von Prototypen findet sich hier.
Buchempfehlungen zur Vertiefung
Wer noch tiefer in das Thema Prototyping einsteigen möchte, dem seien folgende vier Bücher empfohlen: 1) Falk Uebernickel et al.: Design Thinking – Das Handbuch. 2) Tim Brown: Change by Design: How Design Thinking Transforms Organizations and Inspires Innovation. 3) David Kelley & Tom Kelley: Creative
Confidence: Unleashing the Creative Potential Within Us All. 4) Michael Lewrick, Patrick Link & Larry Leifer: Das Design Thinking Playbook: Mit traditionellen, aktuellen und zukünftigen Erfolgsfaktoren.
Über den Autor
Dennis Fischer ging nach dem Studium, welches er in Frankreich beendet hat, nach Berlin, um in verschiedenen Startups, vor allem im E-Food Bereich, zu arbeiten. Seit drei Jahren lebt und arbeitet er in München, wo er berufsbegleitend eine einjährige Zusatzqualifikation an der Hochschule München in den Bereichen Entrepreneurship, Design Thinking und Lean Startup absolvierte. 2016 hat er mit zwei weiteren Kollegen die Innovationsberatung methodworks gegründet. Einen weitere Gastbeitrag von Dennis lest Ihr bei uns zum Thema Zeitmanagement.
Der Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von gateWay erschienen.
Weitere spannende News über Startups und die technologieorientierte Gründerszene findet Ihr auch in den früheren Ausgaben von gateWay, dem Magazin aus dem gate – Garchinger Technologie- und Gründerzentrum GmbH.