©Startnext (Fotograf: Kristoffer Schwetje)

Social Entrepreneurship vorantreiben: Interview mit SEND-Vorstand Markus Sauerhammer

Markus Sauerhammer sitzt im Vorstand des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) und ist tagtäglich damit beschäftigt, die Bedingungen für Sozialunternehmer in Deutschland zu verbessern. Wir haben mit ihm über sein Engagement sowie die konkreten Ziele des SEND gesprochen und einen Blick in die Zukunft geworfen. Dabei spielt, so Sauerhammer, vor allem die Politik eine entscheidende Rolle.

Hi Markus, stell Dich doch kurz vor und erkläre uns Deine Funktion beim SEND!

Ursprünglich habe ich eine Musterausbildung zum Landwirt durchlaufen und bin dann über Umwege in der Startup-Welt gelandet. In erster Linie kümmere ich mich in den letzten Jahren darum, Brücken zwischen etablierten Akteuren und #neuland-GestalterInnen zu bauen.

Während meiner Tätigkeit bei der Crowdfunding-Plattform Startnext habe ich festgestellt, dass es gerade Ideen mit einem großen gesellschaftlichen Nutzen besonders schwer in ihrer Entwicklung haben. Egal, ob es um passende Finanzierungsinstrumente, zielgruppenspezifische Unterstützungsangebote oder eine Weiterentwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen geht. Dies zu ändern war der Gründungsimpuls vom Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND), bei dem ich als Vorstand tätig bin.

Was sind die Ziele, die Ihr im Wesentlichen verfolgt?

Wenn Du so magst, geht es uns um einen Transfer unserer Werte einer Sozialen Marktwirtschaft in die heutige Zeit. Wir und vor allem unsere Mitglieder setzen sich dafür ein, dass die Gesellschaft als Ganzes vom Fortschritt profitiert und eine Lösung unserer gesellschaftlichen Herausforderungen im Zentrum des Handelns steht.

Die Kernziele von SEND sind es, den Social-Entrepreneurship-Sektor zu vernetzen, auf eine weitere Professionalisierung hinzuarbeiten und den Akteuren eine bessere Sichtbarkeit zu verschaffen. Zudem arbeiten wir mit Politik und Ministerien auf eine Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen hin.

Deutschland bisher zu passiv beim Thema Social Entrepreneurship

Inwiefern nehmt Ihr die Politik in die Pflicht, um Eure Ziele zu verwirklichen? Was muss sich Deiner Meinung nach ändern, in Deutschland sowie international?

Hier haben wir eine der größten Baustellen. Während in vielen anderen Ländern durch die Politik viel im Bereich Social Entrepreneurship und Sozialer Innovationen angeschoben wurde, blieb Deutschland bei diesem wichtigen Zukunftsthema bislang sehr passiv. Dies verdeutlicht z. B. die Studie „The best Country to be a Social Entrepreneur”, bei der Deutschland unter den 45 wirtschaftlich stärksten Nationen insgesamt auf Rang 12 landet. Bei dem Punkt „Unterstützung durch die Politik der Regierung“ aber nur noch auf Rang 34. Andere Studien unterstreichen die bisherige Passivität unserer Politik bei diesem wichtigen Zukunftsthema.

Sieht man sich jedoch die drei Koalitionsverträge (Bund, Bayern, Hessen) des letzten Jahres an, so gibt es ein Umdenken. Eine bessere Unterstützung von Social Entrepreneurship wurde in allen drei Verträgen verankert:

„Social Entrepreneurship spielt bei der Lösung aktueller gesellschaftlicher und sozialer Herausforderungen eine zunehmend wichtige Rolle. Social Entrepreneurship wollen wir noch starker als bisher fördern und unterstützen.“

Koalitionsvertrag der Bundesregierung

Bei der konkreten Umsetzung gibt es aber noch viel Luft nach oben (Anm. d. Red.: siehe SEND-Statement auf die Antwort der Regierung zur „Kleinen Anfrage“ von Bündnis 90/Die Grünen). Während andere Länder längst nationale Strategien, eigene Finanzierungsprogramme oder zielgruppenspezifische Rechtsformen entwickelt haben, sind wir davon noch weit entfernt.

Umso mehr freut uns, dass das Thema im Rahmen der Gründerinitiative vom BMWi mehr ins Zentrum rückt und auch in Bayern hat sich die Koalition auf eine bessere Unterstützung des Sektors festgelegt. Wichtig ist, dass die Politik ins Handeln kommt! Die Spaltung der Gesellschaft nimmt weiter zu und an vielen Stellen wird eher an den Auswirkungen unserer gesellschaftlichen Herausforderungen gearbeitet, als an den Ursachen. Damit können wir uns vielleicht noch ein paar Jahre retten, aber eine langfristige Lösung ist das nicht.

Ergebnisse unterstreichen die hohe Innovationskraft des Sektors

Ihr habt im letzten Jahr den 1. Deutschen Social Entrepreneurship Monitor (DSEM) ins Leben gerufen. Wie fällt Dein Fazit dazu aus und was ist Deine Prognose für die nächsten Jahre?

Die Ergebnisse sprechen für sich. Sowohl was die Potenziale als auch die Hindernisse angeht.

Unsere Ergebnisse unterstreichen die hohe Innovationskraft des Sektors, die kürzlich auch in einer Studie von KfW-Research deutlich hervorgehoben wurde. Im Zentrum stehen Lösungen vor Ort, aber viele der Akteure haben bereits eine globale Skalierungsstrategie. Die Akteure arbeiten auf die Verwirklichung der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs) hin und etablieren sich dadurch zunehmend als wichtige Gestaltungskraft für die Umsetzung der Agenda 2030.

Knapp die Hälfte sind Gründerinnen

Spannend fand ich, dass gerade partizipative Organisationsmodelle eine große Bedeutung haben. Viele Akteure des Sektors sind Vorreiter im Bereich „New Work“ und gestalten über eine Kultur der Mitsprache und Teilhabe die Zukunft der Arbeit.

Besonders begeistert hat mich, dass in der sonst oft männlich dominierten Gründerszene der Anteil der Gründerinnen bei knapp 50 Prozent liegt.

Soziale Startups sind bei der Finanzierung benachteiligt

Wenn wir bei den Herausforderungen sind, könnte ich eine ganze Reihe aufzählen. Fokussiert man sich ausschließlich auf den Zugang von Finanzierungsinstrumenten, die direkt von der öffentlichen Hand kommen bzw. durch diese flankiert werden, zeigt eine Gegenüberstellung der Ergebnisse vom Deutschen Startup Monitor (DSM) mit den Ergebnissen des DSEM deutlich, dass soziale Startups auf viele dieser Instrumente nicht zurückgreifen können:

• Staatliche Fördermittel: 35,2% vs. 9,1%

• Business Angels: 21,1% vs. 3,4%

• Venture Capital/Impact Investing: 15,3% vs. 3,0%

• Bankdarlehen: 12,2% vs. 2,7%

Die größere Herausforderung bei der Finanzierung bestätigen auch die Ergebnisse der vorweg genannten Studie von KfW-Research. So ist es wenig verwunderlich, dass die Politik von den TeilnehmerInnen des DSEM lediglich die Schulnote 4,6 erhält.

Bezüglich der Prognose für die nächsten Jahre lässt sich bereits heute erkennen, dass der Sektor neben einem rasanten Wachstum eine rasche Professionalisierung durchläuft. Dies ist kein deutsches Phänomen, sondern eine globale Entwicklung. Ein wichtiger Faktor für die weitere Entwicklung des Sektors ist eine Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen! Hier gilt es auch von Seiten der Politik entschlossen zu handeln!

Social Startups als „agile Schnellboote“

Was ist Eure bzw. Deine Vision für die Zukunft in Bezug auf Social Entrepreneurship?

Mit der Digitalisierung sind wir in ein Zeitalter des permanenten Wandels eingetreten. Mit diesem Epochenwandel gehen große Potenziale — aber auch Herausforderungen einher. Die Veränderungen betreffen nicht nur die klassischen digitalen Lösungen, sondern weiten sich auf viele andere Bereiche aus. Hier wird die Innovationskompetenz zu einer der wichtigsten Schlüsselqualifikationen.

In Zukunft werden wir noch viel mehr Kooperationen von Social Entrepreneurs mit Akteuren aus Politik, Wohlfahrt, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sehen. Social Startups können als „agile Schnellboote“ Lösungen entwickeln und testen. Im Anschluss können die besten Lösungen gemeinsam mit etablierten Akteuren die Wirkung skalieren und somit das gesellschaftliche Potenzial besser entfalten. Zudem wird durch die Zusammenarbeit die Innovationskompetenz etablierter Akteure gestärkt.

Wichtig ist, dass dies nicht von alleine passiert. Zukunftspolitik hat viele Parallelen mit meinen landwirtschaftlichen Wurzeln. Für beides gilt: Wir ernten, was wir säen.

In diesem Sinne: Lasst uns endlich mit dem nötigen Nachdruck an der Gestaltung einer enkeltauglichen Zukunft arbeiten!

Vielen Dank für das Gespräch!