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„Ein sehr gutes Gespür für zukünftige Chancen“: Christina Polleti von Cluno

Das Mobility-Startup Cluno gründeten Christina Polleti und ihr Mann Nico gemeinsam mit einem langjährigen Freund, Andreas Schuierer – nachdem sie ihre erste Teamgründung, Easyautosale, 2015 an Autoscout24 verkauft hatten. 2017 gegründet ist Cluno mittlerweile mit 36 Millionen US-Dollar finanziert.

Wir haben mit der Gründerin Christina Polleti gesprochen, um mehr zu erfahren über ihre Motivation, Vorurteile und widersprüchliche Erwartungshaltungen. Außerdem geht es um schnelle Exits, Ausbeutung und Komfortzonen.

Munich Startup: Was hat Dich zur Gründung motiviert?

Christina Polleti, Cluno: Freiheit und Unabhängigkeit sind meine großen Antreiber. Ich möchte selbst entscheiden können, an was ich mit wem arbeite. Zusätzlich hat mich immer der Wunsch getrieben, möglichst viele Erfahrungen möglichst früh zu machen, um mein restliches Leben aus diesem reichen Erfahrungsschatz schöpfen zu können. Ich finde, eine Erfahrung ist umso besser, je früher man sie macht. Für mich gibt es keine steilere Lernkurve als selbst ein Unternehmen zu gründen. Man ist in allen fachlichen und persönlichen Bereichen gefordert. Die Erfahrungen, die man macht und die Herausforderungen, die man meistert, zahlen auf Freiheit und Unabhängigkeit ein. Man weiß, man kommt mit allen Situationen und Aufgaben zurecht. Das ist die beste Freiheit überhaupt!

Christina Polleti: „Gründen ist etwas sehr Individuelles“

Munich Startup: Hattest Du Vorbilder beim Gründen?

Christina Polleti, Cluno: Nein, ich habe keine Vorbilder. Gründen ist aus meiner Sicht etwas sehr Individuelles, jeder hat seinen eigenen Weg. Ich habe mich dabei immer auf mich selbst konzentriert. 

Munich Startup: Wann und wo bekommst Du die besten Ideen?

Christina Polleti, Cluno: Im Austausch mit anderen, beim Joggen… Der Plan für Easyautosale entstand im Gespräch mit meinem Mann. Die Idee zu Cluno haben wir uns wieder ins Gedächtnis gerufen beim Austausch mit einem Münchner VC

Munich Startup: Dein größtes Talent?

Christina Polleti, Cluno: Trends und relevante Entwicklungen frühzeitig zu erkennen. In unserem Gründerteam bin ich diejenige, die viele kleine Mosaiksteinchen intuitiv zu einem Bild zusammensetzt und so ein sehr gutes Gespür für zukünftige Chancen aber auch Herausforderungen hat. Ich stoße früh Maßnahmen und Initiativen an, die sich später als wichtig erweisen. 

Fokus auf das, was beeinflussbar ist

Munich Startup: Der größte Irrtum, dem Du je unterlegen bist?

Christina Polleti, Cluno: Dass viel Kommunikation immer zu einer Lösung führt. Ich dachte, dass man nur lange genug reden muss, um das gleiche Verständnis von einem Thema zu haben, Missverständnisse zu beseitigen und einen gemeinsamen Weg zu finden. Ich musste lernen, dass jeder in seiner eigenen Wirklichkeit lebt, die genau so richtig oder falsch sein kann wie meine eigene. Deshalb geht es irgendwann trotz der besten Kommunikation nicht mehr weiter. Das war hart zu akzeptieren. Man muss den Dingen ihren Lauf lassen und sehen was kommt. Ich kämpfe keine Schlacht, die ich nicht gewinnen kann, sondern fokussiere mich auf das, was ich beeinflussen kann. 

Munich Startup: Deine Geheimwaffe beim Networking?

Christina Polleti, Cluno: Wahrscheinlich, dass ich Networking nie als entscheidend für mein Vorankommen angesehen habe. Networking um des Networking willen langweilt mich unglaublich. Das halte ich keine zehn Minuten aus. Ich glaube, diese Einstellung hilft mir, entspannt und offen mit Leuten ins Gespräch zu kommen, was dann erst zu einem wirklich ehrlichen, interessanten Austausch führt. 

Christina Polleti von Cluno.
„Ich kämpfe keine Schlacht, die ich nicht gewinnen kann“, sagt Christina Polleti von Cluno.

Widersprüchliche Erwartungshaltungen

Munich Startup: War es für Dich von Vorteil oder von Nachteil, eine Gründerin zu sein? Was war leichter, was war schwieriger?

Christina Polleti, Cluno: Sowohl als auch. Tendenziell würde ich aber sagen, dass es eine Gründerin schwerer hat. Die Erwartungshaltung an eine Frau ist sehr vielfältig und vor allem sehr widersprüchlich. Deshalb habe ich damit aufgehört, die Vorstellungen anderer erfüllen zu wollen oder mich an der Geschlechterfrage aufzureiben. Ich möchte meinen Weg gehen, das ist für mich das Wichtigste. Erfolg hat man, indem man ein tolles Produkt anbietet, das Kunden begeistert. Nicht, indem man Einzelnen gefällt. 

Munich Startup: Die drei übelsten Vorurteile, die Dir im Gründeralltag begegnet sind?

Christina Polleti, Cluno: Man gründe ein Unternehmen nur, um es erstens ganz schnell wieder zu verkaufen, um dann zweitens in der Sonne zu liegen.

Zu erstens: Ein Unternehmen aufzubauen, kann mühevoll und lang sein. Dazu braucht man eine ganz andere Motivation als Geld. Es ist schön, ein Unternehmen wachsen zu sehen und es beim Erwachsenwerden zu begleiten.

Zu zweitens: Ein echter Unternehmer wird seine größte Leidenschaft nicht einfach begraben. Ja, vielleicht liegt man in der Sonne, aber dann mit Laptop auf dem Schoß, um zu arbeiten.

Und noch ein drittes Vorurteil: In einem Startup werden Mitarbeiter bei Urlaub, Gehalt usw. ausgebeutet. Das kam von einem Familienmitglied, das nicht wusste, wie wir die Personalpolitik in unseren Firmen handhaben. Ich arbeite seit über zehn Jahren selbstständig in München. Die Gehälter und die Benefits sind seither stark gestiegen. Ein Startup kann es sich schlicht nicht mehr erlauben, unter Marktwert zu zahlen. Außerdem, ein Geschäftsmodell, das nur funktioniert, wenn Mitarbeiter sehr wenig verdienen oder unbezahlte Überstunden machen, ist nicht tragfähig. Diese Erkenntnis hatte ich bereits vor zehn Jahren. In diesem Fall sollte man ein anderes Geschäftsmodell wählen. 

Munich Startup: Was liegt auf Deinem Schreibtisch gerade ganz oben?

Christina Polleti, Cluno: Ich beschäftige mich aktuell viel mit der Weiterentwicklung des Preismodells von Cluno. Das ist spannend, weil es in gewisser Weise der Kern jeden Unternehmens ist. Welche Leistung bietet man zu welchem Preis? Die Frage muss natürlich so beantwortet werden, dass Pricing auf ganz wesentliche KPIs wie Growth, Retention, Marge, Unit Economics einzahlt. Super an diesem Thema: die crossfunktionale Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen Teams.

Munich Startup: Was wolltest Du den MünchnerInnen schon immer mal sagen?

Christina Polleti, Cluno: Die Stadt hat alles, was man braucht, um beruflich erfolgreich zu sein. Ob man selbst gründen oder für eine tolle Firma arbeiten möchte. Man hat alle Möglichkeiten.

Ich sehe oft, dass junge Menschen viel zu schnell die Komfortzone ansteuern und darin stecken bleiben. Und sich in gewisser Weise dem Luxus der Stadt hingeben. Sie ziehen die Handbremse, bevor sie wirklich am Gas waren. Schade – nutzt die Möglichkeiten der Stadt!