Die Convaise-Gründer Jakob von der Haar (CPO), Tushaar Bhatt (CEO) und Stefan Zitzlsperger (CTO) (v.l.)
Foto: Convaise

Convaise: Wenn der Chatbot den Gang zum Amt ersetzt

Messenger statt Warteschleife: Convaise unterstützt Unternehmen, Organisationen und die öffentliche Verwaltung dabei, ihre Kommunikation mit KundInnen und BürgerInnen auf ein Chat-basiertes System umzustellen. Statt mit Formularen oder am Telefon sollen mit Convaise auch komplexe Vorgänge in einem KI-unterstützten Messenger abgewickelt werden. Mitgründer und CEO Tushaar Bhatt erklärt im Interview, was sein Unternehmen leistet.

Munich Startup: Wer seid Ihr und was macht Ihr? Stellt Euch bitte kurz vor!

Tushaar Bhatt, Convaise: Convaise ist ein Software-Startup, das sich das Ziel gesetzt hat, die Kommunikation zwischen Organisationen in regulierten Märkten und ihren NutzerInnen so intuitiv und effizient wie möglich zu gestalten. Innerhalb der letzten 10 Jahre hat sich unsere Kommunikation von E-Mails, Anrufen und SMS zu Messenger-Diensten wie Whatsapp, Zoom und Slack verlagert. Doch bei der Kommunikation mit Unternehmen und Verwaltungen ist ein Großteil dieses Fortschritts noch nicht angekommen, da Formulare, Anrufe, Faxe und E-Mails hier noch dominieren. Wir haben es uns zur Mission gemacht, das zu ändern und die intuitivste und effektivste Art der Interaktion mit Organisationen zu schaffen, indem wir Verwaltungen und Unternehmen dabei helfen, analoge, komplexe und ineffiziente Kunden- und Bürgerinteraktionen in intuitive, effektive und chatbasierte Kundenerlebnisse zu verwandeln. Hierfür haben wir den No-Code Conversational Agent Builder „Convaise Studio“ gebaut, mit dem unsere Kunden Ihre Kundenerlebnisse designen und entwickeln können.

Unser Gründungsteam aus Jakob, Stefan und mir lernte sich während des Wirtschaftsinformatikstudiums an der Technischen Universität München kennen. Wir entwickelten im Rahmen des internationalen Innovationswettbewerbs Microsoft Imagine Cup einen Assistenten, der sozial Benachteiligte dabei unterstützt, einfach mit öffentlichen Einrichtungen und Institutionen wie Versicherungen oder Banken zu kommunizieren. Wir haben aber schnell verstanden, dass es effektiver ist, wenn die Verwaltungen, Versicherungen und Banken eine Lösung hätten, mit der sie in der Lage sind, selbst eigene Assistenten zu entwickeln, um Interaktionen zu vereinfachen – die Ursprungsidee von „Convaise Studio“. Wir haben alle einen akademischen und industriellen Hintergrund in dem Design und Entwicklung von Software- und AI-Lösungen in der Automobil-, Energie- und Versicherungswirtschaft und haben diverse Entrepreneurship-Programme wie Xpreneurs, Manage & More und den Insurtech Hub München durchlaufen.

Öffentliche Verwaltung kann 6 Milliarden Euro jährlich einsparen

Munich Startup: Welches Problem löst Euer Startup?

Tushaar Bhatt: Erinnern Sie sich an das letzte Mal zurück, als Sie Ihren Wohnsitz umgemeldet oder eine Zusatzversicherung bei Ihrer Versicherung gebucht haben. Wahrscheinlich mussten Sie dazu mehrere E-Mails schreiben, in Telefonwarteschleifen warten oder eine Unmenge an komplexen Formularen ausfüllen. Diese Interaktion ist nicht nur sehr komplex und frustrierend für uns als KundInnen oder BürgerInnen, sondern auch extrem ineffizient für diese Organisationen, da sie zu überlasteten MitarbeiterInnen und, durch viele manuelle, fehleranfällige Schritte, zu hohen Prozesskosten und ungenauen Daten führt. Dabei werden Milliarden an Geschäftspotenzial verschenkt. Allein die Digitalisierung der 35 wichtigsten Bürgerdienste in Deutschland würde dem Steuerzahler jährlich 6 Milliarden Euro einsparen. Stellen Sie sich vor, es wäre genauso einfach, Ihr Auto anzumelden, wie es ist, mit Ihren Freunden per Whatsapp zu verabreden – das machen wir!

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Tushaar Bhatt: Unsere Lösung fokussiert sich darauf, unseren Kunden dabei zu helfen komplexe, hochwertige Kundeninteraktionen zu transformieren. Durch unseren No-Code-Ansatz können unsere Kunden diese Transformation schnell und vollkommen eigenständig durchführen. Durch den Einsatz unserer Integrationsoptionen und Verwendung bestehender Kommunikationsartefakte für unsere NLP-Modelle ist das Abbilden einer solchen Kundeninteraktion deutlich schneller und einfacher als bei vergleichbaren Lösungen möglich. Darüber hinaus ist unsere Lösung auf die jeweiligen vorherrschenden rechtlichen Rahmenbedingungen optimiert. Beispielsweise auf das Online-Zugangsgesetz im öffentlichen Sektor.

Munich Startup: Was waren bisher Eure drei größten Herausforderungen?

Tushaar Bhatt: Wir merken immer wieder, dass es in großen Verwaltungen schwierig ist, alle relevanten AnsprechpartnerInnen, die die Themen rund um Digitalisierung und Bürgerservices verantworten, zu identifizieren. Das ist nicht trivial, denn wir möchten Verwaltung, Politik und IT-Stakeholder möglichst früh einbinden, um die besten Lösungen für BürgerInnen und die Verwaltung zu entwickeln. Ähnlich ist das auch in großen Unternehmen und deren Stakeholdern. Unsere zweite Herausforderung kam zu Beginn der Corona Pandemie. Hier haben wir uns schnell entschieden, Corona-spezifische Lösungen zu entwickeln, wodurch wir vor der Herausforderung standen, diese Lösungen in kürzester Zeit zu entwickeln und produktiv einzusetzen. Das ist uns gelungen und wir waren in der Lage, öffentlichen Einrichtungen, wie z.B. Gesundheitsämter unter anderem durch die automatische Kommunikation mit Verdachtsfällen und Personen in Quarantäne zu unterstützen. Zeitgleich ist das gesamte Team ins Homeoffice und wir haben unsere Zusammenarbeit zu 100 Prozent auf Remote umgestellt. Das war zunächst eine große Umstellung, aber nachdem wir die richtigen Tools und Methodiken für uns entdeckt haben, haben wir uns sehr gut darauf eingestellt.

Convaise: „Vieles von dem, was wir machen, wäre ohne das Ökosystem am Münchner Standort nicht möglich“

Munich Startup: Wie laufen die Geschäfte?

Tushaar Bhatt: Zu Beginn der Pandemie haben wir gemerkt, dass durch die allgemeine Unsicherheit Entscheidungen bei potenziellen Kunden in allen Sektoren aufgeschoben wurden. Das hat sich allerdings relativ schnell wieder verändert und wir konnten einen wesentlichen Shift feststellen, der in allen unserer Branchen ein signifikantes Momentum hin zur Digitalisierung aufgebaut hat, was natürlich auch vorteilhaft für uns ist, weil wir mit unserer Lösung genau dieses Momentum beschleunigen können, indem wir unseren Partnern und Kunden dabei helfen, ihre Bürger- und Kundeninteraktionen einfach und digital abzubilden.

Wir konnten mittlerweile bereits Verwaltungen im öffentlichen Sektor mit insgesamt über 2 Millionen EinwohnerInnen auf unsere Plattformen onboarden und über 100.000 Interaktionen über unsere Plattform und die damit verbundenen Assistenten abbilden. Unsere Unternehmenskunden sind vor allem Versicherungen und Service-Unternehmen.

Munich Startup: Wie schätzt Ihr den Startup-Standort München ein?

Tushaar Bhatt: Vieles von dem, was wir machen, wäre ohne das Ökosystem am Münchner Standort nicht möglich. Die Nähe zur Universität hat uns erlaubt, viele talentierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und die hier zugänglichen Entrepreneurship-Programme und Startup-Acceleratoren, vor allem von der UnternehmerTUM, wie zum Beispiel Xpreneurs oder Manage & More, der Insurtech Hub München und das Werk1, haben uns in verschiedenen Phasen unseres Unternehmens sehr stark begleitet und unterstützt. Vieles von dem, was wir hier mitgenommen haben, nutzen wir immer noch täglich. Die mit den Programmen verbundenen Netzwerke sind für uns von extrem hohem Wert und unentbehrlich. Neben den geschäftlichen Kontakten sind dadurch auch viele fantastische Freundschaften entstanden.

Munich Startup: Risiko oder Sicherheit?

Tushaar Bhatt: Kalkuliertes Risiko.