Die beiden Gründer von Protegg
Foto: Protegg

Protegg: Reststoffe in Rohstoffe transfomieren

Täglich fallen 12.000 Tonnen Reststoffe in der Eierproduktion an. Das Münchner Startup Protegg stellt sich der Herausforderung, diese Massenreststoffe in neue Rohstoffe zu verwandeln, ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Im Interview erklären uns die Gründer Markus Johanning und Fabian Hütter, was genau ihr Plan ist.

Munich Startup: Was macht Euer Startup? Welches Problem löst Ihr?

Protegg: Bei uns dreht sich alles um zwei Dinge: Grüne Innovation und Kreislauffähigkeit! Protegg beschäftigt sich mit der Transformation der ungenutzten Industriereststoffe Hühnereimembran und Hühnereischale in die neuartigen, standardisierten Rohstoffen ESM (Eggshell Membrane) und Calciumkarbonat/Kalk.

Protegg ist die erste Firma weltweit die aus ESM Bioplastiken herstellen kann. Diese können nicht nur erdölbasierten Kunststoff substituieren, sondern insbesondere als Trägermaterial für technische Anwendungen im Bereich Sensorik agieren. Mittels dieser besonderen Trägermaterialeigenschaften hat Protegg beispielsweise den weltweit ersten physischen DNA Token entwickelt.

Die einzigartigen Fähigkeiten der Patent Pending Protegg Bioplastik ermöglichen es, synthetische DNA mit definierter Information in dieses Bioplastik funktional zu integrieren. Es entsteht ein nicht fälschbarer DNA Token, der über 100 Jahre hinweg die in ihm abgelegte Informationen schützen, auslesbar halten und in beliebiger Form in Produkte jeglicher Art integrieren kann. Auch andere Sensoren befinden sich aktuell in der Entwicklung, vornehmlich im Bereich Wasseranalyse und Bodenanalyse.

Darüber hinaus bietet Protegg eine nachhaltige Alternative zu kommerziellem Kalk. Das von uns aus der Schale gewonnene biogene Calciumkarbonat kann in verschiedenen Bereichen wie Dünger, Füllstoff für Kunststoffe, Bauindustrie, Kosmetikindustrie und Lebensmittelindustrie eingesetzt werden.

Warum all das? Wir möchten investierte Energie wieder nutzbar machen, Reststoffe in hochwertige Rohstoffe transformieren und so das Thema Kreislauffähigkeit und Impact aktiv bewerben.

Reststoffe von Eiern bislang weitgehendst ungenutzt

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Protegg: Tatsächlich wird der Massenreststoff Eierschale und Eierschalenmembran derzeit nicht im Sinne der Kreislaufwirtschaft genutzt. Es wurde jedoch in einigen Forschungsarbeiten gezeigt, dass diese Reststoffe ein enormes Potenzial haben. Aktuell gibt es keine Unternehmungen, die diesen Massenreststoff global in standardisierte Rohstoffe umwandeln und innovative Produkte daraus herstellen. Und das obwohl Eier auf der ganzen Welt anfallen!

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?

Protegg: Das Projekt begann bereits im Jahr 2018. Einer der Gründer von Protegg, Fabian, identifizierte den ungenutzten Massenreststoff und begann zunächst mit ersten experimentellen Materialversuchen in seiner Küche. Sein Fokus lag hier insbesondere auf der Eierschalenmembran, ein hochinteressantes Proteingemisch mit einzigartigen Materialeigenschaften. Mit vielversprechenden Materialentwicklungen im Gepäck traf Fabian im Jahr 2020 auf Markus, den zweiten Gründer von Protegg. Die kreative und erfinderische Stärke von Fabian sowie die strategische und unternehmerische Stärke von Markus harmonierten von Anfang an und bilden heute das Fundament des Unternehmens.

Gemeinsam bauten Fabian und Markus ein starkes Netzwerk in allen relevanten Bereichen auf, gewannen ihren ersten Preis 2021 bei PlanB – Biobasiert in Straubing, begannen die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut IGB und gründeten schließlich im April 2022 die Protegg GmbH. Bereits heute steht die erste Pilotanlage bei unserem Partner aus der Eierverarbeitungsindustrie, in der der Reststoff in standardisierte Rohstoffe transformiert wird und diese für den Markt verfügbar macht.

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?

Protegg: Wir haben uns mit der Einführung neuer Rohstoffe in den Rohstoffmarkt eine sehr große Herausforderung geschaffen. ESM ist ein komplett neuer Rohstoff, das Bioplastik aus ESM eine Weltneuheit und es gilt, Stakeholder aus allen Lagern zunächst zum Ausprobieren und zum Einsatz neuartiger Rohstoffe und Applikationen zu überzeugen. Häufig haben sich, insbesondere bei Großunternehmen, Gewohnheiten und Marotten eingeschlichen, die keine optimale Grundlage für Innovations- und Technikoffenheit bildet. Wir arbeiten kontinuierlich daran, zu zeigen, dass unser Material und unsere Unternehmung technisch und strategisch mindestens mit dem Status Quo mithalten kann und freuen uns auf erste „mutige“ Stakeholder, die sich die tollen Vorteile neuer kreislauffähiger Materialien zu Nutze machen möchten.

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Protegg: In einem Jahr planen wir mit diversen Separationsanlagen in Deutschland und Mitteleuropa. Wir vertreiben den anfallenden biogenen Kalk an interessierte Unternehmen aus dem Bereich Füllstoffindustrie und Baustoffindustrie.
Unsere innovativen Produkte, wie der DNA Token für die Brand Protection, entwickeln wir mit einem oder mehreren Pilotpartnern anhand der unterschiedlich definierten Bedarfe der Unternehmen und vertreiben erste Kleinserien.

Auch unsere weiteren Sensoren, die aktuell 2023 entwickelt werden, finden bereits erste Einsatzorte und ermöglichen die Substitution von klassischem Plastik in der Sensorikindustrie.

Innerhalb von fünf Jahren streben wir an, unser entwickeltes Separationsverfahren in allen deutschen Eierverarbeitungsindustrien zu implementieren und in Europa weiter zu wachsen, um die ungenutzten Reststoffmengen in Deutschland  möglichst komplett zu erfassen. Nachdem wir unsere Separationstechnologie erfolgreich in Deutschland etabliert haben, ist der nächste logische Schritt für uns in Länder auch außerhalb Europas zu expandieren in denen die Reststoffmengen um ein Vielfaches höher sind.

Im Hinblick auf die Entwicklung von Produkten aus dem Rohstoff Eierschalenmembran möchten wir in fünf Jahren weitere nachhaltige Biosensoren auf dem Markt platzieren. Zusätzlich sollen die ersten Pilotkunden mit der neu entwickelten Lebensmittelverpackung aus Eierschalenmembran ausgestattet werden, um nicht nur innovative Produkte aus diesem Rohstoff auf den Markt zu bringen, sondern auch erdölbasierte Massenprodukte zu ersetzen.

Täglich 12.000 Tonnen Reststoffe, die umgewandelt werden können

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?

Protegg: Wir haben bisher in München tatsächlich relativ wenig erlebt, möchten uns aber zukünftig in lokale Projekte und Networking Events stärker einbringen. Seit geraumer Zeit sind wir gut in Netzwerke rund um den Biocampus in Straubing und das TGZ integriert. Straubing entwickelt sich seit einigen Jahren prächtig im Bereich Bioeconomy Startups. Vielleicht lassen sich die beiden Standorte zielführend verbinden, das wäre sicherlich ein Gewinn für alle Beteiligten.

Munich Startup: Hidden Champion oder Shooting Star?

Protegg: Hidden Champion! Unser Ziel ist es, den weltweit anfallenden Massenreststoff von Eierschalen und Eierschalenmembranen mithilfe unserer Technologie zu verwerten. Täglich werden weltweit 3,8 Milliarden Eier produziert, von denen 1,2 Milliarden industriell verarbeitet werden. Dies bedeutet, dass täglich 12.000 Tonnen Reststoffe anfallen. Die Umwandlung dieser Reststoffmenge in nutzbare Rohstoffe ist der Weg in eine ressourcenschonende Zukunft!

Regina Bruckschlögl

Nach eigenen Startup-Erfahrungen blickt sie als Redakteurin von Munich Startup nun aus einer anderen Perspektive auf die Münchner Startup-Szene – und entdeckt dabei jeden Tag, wie vielfältig das Münchner Ökosystem ist. Startup Stories, die erzählt werden wollen!

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