Das Team von Livair mit den Gründern Martin Waltl (ganz links im Bild) und Rudolf Waltl (4. von links)
Foto: Livair

Livair: Durchatmen in Innenräumen

Wie schädlich sind eigentlich die Gebäude, in denen wir uns täglich aufhalten? Diese Frage hat sich das Team von Livair gestellt und als Antwort darauf eine Software-Lösung zur Echtzeitüberwachung der Raumluftqualität entwickelt. Ihre Vision: Gesunde und gleichzeitig energieeffiziente Gebäude.

Munich Startup: Was macht Livair? Welches Problem löst Ihr?

Martin Waltl, Livair: Wir helfen dabei, Gebäude nachhaltiger, energieeffizienter und gesünder zu machen und schützen dabei gleichzeitig Klima und Mensch. Wir sind Spezialist für die Messung, Analyse und Lösung von Problemen der Raumluftqualität und dem Energieverbrauch in Gebäuden. Warum? Gebäude sind für 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, hauptsächlich durch den Betrieb von „unsmarten“ Heiz- und Lüftungssystemen mit fossilen Energieträgern, was unter anderem zu höheren Energiekosten führen kann. Unser Ziel, Gebäude in nachhaltige, CO2-arme Lebensräume zu verwandeln, hat direkte Auswirkungen auch auf die Gesundheit. Denn wir verbringen über 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen und die Raumluft ist bis zu fünfmal schadstoffbelasteter als die Atemluft draußen. Dies kann zu gesundheitlichen Problemen wie Atemwegserkrankungen, Allergien und sogar Alzheimer führen. Die steigende Bedeutung von Schadstoffen wie Radon verschärft die Situation weiter.

Unsere Hardware-Enabled SaaS-Lösung bietet Echtzeitüberwachung der Raumluft mit einem eigens entwickelten und patentierten Radonsensor sowie der Erfassung von insgesamt 13 Parametern. Somit liefern wir eine Art permanentes, großes Blutbild der Raumbedingungen – als Basis für die anstehende Therapie, die wir dem Gebäude empfehlen. Hier sprechen wir von direkten Empfehlungen, sowie die Möglichkeit durch unsere Daten eine direkte Steuerung der HLK-Anlagen einzuleiten.

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Martin Waltl, Livair: Der entscheidende Unterschied bei Livair liegt in seiner Exzellenz der Gesamtheit, denn wer unzureichend Sensorik einsetzt, erhält nur einen Ausschnitt des Gesamtbildes. Wird die schädlichste Raumluftkomponente Radon nicht miterfasst, ist unserem Gesundheitsschutz nicht Genüge getan.

Wir bieten starke Hardware und eine Echtzeitüberwachung mit leistungsstarker Software, die die Möglichkeit bietet, Heizungs-, Klima- und Lüftungsanlagen zu steuern. Diese Vielzahl an unterschiedlichen Daten müssen optisch so abgebildet werden, dass daraus resultierende Handlungsmöglichkeiten für den Kunden auf einen Blick erfassbar sind – unser Dashboard. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil unserer All-in-One Lösung ist unser eigens entwickelter und patentierter Radonsensor. Der Alpha-Sensor ist das Ergebnis langjähriger Entwicklung, in die neben neuester Technik auch das Wissen um die Defizite bisher vorhandener Radonsensorik eingeflossen ist. Somit trifft unser Livair One inklusive Alpha-Sensor auf einen Markt, der durch entsprechende Gesetzgebung (bundesweit geltender Referenzwert für Radon an Arbeitsplätzen) fruchtbaren Boden vorfindet. Insgesamt bieten wir unseren Kunden nicht nur einen innovativen und zuverlässigen Radonsensor, sondern eine umfassende Lösung, die ihnen dabei hilft, die Raumluftqualität zu optimieren, gesetzliche Vorgaben vorzubeugen und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu fördern.

Vom Radonsensor zur Software

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?

Martin Waltl, Livair: Alles begann vor circa zehn Jahren, als ich beim Bau meines Hauses feststellen musste, dass mein Grundstück radonbelastet war. Kenntnis von diesem gefährlichen, radioaktiven Edelgas hatte ich erlangt, weil in etwa zu diesem Zeitpunkt die EU mit einer Euratom-Richtlinie dem hohen Gesundheitsrisiko von Radon Rechnung trug und den Mitgliedsstaaten der EU-Radonschutzgesetze verordnete. Mein Co-Gründer und Bruder und ich, gehörten zu den ersten vom Landesamt für Umweltschutz in Augsburg ausgebildeten Radon-Spezialisten. Das war der Startschuss für die erste Firma, Radontec. Hier entstand dann durch jahrelange harte Arbeit der patentieret Alpha-Sensor. Diesem innovativen Sensor wurde durch einen European Innovation Council Grant besondere Aufmerksamkeit geschenkt und wir wurden eines von nur acht ausgewählten Startups, die eine Förderung in Millionenhöhe erhielten.

Doch bald erkannten wir, dass es viele weitere schädliche Stoffe gibt, von denen fast alle Menschen betroffen sind. Zusätzlich stellten wir fest, dass zahlreiche Unternehmen unter einem hohen, aber teilweise unnötigen Energieverbrauch litten. Als Antwort darauf gründeten wir als eigenes Spin-Off Livair, welches neben dem Radonsensor erweiterte Sensorik beinhaltet, sowie unsere Softwarekomponente, um alle schädlichen Stoffe in der Luft in Echtzeit zu messen, KI-basiert zu analysieren und Probleme der Raumluftqualität und dem Energieverbrauch durch automatische Empfehlungen und der Steuerung von Gebäudesystemen zu lösen. Unsere Vision: Gebäude klimafreundlicher machen. Energiekosten senken. Menschen in den Gebäuden vor schadstoffbelasteter Raumluft schützen. Radon-verursachten Lungenkrebs vermeiden.

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?

Martin Waltl, Livair: Eine der größten Herausforderungen, die wir während unserer Reise gemeistert haben, war zweifellos die Entwicklung des einzigartigen Radonsensors. Dieses Vorhaben hat viel Zeit und Engagement erfordert, aber es hat sich absolut gelohnt. Der Radonsensor ist eine Innovation, die es so noch nicht gab, und es hat uns sowohl technisch als auch emotional gefordert. Darüber hinaus stießen wir auf das fehlende Bewusstsein für die Themen Radon und Innenraumluftqualität, denn nur wenige Menschen sind sich der verbundenen Risiken und Auswirkungen bewusst. Es war eine spannende Aufgabe, das Bewusstsein für Radon und seine Bedeutung für die Innenraumluftqualität zu schärfen und die Relevanz zu vermitteln.

Diese Herausforderungen haben jedoch das gesamte Abenteuer noch spannender gemacht. Wir haben uns leidenschaftlich dafür eingesetzt, Hindernisse zu überwinden und innovative Lösungen für gesunde und energieeffiziente Gebäude zu entwickeln. Die Kombination aus technischen Durchbrüchen und der Mission, das Bewusstsein zu schärfen, macht unsere Reise zu einer spannenden Erfahrung.

Livair: Zentrale Anlaufstelle für nachhaltige und gesunde Gebäude

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Martin Waltl, Livair: In einem Jahr möchten wir eine starke Marktposition in der DACH-Region haben. Unser Erfolg beruht darauf, dass wir uns auf jede Art von Gebäuden spezialisiert haben und eine umfassende Lösung anbieten, die alle Aspekte abdeckt. Für die nächsten fünf Jahre ist es unser Ziel, unsere Präsenz in Europa weiter auszubauen und möglicherweise sogar in anderen Teilen der Welt vertreten zu sein. Wir wollen zur zentralen Anlaufstelle für Unternehmen werden, die nachhaltige und gesunde Gebäude anstreben. Mit unserer bewährten Technologie und unserem umfassenden Ansatz sind wir zuversichtlich, dass wir unseren Beitrag dazu leisten können, Gebäude weltweit gesünder, energieeffizienter und nachhaltiger zu gestalten.

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?

Martin Waltl, Livair: Der Austausch mit anderen Startups erweist sich als äußerst wertvoll und wird durch das MTZ gefördert, in dem wir beheimatet sind. Durch solche Plattformen hatten wir die Möglichkeit, viele wichtige Learnings zu sammeln und uns mit anderen innovativen Unternehmen auszutauschen. Ein Beispiel dafür war die Teilnahme an Messen wie der Bits & Pretzels Healthtech, bei der wir offiziell die Luftqualität messen konnten. Solche Veranstaltungen bieten uns die Gelegenheit, unsere Lösungen einem breiten Publikum zu präsentieren und wertvolle Kontakte zu knüpfen. Die Stadt München, in der wir ansässig sind, ermöglicht uns zudem Zugang zu talentierten Fachkräften durch die renommierten Universitäten der Stadt. Darüber hinaus bietet München ein lebendiges Gründer- und Investorennetzwerk, das uns wertvolle Ressourcen und Unterstützung zur Verfügung stellt. Diese Netzwerke ermöglichen es uns, unsere Vision in die Realität umzusetzen und unsere Lösungen für gesunde und energieeffiziente Gebäude weiter voranzubringen.

Munich Startup: Schneller Exit oder langer Atem?

Martin Waltl, Livair: Unser langfristiges Ziel – mit externen Investoren an Bord – ist ein Exit beziehungsweise in den kommenden drei bis fünf Jahren Exit-Ready zu sein. Allerdings ist es derzeit noch zu früh, konkret darüber nachzudenken, da wir uns aktuell darauf konzentrieren, unsere ehrgeizigen kurzfristigen Ziele zu erreichen. Der Markt bietet uns noch viele Möglichkeiten und wir sehen großes Potenzial für eine schnelle Skalierung, angetrieben durch die hohe Nachfrage. Wir sind entschlossen, unsere Vision voranzutreiben und haben noch viel vor. Unsere bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass wir einen langen Atem haben und die Herausforderungen mit unserer vorherigen Gründung erfolgreich gemeistert haben. Wir sind bereit, diese Erfahrungen und unser Engagement zu nutzen, um unsere Mission weiter nach vorne zu bringen und das volle Potenzial unserer Lösungen im Markt zu entfalten.