Die Suitcase-Gründer (v. l. n. r.): Philipp Hertel, Tim Fischer und Tim Kniepkamp
Foto: Suitcase

Suitcase: Rechtsstreit leicht gemacht

Mit ihrer Online-Plattform für Streitbeilegung bietet Suitcase Konfliktparteien die Möglichkeit, sich schnell und unkompliziert außergerichtlich zu einigen. Langfristig soll sich die digitale Schlichtungsstelle des Startups als echte Alternative zu langwierigen Gerichtsprozessen etablieren. Warum das notwendig ist, wie das Projekt zustande kam und weshalb München für sie der ideale Standort ist, hat uns einer der Gründer erzählt.

Munich Startup: Was genau macht Suitcase? Welches Problem löst Ihr?

Tim Kniepkamp, Suitcase: Suitcase bietet ein neutrales Forum, um Rechtsstreitigkeiten in wenigen Tagen einvernehmlich zu lösen. Wir sind eine digitale Schlichtungsstelle mit einem innovativen Verfahren, um die Konfliktpartner zusammenzubringen. Aktuell fokussieren wir uns auf Konflikte nach Job-Kündigung und Rückzahlung der Mietkaution.

Unser Ziel ist, eine echte Alternative zu den Gerichten aufzubauen. Ein klassisches Verfahren vor Gericht entspricht nicht den Bedürfnissen der Menschen. Es dauert zu lang. Es ist zu teuer. Und es ist so komplex, dass man ohne Rechtsbeistand nicht weiß, ob man Recht hat.

Das deckt sich auch mit den Erkenntnissen verschiedener Studien. Im Vergleich zu 1995 sehen wir 59 Prozent weniger Klagen vor den Arbeitsgerichten. Gleichzeitig dauern die Verfahren länger. Und die Bevölkerung nimmt es ähnlich wahr: 82 Prozent halten die Verfahren für zu lang und 77 Prozent die Gerichte für überlastet. Bis 2030 wird sich dieses Problem verschärfen: Wir werden jeden vierten Richter bundesweit pensionieren.

Munich Startup: Gibt es das nicht schon längst?

Tim Kniepkamp, Suitcase: Nein. Und das hat uns auch etwas überrascht. Wir wissen, dass ein paar Berliner GründerInnen es Anfang der 2000er Jahre versucht haben. Sie waren ihrer Zeit wohl voraus. Dahinter liegt natürlich eine andere Frage: „Wer ist der Wettbewerb?“. Und Wettbewerb ist jeder, der dasselbe Problem löst – egal wie. So betrachtet sind die Gerichte genauso wie tech-affine Kanzleien unsere Wettbewerber.

Suitcase startete als Projekt neben der Uni

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?

Tim Kniepkamp, Suitcase: Tim und ich kennen uns seit 2018 über einen studentischen Wettbewerb für Juristen. Wir nahmen für unterschiedliche Universitäten daran teil und wurden Freunde. Im Sommer 2020 besuchte uns ein brasilianischer Freund und berichtete von einem digitalen Gerichtsverfahren auf dem Handy. So kam die Frage auf, ob das auch in Deutschland geht. Nachdem wir uns ein juristisches Konzept überlegt hatten, holten wir Philipp an Bord.

Suitcase war anfangs ein Projekt neben der Universität. Anfang 2024 stiegen wir in Vollzeit ein und zogen für Xpreneurs nach München. Wir lebten in einer Gründer-WG am Rosenheimer Platz. Im Sommer beschlossen wir, das Unternehmen in München aufzubauen, und bezogen ein Büro im Werk1 am Ostbahnhof.

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?

Tim Kniepkamp, Suitcase: Anfangs haderten wir damit, wie wir ein tragfähiges Geschäftsmodell aufbauen können. Die erste Produktidee – ein digitales Schiedsgerichtsverfahren für B2B-Streitigkeiten – war juristisch und technisch machbar. Sie war aber wirtschaftlich nicht tragfähig. Als wir uns auf unser aktuelles Produkt verständigt hatten, mussten wir uns zwischen B2B und B2C entscheiden. B2C schien uns reizvoll, wäre aber mit hohen Marketingkosten verbunden, die wir an die EndkundInnen hätten durchreichen müssen. So wäre der Zugang zum Recht nicht besser geworden. B2B war unattraktiv, weil es zu wenig geeignete Konflikte gibt. So wurde es am Ende B2B2C: Wir vertreiben das Produkt an RechtsanwältInnen und Rechtsschutzversicherer. Die NutzerInnen der Plattform sind jedoch häufig Privatpersonen.

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Tim Kniepkamp, Suitcase: Unsere Vision für das Jahr 2030 lautet, in sechs Ländern Europas vertreten zu sein. So wird es möglich sein, jährlich über 300.000 Rechtsstreitigkeiten zu administrieren.

Bodenständig mit hoher Lebensqualität

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?

Tim Kniepkamp, Suitcase: Sehr positiv. Das war der Grund für den Umzug von Berlin nach München. Während es in Berlin sehr hip ist, sind die Gründer hier bodenständiger. Es geht weniger um die krasse Außenwirkung, sondern starke Umsätze. Das zeigen Unicorns wie Celonis, die die breite Öffentlichkeit (bewusst) nicht kennt. Auch die Lebensqualität ist in München hoch: Wir gehen viel an den Wochenenden Wandern oder nehmen den Nachtzug nach Italien.

Munich Startup: Hidden Champion oder Shooting Star?

Tim Kniepkamp, Suitcase: Hidden Champion. Das passt besser zu unserem Image als eine neutrale Plattform. Wir wollen nicht das große Licht der Scheinwerfer, sondern Menschen dabei helfen, ihre Konflikte schnell zu lösen. Wir wollen also nur so bekannt sein, dass die Menschen uns vertrauen.