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Deutsche Großunternehmen fürchten Digitalisierung

Die Mehrzahl der deutschen Großunternehmen sieht sich laut einer aktuellen Studie noch nicht gut für die digitale Transformation gerüstet. Auch der Digitalstandort Deutschland kommt bei den Befragten nicht gut weg.

Bei den großen Fischen besteht beim Thema Digitalisierung offenbar auch großer Nachholbedarf: Jedes zweite Großunternehmen in Deutschland erwartet starke Auswirkungen der Digitalisierung auf die eigene Branche  — doch nur 42 Prozent sehen sich bereits gut vorbereitet. 55 Prozent erwarten, dass sie ihre bestehenden Geschäftsmodelle digitalisieren müssen, ein gutes Viertel will neue und genuin digitale Geschäftsmodelle aufbauen. Die Zahlen stammen aus einer Umfrage der GfK unter 2.000 Unternehmen mit mehr als 250 Millionen Euro Jahresumsatz im Auftrag des Beratungsunternehmens Etventure.

Der mangelnden Vorbereitung zum Trotz sind die befragten Firmen von digitaler Panik offenbar weit entfernt: Jedes zweite Unternehmen erwartet Effekte der Digitalisierung frühestens in drei Jahren, 59 Prozent würden bis dahin keine Umsatzeinbußen erwarten, selbst wenn sie jetzt nichts unternähmen.

Der Auftraggeber der Studie Etventure, der Unternehmen beim digitalen Wandel berät und Startups aufbaut, sieht das naturgemäß kritisch. Gründer und Geschäftsführer Philipp Depiereux sagt:

„Wer nur den Fokus auf das bestehende Geschäft legt oder gar nur die IT optimiert, gefährdet die eigene wirtschaftliche Zukunft und Arbeitsplätze. Es geht darum, neue digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln, die dem technologischen Wandel ebenso wie den sich verändernden Kundenbedürfnissen gerecht werden.“

Kaum Angst vor Tech-Firmen und Startups

Ein anderes Ergebnis weist womöglich auf eine Fehleinschätzung der etablierten Unternehmen hin: Nur 7 Prozent nehmen Startups als Wettbewerber ernst, 22 Prozent fürchten die Konkurrenz von Tech-Konzernen wie Google oder Amazon. Depiereux verweist auf frühere Beispiele wie Netflix, Uber und Airbnb, die ganze Branchen innerhalb relativ kurzer Zeit umkrempelten und prophezeit:

„Was bislang vor allem die B2C-Branche erfahren musste, droht auch anderen, klassischen Industrien. Die Traditionsunternehmen aus dem B2B-Bereich müssen sich die Erfolgsrezepte der digitalen Player — Schnelligkeit, Daten-Kompetenz und kundenzentrierte Methodik — zu eigen machen, wenn sie nicht Stück für Stück vom Markt verdrängt werden und die Schnittstelle zum Kunden verlieren wollen.“

Externe Digitaleinheit bieten geschützten Raum

Zumindest ist das Thema Digitalisierung offenbar in den Chefetagen angekommen: In zwei Drittel aller befragten Unternehmen steuert der CEO oder ein anderer Vorstand deren Umsetzung selbst.  Jede siebte Firma beschäftigt einen Chief Digital Officer (CDO). Eine externe Digitaleinheit unterhalten 8 Prozent der Unternehmen. Depiereux sagt:

„Um die Bewahrungskräfte im Unternehmen zu umgehen, empfehlen wir die Gründung einer Digital-Einheit außerhalb der Kernorganisation. Dort können Innovations- und Digitalprojekte unabhängig von der Unternehmens-Bürokratie, von Compliance-Bedenken, juristischen Fragen und ähnlichen Hindernissen entwickelt werden. In diesem ‚geschützten Raum‘ kann dann auch eine neue Herangehensweise — weg von einer ingenieursgetriebenen Entwicklung, hin zu einem schnellen und radikal nutzerzentrierten Vorgehen — konsequent verfolgt werden.“

Note 3- für den digitalen Wirtschaftsstandort Deutschland

Mit dem digitalen Standort Deutschland gehen die Befragten hart ins Gericht und vergeben im Durchschnitt die Schulnote 3,3. Nur jedes fünfte Unternehmen benotet mit einer 1 oder 2, ein Viertel gibt eine 4 und 13 Prozent sogar eine 5. Großen Nachholbedarf sehen die befragten Unternehmen vor allem beim Breitbandausbau, digitaler Schulbildung, bei der Digitalisierung der Verwaltung und der Förderung und Entwicklung digitaler Schlüsseltechnologien.