© DLR / Marcel Soppa

Exomatter: Die Plattform für Materialeigenschaften

Die Suche nach neuen Materialien gestaltet sich für R&D-Abteilungen schwierig, denn zu oft sind sie noch auf die Trial-and-Error-Methode im Labor angewiesen. Mit Hilfe von Computersimulationen will das Münchner Startup Exomatter dies ändern. Im Interview beantwortet das Gründungsteam unsere Fragen.

Munich Startup: Was macht Euer Startup? Welches Problem löst Ihr?

Exomatter: Neue Materialien zu finden, zum Beispiel für Batterien in E-Autos oder effiziente Solarzellen auf dem Dach, ist sehr aufwändig. Meist werden viele Kandidaten im Labor durchprobiert, bis man Monate oder Jahre später ein gutes Ergebnis hat. Wir wollen das ändern. Dafür nutzen wir Daten aus Computersimulationen, um schneller bessere und nachhaltigere Materialien zu finden.

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Exomatter: Ja, aber es gibt riesige Einstiegshürden für aktuelle Lösungen. Für die Simulation von Materialien braucht man quantenchemische Rechnungen, und die allermeisten Unternehmen in unserer Zielgruppe haben dafür keine passenden Fachkräfte, weil es sich auch nicht lohnen würde, selbst diese Kompetenzen aufzubauen. Wir machen den ganzen Prozess so einfach wie möglich. Unsere Kunden müssen uns nur sagen, welche Anforderungen sie an das Material haben, und unsere Plattform stellt dann die passenden Daten zur Verfügung.

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory?

Exomatter: Wir drei sind ein sehr komplementäres Team mit Wissenschafts- und Business-Hintergrund. Josua und Friedemann kennen sich aus der Promotion am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, und Barbara haben die beiden aktiv gesucht und gefunden. Zwei von uns haben bereits in B2B-Softwarestartups gearbeitet und einer hat einen starken Nachhaltigkeits-Hintergrund und viel mit dem Weltklimarat zu tun.

Von Berkeley über Helmholtz-Enterprise zur UnternehmerTUM

Die ersten Ideen und die Technologie gehen zurück auf Josua, der in seiner Promotion Materialien finden sollte zur Nutzung von Solarenergie. Er dachte sich, dass das doch einfacher gehen müsste, als jahrelang alle Materialkandidaten mühselig im Labor zu testen. Also hat er sich mit ExpertInnen in Kalifornien am National Lab in Berkeley zusammen getan und dort drei Monate gearbeitet. Am Ende Stand der allererste Prototyp einer Materialdatenplattform, mit der er in kürzester Zeit neue Materialien für seine Doktorarbeit gefunden hat. Sie sind noch heute die vielversprechendsten Kandidaten für die Anwendung. 2020 hat Josua die Idee wieder aufgegriffen und 2021 unser erstes Produkt entwickelt, später auch mit Unterstützung des Ausgründungsprogramms Helmholtz-Enterprise am DLR. 2022 haben wir dann unser Unternehmen gegründet und finanzieren uns derzeit durch Kundenaufträge und Fördermittel und haben es in Programme der UnternehmerTUM geschafft. Zuerst waren wir bei Xpreneurs, seit Anfang des Jahres sind wir bei Techfounders.

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen?

Exomatter: Eine große Herausforderung war es, diese Idee aus der Wissenschaft in ein Produkt zu übersetzen, das Kunden in Unternehmen einen echten Mehrwert bringt. Also der Übergang von der akademischen Welt in die Wirtschaft. Das haben wir inzwischen ganz gut gemeistert, indem wir sehr viele Gespräche geführt haben und in Pilotprojekten viel gelernt haben.

Ein anderer wichtiger Punkt ist der Teamaufbau. Wie gesagt sind wir ein sehr komplementäres Team und bringen damit unterschiedliche Charaktere zusammen. Das macht uns stärker und vielfältiger, aber hat vor allem in der Anfangszeit durchaus zu Konflikten geführt, die wir allesamt konstruktiv lösen konnten.

Exomatter will ein End-to-End-Management des R&D-Prozesses ermöglichen

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren?

Exomatter: In einem Jahr werden wir einige oft nachgefragte Features auf unserer Plattform implementiert haben. Der wichtigste Punkt dabei ist es, dass Kunden weitgehend ohne unsere Unterstützung Daten auf unserer Plattform abrufen können. Für die Kunden ist das ein riesiger Vorteil, da sie uns nicht mehr für jedes Projekt einzeln beauftragen müssen, sondern eine Jahresgebühr bezahlen und in der Zeit an mehreren Themen parallel oder nacheinander arbeiten können. Und falls es doch mal kompliziert wird, sind wir im Hintergrund da. Auch die Art der Daten, die dort verfügbar sein werden, wird vielfältiger sein, vor allem zum Thema Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit der Materialien.

Wir möchten als Unternehmen an unseren Standorten München und Köln wachsen und ein spannendes Technologieunternehmen in der Region werden. In fünf Jahren werden wir uns, wenn alles gut geht, in unserem Marktsegment der Materials Informatics als namhafter Player in Europa und Nordamerika etabliert haben. Unsere Plattform ermöglicht dann ein End-to-End-Management des R&D-Prozesses, Integration mit anderen Enterprise-Softwareplattformen und eine breite Community auch aus akademischen Nutzern. Außerdem haben wir einige spannende Ideen, was die weitere Nutzung von KI-Algorithmen angeht, die wir an dieser Stelle noch nicht verraten können.

„Was noch besser werden könnte wäre die Offenheit von Unternehmen“

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt?

Exomatter: Super interessant. Es gibt hier ein Netzwerk aus GründerInnen, InvestorInnen und MentorInnen, das es im B2B-Bereich sonst nirgends in Deutschland gibt. Extrem hilfreich war dabei vor allem die Unterstützung durch UnternehmerTUM und deren Incubator Xpreneurs, an dem wir teilgenommen haben. Wir drei haben alle noch nie ein Unternehmen gegründet, da ist es extrem wichtig, sich ein Netzwerk aufzubauen und von anderen zu lernen. Aber auch Coworking-Spaces wie das Werk1 und das Munich Urban Colab waren sehr hilfreich, um trotz hohem Remote-Anteil ein physisches Zuhause zu finden und sich persönlich austauschen zu können.

Was noch besser werden könnte wäre die Offenheit von Unternehmen in der Region gegenüber neuen digitalen Ansätzen. Es gibt da an vielen Stellen den Willen, etwas voranzubringen, aber oft verliert man sich dann in Konzernstrukturen und etablierten Prozessen, die man schwer durchbrechen kann.

Außerdem ist es schwer, MitarbeiterInnen im IT-Bereich zu finden, die auch hier vor Ort sind und einen neuen Job suchen. Wir könnten sofort Leute remote auf der ganzen Welt einstellen, aber uns ist die Mischung aus persönlicher Zusammenarbeit und Nähe mit flexibler Remote-Arbeit sehr wichtig. Wenn ihr jemanden kennt, schreibt uns sehr gerne.

Munich Startup: Hidden Champion oder Shooting Star?

Exomatter: Gerade eher noch Hidden Champion, dadurch dass wir noch ein kleines Team sind und uns bisher ohne externes Kapital finanzieren. Wir sind aber gerade in Gesprächen zu unserer ersten Finanzierungsrunde, womit wir zumindest ein großes Potential zum Shooting Star haben. Es ist gerade eine sehr spannende Zeit, die sehr viel Spaß macht und man darf gespannt sein, wohin uns diese Reise führt.

Maximilian Feigl

Maximilian Feigl berichtet seit 2020 über das Münchner Startup Ökosystem. Dabei haben es dem studierten Politikwissenschaftler vor allem Deeptech-Themen angetan.

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