Die Münchner Delegation zu Besuch bei Yazamut 360°.
© Wirtschaftsförderung der Stadt München

Das Startup-Ökosystem von Be’er Sheva unter der Lupe

Seit Sommer 2021 hat München eine neue Partnerstadt: Be’er Sheva in Israel. Als Teil einer kleinen Delegation unter Leitung des Referats für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München konnten wir uns ein Bild des dortigen Startup-Ökosystems machen. Dabei hat uns nicht nur der israelische Gründerspirit begeistert.

Be’er Sheva zählt mit rund 220.000 EinwohnerInnen und 30.000 StudentInnen zu den größten und am schnellsten wachsenden Städten Israels. Zudem gilt die Stadt am nördlichen Rand der Negev-Wüste als „Cyber-Hauptstadt“ des Landes. Denn hier ist mit der Ben-Gurion-Universität des Negev nicht nur eine der besten Universitäten des Landes (und Partneruniversität der Universität der Bundeswehr München) zu finden – auch die israelischen Streitkräfte sind hier mit ihrer Cyber-Unit C4i und einer entsprechenden Fachschule für Informatik vor Ort. Außerdem hat Israels Cyber Emergency Response Team (CERT) seinen Hauptsitz in Be’er Sheva, ebenso wie die vom Israel National Cyber Directorate initiierte Cyber Innovation Community Cyber7. Und zahlreiche Unternehmen wie IBM, Oracle und die Deutsche Telekom unterhalten in der Stadt ebenfalls Büros.

Damit hat das Startup-Ökosystem in Be’er Sheva ganz ähnliche Voraussetzungen wie das in München, nur der Fokus ist ein anderer. Während im Voralpenland die Ingenieurskünste dominieren, dreht sich in der Negev vieles um das Thema Cyber. Im Detail läuft in Be’er Sheva allerdings so manches etwas anders als man es in der Landeshauptstadt vielleicht gewöhnt ist.

Entrepreneurship an der Ben-Gurion-Universität

Dies zeigt sich unter anderem bei Yazamut 360°, dem vor vier Jahren ins Leben gerufenem Entrepreneurship Center der Ben-Gurion-Universität. Denn das Center ist – für eine universitäre Institution eher ungewöhnlich – nicht nur für Studenten und Forschende offen, sondern bietet seine Leistungen allen Bürgern der Stadt und des Süd-Distrikts Israels an. Dabei geht es Yazamut 360° allerdings in erster Linie nicht darum, möglichst viele Startup-Gründungen zu ermöglichen. Stattdessen sieht das Center seinen Auftrag darin, den StudentInnen Entrepreneurship als weiteren Baustein ihrer Bildung näherzubringen.

Yazamut 360° besteht dabei aus mehreren Einheiten. Hinter Cactus Capital etwa verbirgt sich ein von der Universität finanzierter VC. Das Besondere dabei: die Investitionsentscheidungen treffen hier die Studenten. Hierfür hat Cactus Capital einen ausführlichen Lehrplan entwickelt, der den Studenten alles Wesentliche beibringt. Zudem können sie von den älteren Semestern lernen und mit Fachleuten und Führungskräften in Kontakt treten. Investiert hat Cactus Capital bereits in 67 GründerInnen bzw. 27 Startups.

Mit Oazis verfügt Yazamut 360° zudem über einen Accelerator, der ForscherInnen dabei helfen soll, ihre Forschungsergebnisse in ein Startup zu überführen. In den zwei Jahren seiner bisherigen Existenz hat Oazis 24 Startups hervorgebracht, 12 von ihnen konnten Finanzierungsrunden mit einer Höhe von insgesamt 17 Millionen Dollar abschließen. Einen ersten Exit gibt es unter den Oazis-Startups ebenfalls. Und mit dem Leaders-Programm unterstützt das Entrepreneurship Center der Ben-Gurion-Universität StudentInnen dabei, praktische Erfahrungen zu machen, professionelle Netzwerke aufzubauen und sich in dem Bereich Führung fortzubilden.

Die Tech-Community Tech7

Die 2015 gegründete Tech-Community Tech7 dürfte auch hier Manchen ein Begriff sein – schließlich organisiert sie zusammen mit dem SCE den Bavaria Israel Partnership Accelerator BIPA. Dass sie ihren Sitz ebenfalls Be’er Sheva hat, ist im Münchner Ökosystem aber wahrscheinlich weniger bekannt. Als Community wird Tech7 von verschiedenen Seiten unterstützt. Unternehmen wie EMC, Wix, Wework, und Cyberspark stehen ebenso dahinter wie akademische Einrichtungen wie die Ben-Gurion-Universität und das Shamoon College of Engineering. Außerdem steht Tech7 im engen Austausch mit anderen technologischen Gemeinschaften wie etwa der Google Developers Group (GDG) und Shecodes. Die Führung der Tech-Community liegt dabei aber in privater Hand.

Zu den Angeboten von Tech7 zählen – neben zwei Accelerator-Programmen für Early- und Seed-Stage-Startups – die Vernetzung von GründerInnen mit der Industrie, verschiedene Entrepreneurship-Programme für Jugendliche und das Gate7-Programm, bei dem maßgeschneiderte Lösungen für die Herausforderungen globaler Unternehmen entwickelt werden. Und die Cyber Innovation Community Cyber7 wird ebenfalls von Tech7 geleitet. Zudem will das Venture Studio in Zukunft auch Venture Capital und Büroräume sowie Coworking anbieten.

Technologie für die Wüste vor Be’er Sheva

Neben den zahlreichen Cyberaktivitäten gibt es aber natürlich auch andere Industrien, in denen sich GründerInnen in Be’er Sheva hervortun. Einige von ihnen sind in der Organisation Desertech zusammengefasst. Desertech ist eine von sechs nationalen Innovation Communities in Israel, sie konzentriert sich auf die Entwicklung, Anpassung und Vermarktung von Technologien, die ein nachhaltiges Leben in ariden Klimazonen ermöglichen. Mit der Negev-Wüste vor der Haustüre ist Be’er Sheva natürlich der ideale Standort für diese Innovationsgemeinschaft. Die Startups, die Teil von Desertech sind, kommen aus Bereichen wie Landwirtschaft, Energie- und Wasserversorgung oder Infrastruktur.