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Spacige Ideen – Nachgefragt beim… DLR Technologiemarketing

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist in Deutschland an 16 Standorten mit einem Etat von 888 Millionen Euro (Stand 2015) vertreten. Oberpfaffenhofen, ein paar Kilometer westlich von München, gehört mit rund 1800 Mitarbeitern und 12 wissenschaftlichen Einrichtungen und Instituten zu einem der größten Forschungszentren in Deutschland – und zu einem der gründungsintensivsten Standorte.

Das Aufgabengebiet des DLR ist sehr groß: Erde und Sonnensystem erforschen, Wissen für den Erhalt der Umwelt zur Verfügung stellen und umweltverträgliche Technologien für Luftfahrt, Energieversorgung, Mobilität, Kommunikation und Sicherheit entwickeln.

Application readiness: Das DLR will Technologien zur Marktreife und zur Anwendung bringen

Ein weiteres Ziel ist es, die Technologien, die im DLR erforscht werden, in den Markt zu bringen. Entweder durch Spin-offs, also Ausgründungen, oder durch Kooperationen und Technologietransfer an bestehende Unternehmen. Dafür wurde 1995 die Abteilung Technologiemarketing als Kontaktpunkt für technologiebasierte Unternehmensgründungen geschaffen.Robert_Klarner_Foto_08

Von der Ideenphase bis zur Markteintrittsphase professionell betreut, gab es in Oberpfaffenhofen bereits über 15 Ausgründungen, die mit ihren zunächst im DLR entwickelten Technologien nun mit ihren Produkten am Markt sind. Wir haben mit dem Verantwortlichen des Technologiemarketings beim DLR in Oberpfaffenhofen, Robert Klarner, gesprochen.

Zum Einstieg erklärt Klarner:

„Unsere oberste Prämisse ist es, Technologien in kommerzielle Nutzung und in die breite Anwendung zu bringen. Die Kernaktivität, um dieses Ziel zu erreichen, ist – neben Lizenzverträgen, Schutzrechten und Ideengenerierung – Startup-Gründungen zu unterstützen.“

Ein zentrales Vehikel dabei ist der Helmholtz-Enterprise Fonds, über den das Forschungs-und Entwicklungszentrum bis 130.000 Euro zur Vorbereitung der Ausgründung erhält.

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Auch die Roboterhand der Wessling Robotics GmbH ist in einem DLR Spin-off entstanden und wurde kürzlich mit dem Manfred-Fuchs-Preis ausgezeichnet. (© Wessling Robotics GmbH)

Generell ist die europäische Herangehensweise beim Technologietransfer dabei eine andere als beispielsweise in den USA. Was dort über Investoren mit viel Geld läuft, entwickelt sich hierzulande über Forschungseinrichtung und mit institutionellen bzw. öffentlichen Playern und Entwicklern.

„Dass der Staat und die Gesellschaft hier Geld investieren in Grundlagen- und Angewandte Forschung, die dann den Firmen und letztlich der Wettbewerbsfähigkeit hierzulande zu Gute kommen — damit heben wir uns in Europa ab“,

so Klarner.

100% Konzentration aufs Business

Wie aber dient der Fonds den Gründern konkret? Der Spin-off Experte resümiert:

„Das ist eine Steilvorlage für angehende Gründer, damit sie sich detailliert mit der Gründung befassen und diese durchdenken. Vor allem wird ihnen dadurch Zeit gegeben, ihre Chancen sozusagen vorzuoptimieren.“

Rund zehn Monate können die Gründer ihren Businessplan feinjustieren, das Geschäftsmodell genauer definieren, Markteintrittsstrategien planen. Während der Vorbereitungszeit sind die Personalkosten über den Fonds gedeckt. Und dann geht es daran, sich in der freien Wirtschaft durchzusetzen und zahlende Kunden zu finden.

Das DLR unterstützt also bei der Vorbereitung, danach sind die Gründer jedoch auf sich gestellt. Klarner beschreibt es so:

„Wir sind gemeinnützig, aber nicht wohltätig. Was wir nicht machen: Bestehende Firmen subventionieren. Allein schon aus dem Wettbewerbsrecht heraus dürfen wir das nicht. Ab der Gründung werden die Spin-offs so behandelt wie jedes andere Unternehmen, sie müssen sich am Markt etablieren. Das müssen sie selbst schaffen.“

Mut zur Nische

Das „typische Spin-off“ des DLR begründet sich auf einer einzelnen Technologie des Forschungszentrums. Diese „Single Product Entreprises“ erwerben zu marktüblichen Konditionen die Lizenz an einer DLR-Technologie. Oft besetzen sie damit eine Nische im Wettbewerb. Charakteristische Kunden kommen aus der Industrie und sind damit Business Customer ganz unterschiedlicher Branchen.

Der größte Vorteil? Es handelt sich bei der Technologie meist um die eigene Idee. Die Gründer haben die Technologie oft mitentwickelt und patentiert, sie beherrschen die Thematik und verfügen über das Umsetzungs- und Implementierungswissen. „Nicht nur das Know-how, sondern auch das ‚Do-how‘-Wissen liegt bei den Gründern,“ so Klarner. Und natürlich bringen sie viel Leidenschaft und Hartnäckigkeit mit, mit der sie erst die Forschung, und dann die Gründung vorantreiben.

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„Space Justin“ kann im Weltraum oder aber  für Inspektion oder Wartung von schwer zugänglichen oder gefährlichen Industrieanlagen eingesetzt werden. (© DLR (CC-BY 3.0)

Neben diesen beiden Eigenschaften sind laut Klarner zwei weitere Punkte wichtig: lernbereit und nicht immer perfekt sein wollen. Also schnell auf den Markt gehen, ausprobieren, engen Kontakt mit der Zielgruppe pflegen und bei Bedarf das Produkt entsprechend anpassen. Wichtig und wertvoll ist es zu wissen, wie Nutzer das Produkt einsetzen wollen.

Mit diesen Eigenschaften und einer spannenden Technologie behaupten sich bereits zahlreiche Spin-offs des DLR erfolgreich am Markt. So gründete sich aus einem Forschungsprojekt zur „Laser Communication“ und schnellen und abhörsicheren Kommunikation die ViaLight Communications GmbH mit heute über 30 Mitarbeitern und einer Dependance in den USA.

Und aus der Forschung zum Auswerten von Echtzeit-Satelliten- und Wetterradardaten mittels eines intelligenten Algorithmus entstand ein neues System zur kurzfristigen Gewitter-Vorhersage speziell für den Flugverkehr, das nun die Firma WxFUSION GmbH anbietet.

Das Entrepreneurship-Gen

Beim DLR wird jedoch niemand zum Gründen gedrängt. Klarner meint:

„Die Gründungsbereitschaft muss von den Forschern selbst kommen. Wenn der Entwickler für sein Produkt eine Chance und sich selbst als Entrepreneur und Macher sieht – dann wird das ein Spin-off. Deswegen schauen wir uns vorher an, ob jemand das ‚Entrepreneurship Gen‘ hat und wie das Team aufgestellt ist.“

Bei den Realisierungschancen spielen außerdem Marktattraktivität, Alleinstellungsmerkmal und Stärke der Technologie eine große Rolle.

Was aber macht DLR-Spin-offs so besonders? Die Firmen betreiben aktiv Technologietransfer hin zu neuen Anwendungsgebieten. Was genau das heißt, wollen wir von Herrn Klarner wissen:

„Besonders spannend wird es, wenn ich Robotik-Technologien aus der Raumfahrt beispielsweise in der Medizintechnologie nutze. Oder Satellitendaten in intelligente Verkehrssysteme transferiere und dann auch hier Nutzen stifte und Märkte erschließe.“

Ein gutes Beispiel hierfür ist tacterion, die eine Sensor-Technologie beim DLR lizenziert haben und diese nun von der Space-Robotik in verschiedenste „irdische“ Anwendungen in der Industrie bringen wollen. Das Startup erhielt erst kürzlich ein Millionen-Investment.

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Satellitenkommunikation ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt des DLR. (© DLR (CC-BY 3.0)

Aber nicht nur mit eigenen Ausgründungen kooperiert das DLR. Das DLR als Gesellschafter und speziell Robert Klarner als Mitglied des Evaluierungs-Boards bei ESA BIC Bavaria vernetzt auch Startups außerhalb des DLR mit Experten der hauseigenen Institute zusammen, und sondiert mit den Gründern die gemeinsamen Möglichkeiten.

Der beste Tipp für Startups

Auf die Frage nach seinem ultimativen Rat für Startups sagt Klarner:

„Überlege Dir als Gründer genau: Würdest Du Dein eigenes Produkt kaufen? Und wenn nicht: Warum nicht? Und dann solltest Du systematisch die Gründe, die gegebenenfalls gegen das Produkt sprechen, aus dem Weg räumen und nicht fünfmal gegen die gleiche Wand fahren.“

Auch dieser Tipp ist anwendbar auf viele Branchen, nicht nur auf spacige Ideen aus der Luft-  und Raumfahrt.