Die Gründer von Twinu: Alexis Gamboa, Plamen Petrov und Christian Adler (v. l. n. r.)
Foto: Twinu

Twinu: Kreislauffähigkeit messbar machen

Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft ist eine zentrale Herausforderung für Unternehmen aller Branchen. Twinu unterstützt diese dabei, die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu bestimmen und zu verbessern. Im Interview verrät das Münchner Startup, was genau hinter ihrer Technologie steckt.

Munich Startup: Was macht Twinu? Welches Problem löst Ihr? 

Christian Adler, Twinu: Wir helfen Herstellern und Marken physischer Produkte, die Transformation von der linearen hin zu einer zirkulären Wirtschaft erfolgreich zu bewältigen. Mit unserer Software-Lösung können Unternehmen die Kreislauffähigkeit ihrer Produkte messen und gezielt verbessern. Gemeint ist, wie lange und gut sie ihre Produkte im Kreislauf halten können (auch über mehrere Nutzer hinweg) bevor sie letztendlich eingesammelt und recycelt werden. Denn je länger ein Produkt und von je mehr Menschen es genutzt wird, desto besser für die Umwelt. Hierzu gehört auch Transparenz über wichtige Produkt-Materialien und Eigenschaften, sodass Produkte nachhaltiger genutzt, repariert und Wertstoffe wiederverwendet werden können. Immer mehr Unternehmen haben das erkannt und suchen entsprechende digitale Lösungen. Hinzu kommt eine EU-Regulierung aus dem ‚Green Deal‘, die genau diese Verbesserungen fördern soll: der Digitale Produktpass. Er wird über die nächsten Jahre für fast jede Produktart verpflichtend.

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst! 

Christian Adler, Twinu: Leider nein, sonst wäre unsere Welt schon zirkulärer und wir würden nicht so viele Gesprächsanfragen von Unternehmen erhalten, die händeringend Lösungen für die Kreislaufwirtschaft suchen. Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft ist die größte Transformation, die unsere Wirtschaft vermutlich bisher jemals durchlaufen ist. Über Jahrtausende hinweg und bis heute haben wir Menschen „linear“ gewirtschaftet, in dem wir Bodenschätze geschürft, Produkte hergestellt, diese (meistens zu kurz) genutzt und am Ende entsorgt (meist verbrannt oder in Halden abgeworfen) haben. Dies muss sich ändern, wenn wir unser Klima schützen wollen. Denn ungefähr die Hälfte des CO2 entfällt auf die Herstellung und den Konsum von physischen Produkten.

Positiver Impact der Digitalen Zwillinge

Munich Startup: Was ist Eure Gründungsstory? 

Christian Adler, Twinu: Wir sind drei Gründer und Digital-Experten, die sich bereits seit vielen Jahren kennen, teils aus Jobs in der Beratung, teils aus dem universitären Umfeld (CDTM). Basierend auf unserer beruflichen Erfahrung beschlossen wir, die Nutzung Digitaler Zwillinge auf Einsatzzwecke jenseits der Entwicklung und Produktion in Unternehmen auszuweiten. Hierfür haben wir eine einzigartige Technologie entwickelt und ein Patent eingereicht sowie parallel die zahlreichen möglichen Anwendungsfälle mit Kunden und Unternehmen getestet. Schnell wurde klar, dass unsere Digitalen Zwillingen ihren größten „Impact“ für Menschen, Umwelt, Unternehmen und auch unser Startup in der Kreislaufwirtschaft haben.

Munich Startup: Was waren bisher Eure größten Herausforderungen? 

Christian Adler, Twinu: Unsere Technologie und Lösung basiert vor allem auf Digitalen Zwillingen und KI und ist sehr flexibel einsetzbar. Man kann damit viele Probleme in vielen Industrien lösen. Als Startup muss man aber schnell seine Nische mit der größten Wirkung fokussieren. Das klingt in der Theorie immer einfacher als es in der Praxis ist, wenn weiterhin Anfragen für andere Problemfelder aus diversen Industrien eintreffen und man auch mal „Nein“ sagen muss. Aber wir haben es erfolgreich geschafft und unseren „Circularity-Sweetspot“ klar definiert und fokussiert.

Munich Startup: Wo möchtet Ihr in einem Jahr stehen, wo in fünf Jahren? 

Christian Adler, Twinu: In einem Jahr haben wir unsere aktuellen Projekte in unseren Fokus-Branchen, vor allem Elektronik-Produkte, Möbel und Textilien erfolgreich ausgerollt. Zusätzlich werden wir unsere begonnene Zertifizierung bezüglich unserer eigenen sozialen und ökologischen Auswirkungen abgeschlossen haben. In fünf Jahren sehen wir uns als der führende Anbieter für Digitale Produktpässe und Digitale Produktzwillinge, welche physische Produkte nicht nur nachhaltiger, sondern auch funktional besser machen.

Guter Mix aus Wissenschaft, Wirtschaft und Startup-Ökosystem

Munich Startup: Wie habt Ihr den Startup-Standort München bisher erlebt? 

Christian Adler, Twinu: München bietet mit seinen Universitäten, dem CDTM, der UnternehmerTUM und vielen weiteren Institutionen und starken Unternehmen einen sehr guten Mix aus Wissenschaft, Wirtschaft und Startup-Ökosystem. Auch bezüglich unseres Kernthemas „Circularity“ passiert in München immer mehr, zum Beispiel im Rahmen der Circular Republic. Auch von der Landeshauptstadt München erhalten wir als Startup viel Unterstützung in Form der zahlreichen Startup-Angebote, aber auch durch das Net-Zero-Ziel der Stadt München für 2035, welches die Notwendigkeit unserer Lösung für Kreislauffähigkeit von Produkten sowie vieler anderer Vorhaben im Raum München unterstreicht.

Munich Startup: Risiko oder Sicherheit? 

Christian Adler, Twinu: Definitiv Risiko! Startup gibt es nicht ohne Risiko. Sonst ist es kein Startup und man schafft nichts wirklich Neues. Oder um es mit den Worten eines ehemaligen amerikanischen Rennfahrers zu sagen: „If you are not scared, then you are not driving fast enough.“