CQSE – Software verstehen und zukunftsfähig machen

Das Münchner Startup CQSE hilft Unternehmen dabei, ihre Software für die weitere Digitalisierung der Wirtschaft zukunftsfähig  zu machen. Die vier Gründer haben damit 2009 einen Trend für sich entdeckt. Denn immer mehr große und kleine Unternehmen merken, dass ihre Software nicht mehr zeitgemäß ist. Und greifen daher auf die Expertise des expandierenden Jungunternehmens zurück. Wie läuft es bei CQSE? Und welche Management-Tipps hat der CEO für andere schnell wachsende Startups?

Wenn Unternehmen ihre Software verändern und neue Funktionen einbauen wollen, besteht das Risiko, dass zukünftige Versionen der Software nicht mehr so funktionieren wie zuvor. Das stellt Firmen vor diverse Herausforderungen.

Software verstehen und zukunftsfähig machen statt ärgerliche bis fatale Folgen

Ärgerlich ist es beispielsweise, wenn ein Versicherungsunternehmen seine Software updatet — und auf einmal nicht mehr der korrekte Beitrag berechnet werden kann. Oder wenn ein Automobilhersteller sein Steuerungssystem für Bremsprozesse verändern möchte — und im schlimmsten Fall das Auto nicht mehr bremst. Die Beispiele ziehen sich quer durch alle Branchen, denn fast überall spielt Software eine entscheidende Rolle und will vergleichbar mit einer Maschine regelmäßig gewartet werden.

Die vier Gründer von CQSE.
Die vier Gründer von CQSE.

Um ihre eigene Software zu verstehen und selber warten zu können, gehen viele Unternehmen proaktiv auf CQSE zu. Hier ist der Name Programm. Denn CQSE bedeutet ‚continuous quality in software engineering‘ und genau das bieten die Münchner mit Hilfe ihrer Analysewerkzeuge und ihres Expertenblicks. Dr. Martin Felkas, Dr. Elmar Jürgens, Dr. Benjamin Hummel und Dr. Florian Deißenböck gründeten gemeinsam im Jahr 2011 das Unternehmen.

Schlaues Draufschauen durch Experten

Wir haben mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Dr. Deißenböck gesprochen und ihn gefragt, wie sein Unternehmen arbeitet. Zwei Dinge seien wichtig: In der Bewertung des Softwaresystems hinsichtlich Zukunftsfähigkeit kommen sowohl Analysewerkzeuge, Stichwort „Algorithmen“, zum Einsatz. Aber auch die manuelle Betrachtung, also das — wie er es nennt — schlaue Draufschauen von Experten. Er erklärt:

„Die Kombination ist wichtig, weil Algorithmen allein können nicht die Fragestellungen der Kunden umfassend beantworten.  Ein wichtiger Punkt für die Zukunftsfähigkeit eines Softwaresystems ist nämlich: wie gut ist das dokumentiert? Also wie gut kann der nächste nachvollziehen, was das System tut. Das kann der Algorithmus nicht entscheiden. Dafür brauche ich einen Menschen. Aber wir selber fassen die Softwaresysteme unserer Kunden nicht an. Wir beheben Mängel nicht selbst, sondern machen — auch kontinuierlich — konkrete Verbesserungsvorschläge.“

Schließlich zählt die Objektivität bei der Betrachtung. Auch beim schlauen Draufschauen. Auffallend: Auf der CQSE Team-Webseite sieht man so viele Doktoren-Titel wie selten außerhalb des Gesundheitswesens. Das ist kein Zufall, denn  das Unternehmen ist als Spin-off der TU München  aus dem Informatiklehrstuhl von Professor Broy heraus von Promovierenden  gegründet worden.

Ein besonderer Recruiting-Prozess

Aber dort endete es nicht. Dr. Deißenböck erzählt:

„Wir haben das im Recruiting-Prozess so gestaltet, dass wir neben Leuten, die direkt aus ihrem Masterstudium kommen, immer wieder ausgezeichnete Experten aus dem Umfeld ‚abgreifen‘, die ihre Promotion in dem Bereich angefertigt haben. Um dieses tiefgehende Know-how in der Analyse solcher Fragestellungen bei uns in der Firma zu konzentrieren. Tatsächlich ist es so — da bin ich sehr stolz drauf –, dass wir eine geballte Konzentration von Kompetenz haben, die auch als solche wahrgenommen wird. Und das nicht nur bei unseren Kunden, sondern auch im wissenschaftlichen Bereich.“

Dr. Florian Deißenböck, Gründer sowie geschäftsführender Gesellschafter von CQSE
Dr. Florian Deißenböck, Gründer sowie geschäftsführender Gesellschafter von CQSE.

Diese spezielle Expertise ist ein Alleinstellungsmerkmal des Unternehmens — oder wie schätzt der Gründer selbst den Wettbewerb ein?

„Mit diesem scharfen Fokus auf Zukunftsfähigkeit von Softwaresystemen sind wir tatsächlich bisher in Deutschland die einzigen. Das heißt natürlich nicht, dass die großen Unternehmensberater das einem nicht anbieten. Aber eine Firma, die explizit auf diese Fragestellung ausgerichtet ist — da gibts in Deutschland keine andere.“

Aktuell hat das Unternehmen 30 Mitarbeiter, Tendenz steigend.  30% bis 40% Wachstum konnte CQSE in den letzten Jahren vorweisen. Im Gründerzentrum gate war das Startup daher bislang optimal aufgehoben, wo sonst kann man von 40 auf 400 qm wachsen. Die Prognosen sind weiterhin optimal, daher hat sich das Startup nun nach einer neuen Heimat umgesehen. Ende 2018 zieht das Unternehmen in ein eigenes Bürogebäude in Freiham im Münchner Westen.

Finanzierung durch Bootstrapping

Finanziert hat sich das Startup bislang selbst. Abgesehen von zwei Forschungsförderprojekten gab es keine externen Gelder. Da CQSE anfangs als reines Beratergeschäft startete, konnten die Gründer relativ problemlos bootstrappen. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekte verschafften Freiheit. Außerdem ermöglichten es die Projekte, für die ‚Werkzeug-Herstellung‘, also die Entwicklung von Methoden und Algorithmen für eine bessere Softwarequalität, eine gute Basis zu schaffen. Dr. Deißenböck sagt:

„Wir haben aber gleichzeitig auch kein exponentielles Wachstum hingelegt, sondern sind eher organisch gewachsen. Natürlich hätten wir mit fremdem Geld ganz andere Dinge angehen können. Da haben wir uns bewusst dagegen entschieden. Wir wollten immer die eigenen Herren bei uns im Haus sein und wollen das auch zukünftig bleiben.“

Als aktuell herausforderndste Frage bezeichnet der Firmengründer den guten Match zwischen Auftragslage und Anzahl der verfügbaren Mitarbeiter bzw. das Anwerben von guten Mitarbeitern. Und das obwohl CQSE gleich zwei erfolgreiche Personal-„Pipelines“ hat: Das frühe Einbinden von TU-Studenten inklusive Betreuung der Abschlussarbeiten zum einen. Und die gute Vernetzung im akademischen Umfeld mit Promotionskandidaten zum anderen.

Tipps für schnell wachsende Unternehmen

Wir wollten wissen: Gibt es einen Fehler, von dem die Gründer unglaublich viel gelernt haben?

„Hm.“

Nachdenkliches Schweigen.

„Das ist kein gutes Zeichen, wenn man die Fehler nicht so parat hat.“

Aber dann plaudert er aus dem Nähkästchen:

„Für uns ein ganz wichtiges Thema ist die Gleichbehandlung von allen Mitarbeitern. Was ich rückblickend sehr zäh fand, waren ab einem gewissen Zeitpunkt die Gehaltsverhandlungen. Daher haben wir vor einiger Zeit ein sehr transparentes und für alle Mitarbeiter nachvollziehbares Gehaltsmodell eingeführt. Damit wir nicht mehr mit jedem einzelnen Bewerber oder bestehenden Mitarbeitern diskutieren müssen. Aber die Einführung des neuen Modells war langwierig, weil wir die existierenden Verträge unter einen Hut bekommen mussten.“

Daher rät der CEO anderen wachsenden Unternehmen, sich sehr früh mit der Fragestellung zu beschäftigen, wie man denn das Gehaltsmodell strukturieren möchte. So dass alle sich wohlfühlen und man wenig Zeit mit individuellen Diskussionen verbringt. Und damit das Unternehmen mehr Zeit fürs Kerngeschäft hat.

Glücklich oder nicht? – „Absolutes Erfolgsrezept“

Wichtig für CSQE ist außerdem das offene Feedback der eigenen Mitarbeiter. Aus diesem Grund haben sich quartalsweise geführte Mitarbeitergespräche bewährt.  Am Anfang eher zufällig so eingeführt, würde der Gründer das immer wieder so machen.

„Einmal im Quartal bringen wir die Mitarbeiter  dazu, sich zu überlegen, ob sie glücklich sind oder nicht. Und die Punkte, wo sie unglücklich sind, sollen sie verlässlich vorlegen. Das würde ich als absolutes Erfolgsrezept bezeichnen.“

„Nicht verrückt machen lassen“

Auf die Frage nach dem besten Rat für andere Gründer antwortet Dr. Deißenböck:

„Ich würde primär den Rat geben, sich von der ganzen Hektik zum Thema Startups und all den Beratungsangeboten, die es gibt und all den Dingen, die man tun soll, nicht verrückt machen zu lassen. Sondern sich darauf zu konzentrieren was man wirklich kann und ob man dafür einen Kunden findet. Und wenn man das mit ‚Ja‘ beantworten kann, dann geht man ganz entspannt in die Zukunft.“