Das HTGF-Team, hier am Hauptsitz in Bonn.

„Unsere Leidenschaft ist High-Tech“ – ein Interview mit dem Frühphaseninvestor HTGF

Der High-Tech Gründerfonds – auch bekannt als HTGF – ist ein deutscher Wagniskapitalgeber für Startups, die zwar schon einen Proof-of-Concept haben, aber noch sehr am Anfang stehen. 2005 wurde der HTGF als öffentlich-private Partnerschaft von Bundeswirtschaftsministerium und KfW mit mehreren Industrieunternehmen ins Leben gerufen. Der ursprünglich in Bonn angesiedelte Seed-Investor ist seit Anfang 2020 auch mit einer eigenen Repräsentanz in München vertreten.

Insgesamt kann der HTGF fast 600 Investments und mehr als 100 Exits und zwei IPOs verbuchen. Einige erfolgreiche Münchner Startups, in die der HTGF kürzlich investiert hat, sind Iatros, Tangany oder Uniki. Wir haben mit Marco Winzer gesprochen, der in München das Gesicht des HTGF ist.

Munich Startup: Stellt Euch bitte kurz vor!

Marco Winzer: Der HTGF ist Seed-Investor für innovative Technologien und Geschäftsmodelle, primär in Deutschland, aber auch in Europa. Mit über 900 Millionen Euro under management unterstützen wir erfolgreich die besten GründerInnen, deren Ideen ganze Industrien revolutionieren können und das Leben der Menschen verbessern. Von der Gründung bis zum Exit. Klassischerweise investieren wir 500.000 Euro bis 700.000 Euro in der ersten Finanzierungsrunde, entweder in Form von Eigenkapital oder mit wandelbaren Darlehen (convertible loan). Wir können alleiniger Investor sein, bevorzugen aber Finanzierungen mit anderen frühphasigen Investoren. Insgesamt können wir über alle Finanzierungsrunden hinweg 3 Millionen Euro in ein Startup investieren.

Ideen, die ganze Industrien revolutionieren können

htgf marco winzer
Marco Winzer, HTGF-Partner, ist das Münchner Gesicht des Wagniskapitalgebers und unser Interviewpartner.

Die von uns finanzierten Startups werden Teil der ‚HTGF-Family‚ — einem der stärksten Netzwerke im High-Tech-Venture-Bereich, aus dem heraus wir mit Expertenwissen Wachstum, Kundenakquise, Hiring, Co-Investments und Folgefinanzierungen aktiv unterstützen.

Munich Startup: In was investiert Ihr bevorzugt?

Marco Winzer: Unsere Leidenschaft ist High-Tech. Wir investieren in Startups in den Bereichen Digitale Geschäftsmodelle, Industrial-Tech, Life Sciences, Chemie und angrenzende Geschäftsfelder. Die GründerInnen sollten absolut innovative Technologien, Lösungen und Geschäftsmodelle entwickeln. Wir investieren sehr früh — ein Proof-of-Concept sollte vorhanden sein –, was auch heißt, dass die Gründerteams oft noch nicht komplett sind. Gemeinsam mit den GründerInnen betreiben wir dann das entsprechende Team-and Company-Building. Wir helfen also dabei, noch fehlende Kompetenzen im Team zu besetzen.

Munich Startup: In welche Art von Startup würdet Ihr nie investieren?

Marco Winzer: Wir investieren unter anderem nicht in folgende Branchen: Rüstung, Alkohol, Tabak oder Glücksspiel — alles, was ethisch und moralisch für uns nicht vertretbar ist oder nicht nachhaltig ist. Ebensowenig erhalten reine ‚me-too‘-Geschäftsmodelle oder ‚Copy-Cats‘ von uns eine Finanzierung. Insgesamt hat der Nachhaltigkeitsaspekt eine sehr hohe Bedeutung gewonnen.

HTGF: „Wir sind nicht die besseren GründerInnen“

Munich Startup: Müssen Startups bei Euch Angst haben, dass Ihr Euch zu stark einmischt?

Marco Winzer: Nein. Wir wissen, dass wir nicht die „besseren GründerInnen“ sind. Wir verstehen uns als Sparring-Partner. Ein Partner, mit dem man die Business-Entwicklung bespricht, mit dem Strategien entwickelt, von dem man sich Ratschläge und Kontakte und gewinnbringende Vernetzungen einholt. Nach der Seed-Finanzierung sollten die Interessen von GründerInnenn und HTGF gleichgerichtet sein: nämlich die Wertsteigerung des Unternehmens.

Operativ lebt es sich so, dass der HTGF ein monatliches Reporting erhält und es regelmäßigen Austausch zwischen dem bei uns zuständigen Investment-Manager und den Teams gibt; außerdem Gesellschafterversammlungen etc.. Bestimmte Geschäfte, die außerhalb des verabschiedeten Businessplans liegen, müssen sich die Geschäftsführer von allen Investoren genehmigen lassen, das ist VC-typisch. Außerdem ist es so, dass der HTGF nie mehr als 25% der GmbH-Anteile erwirbt. Das Gründerteam sitzt immer im ‚Driverseat‘.

HTGF Team Winzer
Ein Teil des HTGF-Teams bei der Eröffnungsfeier des Münchner Büros im Mindspace am Stachus.

Munich Startup: Wie lang braucht es von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Vertragsabschluss?

Marco Winzer: Unser Rekord liegt bei 28 Tagen. Das ist aber die absolute Ausnahme. In der Regel sollten sich die Startups auf einen Zeitraum von drei bis fünf Monaten einstellen.

Erfolgsfaktoren für Startups

Munich Startup: Um erfolgreich zu sein, muss ein Startup…

Marco Winzer: … ein signifikantes Problem lösen. Der wichtigste Erfolgsfaktor ist jedoch das Gründerteam bzw. die Geschäftsführung! Unser Slogan lautet deshalb auch ‚We invest in people‘. Agil, dynamisch, problemlösend, professionell, vorausschauend muss das Team sein! Und bereit, Strategie und Taktik zu ändern, wenn das nötig ist. Die Gründer müssen also eine hohe Reaktivität auf Änderungen der Rahmen- und Marktbedingungen zeigen, und bereit dafür sein, auch schwierige Situationen zu meistern. Gleichzeitig sollten sie eine Vision haben. Und natürlich einen großen dynamischen Markt ansprechen, bei dem sie frühzeitig — aber auch regelmäßig — den Product-Market-Fit überprüfen. Adressiert das Produkt oder die Dienstleistung die Kundenbedürfnisse? Das ist der wichtige Erfolgsfaktor Kunde.

Streitigkeiten im Gründerteam — für den HTGF ein k.o.-Kriterium

Munich Startup: Nennt uns das k.o.-Kriterium beim Pitch!

Marco Winzer: Das oberste Ziel in einem Pitch ist für mich, Vertrauen zueinander zu schaffen. Dabei ist mir ein ehrlicher, transparenter und offener Umgang miteinander wichtig. Das beinhaltet auch, gegebenenfalls Schwächen oder nicht gelöste Punkte offen anzusprechen. Die Knock-out-Kriterien wären demnach: Unwahrheiten, Over-Selling und Arroganz, genauso wie Streitigkeiten im Gründerteam. Bedenklich ist es außerdem, wenn die Gründer ihre eigenen Zahlen, die Unit Economics, nicht kennen.

Munich Startup: Bei was habt Ihr Euch schon mal ordentlich verkalkuliert?

Marco Winzer: Das kommt vor… und das kennt jeder Frühphasen-Investor: die technologische Entwicklung klappt nicht wie geplant. Ich gebe mal das bildliche Beispiel im Pharmazie-Bereich: ‚Die Maus stirbt bei den Toxizitäts-Studien‘ — und die gesamte Wirkstoffentwicklung wird gestoppt. Dann ist das gesamte Seed-Invest des HTGF wertlos. Oder regulatorische Voraussetzungen können nicht adressiert werden.

Ein großer Faktor bei gescheiterten Startups ist jedoch das Team: Kommt es hier zu Streitigkeiten, Abkapselungen, etc., dann führt es oft dazu, dass der Businessplan nicht weiterverfolgt und zum Scheitern verurteilt wird.

Munich Startup: Der Trend des Jahres ist…

Marco Winzer: Aktuell im Trend sind Lösungen, um die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft zu bewältigen. Dazu zählen nicht nur die Entwicklung von Impfstoffen und Therapeutika, sondern auch digitale Lösungen zum Beispiel im Bereich der Hygiene und Ausstattung von Krankenhäusern. Alle Technologie-Felder sind aufgefordert, hier mitzuarbeiten.

Früher Support für starke Teams

Munich Startup: Was macht die Münchner Startup-Szene aus Eurer Sicht richtig?

Marco Winzer: München hat hervorragende wissenschaftliche Institutionen — wie die Unis, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, etc. — die einen frühzeitigen Fokus auf die Kommerzialisierung der Ergebnisse legen. Das wird unterstützt durch eine gute und fundierte Landschaft an Techtransfer-Stellen und Inkubatoren. Gleichzeitig gibt es einen frühen Support für starke Teams aus den Universitäten. Und nicht zuletzt zeichnet die Münchner Szene eine gute Zusammenarbeit zwischen Industrie, Startups und Wissenschaft aus.

Munich Startup: Last but not least: Auf wen gehen Startups zu, wenn sie mit Euch ins Gespräch kommen wollen?

Marco Winzer: Prinzipiell kann man auf jeden HTGF’ler zugehen. Wir sind persönlich auf vielen Startup-Veranstaltungen in München präsent — einfach auf uns zukommen. Wenn man uns sein Pitchdeck zusenden möchte, haben wir direkt branchenspezifische AnsprechpartnerInnen: Für Industrial Tech Fabian Hogrebe, für Life Sciences Julia Seliger, für Digitale Geschäftsmodelle Christian Berbig und für Chemie-Startups Marie Asano.

Munich Startup: Vielen Dank!