Die Ocell-Gründer Felix Horvat, Christian Decher und David Dohmen (v.l.)
Foto: Ocell

Ocell: „Google Maps und Asana Projektmanagement für den Wald“

Ocell unterstützt die Forstwirtschaft mit einem Analyseverfahren, das Fernerkundung und künstliche Intelligenz verbindet. Über seine ‚Dynamic Forest‘-App liefert das Startup Waldmanagern eine Datengrundlage, um Management-Entscheidungen zu treffen und die Abläufe in der Forstwirtschaft zu verbessern. Die drei Gründer berichten im Interview über ihr Startup.

Munich Startup: Wer seid Ihr und was macht Ihr? Stellt Euch bitte kurz vor!

Ocell: Wir sind Christian Decher, 29, Studium der Luft und Raumfahrttechnik, David Dohmen, 31, Studium der Elektro- und Informationstechnik und Felix Horvat, 31, der Mechatronik und Robotik studiert hat. Felix und David waren mehrjährige Kollegen bei einem anderen Münchner Startup (Bragi). Christian und David kennen sich aus dem gemeinsamen Freundeskreis. Wir haben zusammengefunden, weil wir alle gemeinsam etwas aufbauen wollten, das sinnstiftend ist, Effizienzen schafft und es uns ermöglicht, unsere gelernten Skills bestmöglich auf die Straße zu bringen.

„Pen & Paper, Fax und Telefon sind die Standardtools der Forstwirtschaft“

Munich Startup: Welches Problem löst Euer Startup?

Ocell: Die Forstwirtschaft hat mit vielen Problemen zu kämpfen. Der Wald leidet unter dem Klimawandel, die Kosten für die Bewirtschaftung sind hoch und es gibt Nachwuchsmangel. Die bestehenden Tools der Branche sind veraltet, ineffizient und undigitalisiert.

Im Tagesgeschäft der Forstwirtschaft geht daher viel Energie, Zeit und Geld verloren, weil wichtige Informationen entweder gar nicht oder nur in schlechter/veralteter Form vorliegen. Außerdem fließen die Informationen zwischen Forstmanagern, Förstern, Waldarbeitern, externen Dienstleistern und Holzkäufern nicht effizient. Pen & Paper, Fax und Telefon sind die Standardtools und diese sind völlig ungeeignet, um ortsbezogene Informationen, wie Bestands-Parameter, Forstschäden oder geplante Maßnahmen zu vermitteln. Der Ocell-Weg den Forst zu digitalisieren basiert auf drei Säulen:

  • Die Erhebung und Nutzbarmachung hochqualitativer Daten wie etwa unsere eigenen Luftbilder sowie vielfältige Datenquellen vom Boden / aus dem Wald.
  • KI-Analysen und statistische Auswertungen, um die wichtigsten Informationen eines Waldes zu extrahieren. Hierbei wird jeder einzelne Baum von unseren Computer-Vision-Systemen erkannt und klassifiziert. Baumhöhen werden exakt vermessen und Holzvolumina sowie gebundenes CO2 berechnet.
  • Die Dynamic Forest App, welche sämtlichen Stakeholdern im Wald alle Informationen zugänglich und nutzbar macht, um das Tagesgeschäft effizienter und zielgerichteter zu machen. Diese App kann man sich vorstellen, wie eine Mischung aus Google Maps für den Wald und Asana Projektmanagement für den Wald. Selbstverständlich ist alles über die Cloud synchronisiert und läuft mit hohem Fokus auf UX sowohl auf Android, iOS als auch auf dem Desktop Rechner im Büro des Forstmanagers. Unsere Vision für Dynamic Forest ist es, das Standard-Betriebssystem des digitalen und nachhaltigen Forsts zu werden. Dabei etablieren wir gerade Schnittstellen die für unsere Kunden wichtig sind. Warenwirtschaftssysteme, Forstämter und Oberfinanzdirektionen, Forsteinrichter, externe Unternehmer und künftig auch CO2-Zertifizierer – alles wird eingebunden, um die Kommunikation zu optimieren.

Ocell will „ganzheitliche übergreifende Lösung“ statt Insellösungen 

Munich Startup: Aber das gibt’s doch schon längst!

Ocell: Es gibt vereinzelte Insellösungen für Software im Wald, die jeweils ein kleines Teilproblem lösen. Oftmals sind diese Programme veraltet, von Einzelpersonen entwickelt und nicht flexibel genug, um auf die vielfältigen Bedürfnisse der Kunden eingehen zu können. Was diese suchen, ist eine ganzheitliche übergreifende Lösung und genau das bauen wir auf.

Munich Startup: Was waren bisher Eure drei größten Herausforderungen?

Ocell: Der All-time Classic ist natürlich die deutsche Bürokratie in all ihrer überbordenden Überregulierung, Kompliziertheit und Langsamkeit als steter Quell der Freude.

Aber selbstverständlich gibt es auch andere Challenges. Die Suche nach dem Product-Market-Fit war in unserer Anfangsphase die größte Herausforderung. Wir sind froh einen sehr spannenden Markt gefunden zu haben, in dem wir heute mit unserer passgenauen Lösung offene Türen einrennen und einen großen Vorsprung bei Kunden und Technologie haben. Da sich Märkte stets weiterentwickeln, werden wir aber natürlich immer darauf achten, diesen Product-Market-Fit stets weiterzuentwickeln und aufrechtzuerhalten.

Letztlich ist das Company Building eine sehr wichtige und herausfordernde Thematik. Das Aufbauen der richtigen Company Culture, eine effektive Arbeitsatmosphäre zu schaffen sowie die richtigen Mitarbeiter bzw. Mitstreiter zu finden, haben großen Einfluss auf den langfristigen Erfolg unserer Firma. Deswegen haben diese Aspekte für uns einen sehr hohen Stellenwert.

„Wir brennen für das, was wir tun“

Munich Startup: Wie laufen die Geschäfte?

Ocell: Viele der größten privaten Waldbesitzer Deutschlands arbeiten bereits mit uns, aber wir wollen, dass Dynamic Forest möglichst bei allen Betrieben die Standard-Software darstellt. Ein super Fuß in die Tür für unsere SaaS-Lösung ist die digitale Forsteinrichtung, bei der wir die bestehenden Angebote preislich unter- und in der Qualität überbieten. Da unser Angebot sehr gut ankommt, arbeiten wir unter Hochdruck daran, sämtliche Kundenanfragen abzuarbeiten. Wir stellen dafür mehr Teammitglieder ein, die erfolgreich mehr und mehr Arbeitsschritte automatisieren und unseren Durchsatz somit erhöhen.

Munich Startup: Wie schätzt Ihr den Startup-Standort München ein?

Ocell: Wir haben noch nie an einer anderen Stadt gegründet und daher keine Vergleichsmöglichkeiten, aber unser Bild von München als Startup-Standort ist natürlich überaus positiv. Die Tatsache, dass es bereits viele andere Startups in München gibt, ist für viele junge Menschen ein Antreiber, auch selbst gründen zu wollen. Die Unterstützung durch Netzwerke wie die TUM + UnternehmerTUM, Standorte wie das Werk1, Beratung durch Baystartup und natürlich mehrere hochkarätige Unis waren und sind für uns einflussreiche und wertvolle Faktoren.

Selbstverständlich ist auch die Stadt selbst hochattraktiv und es macht uns einfach Spaß, hier leben und arbeiten zu dürfen!

Munich Startup: Schneller Exit oder langer Atem?

Ocell: Wir möchten etwas Großes und Nachhaltiges aufbauen und eine komplette Branche international transformieren. Dazu gehören nicht nur Sprinter-, sondern auch Ausdauerqualitäten. Wir brennen für das, was wir tun und spüren keinerlei Bedürfnis, das Baby schnell los werden zu wollen. Dennoch streben wir schnelles und aggressives Wachstum an, um möglichst viel Impact in kurzer Zeit zu erreichen. Wenn das mit einem IPO einhergeht, werden wir uns natürlich nicht beschweren!