"So committed als wären sie Co-Founder": Das ClearOps-Team
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Follow-up: Wie läuft es eigentlich bei ClearOps?

Das Münchner Startup ClearOps will Lieferketten transparenter machen und so Ausfälle vermeiden. Hierzu vernetzte es mit seiner Software Maschinen-Produzenten mit ihrem Händler- und Distributionsnetzwerk. Im Update-Interview beantwortet Gründer William Barkawi unsere Fragen zu Herausforderungen und Finanzierung und teilt seine drei wichtigsten Learnings.

Munich Startup: Als wir das letzte Mal gesprochen haben, wart Ihr auf eine Kennzahl besonders stolz: Null Mitarbeiterlnnen oder KundInnen hatten Euch bis damals den Rücken gekehrt. Konntet Ihr dieses Niveau der Zufriedenheit halten?

William Barkawi, ClearOps: Nahezu! Obwohl es an anderen Stellen natürlich wie in jedem Startup drunter und drüber geht, läuft es gerade in den zwei Bereichen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit ziemlich gut. Das liegt auch daran, dass Customer Centricity und People first schlichtweg zwei unserer drei Kernfirmenwerte sind.

Unsere Kunden und Mitarbeiter schätzen den familiären Charakter, den wir als Firma leben, statt dem typischen Growth-at-any-cost-Ansatz. Das ist wahrscheinlich aber auch vor allem möglich, weil wir nach wie vor bootstrapped sind und damit unabhängig von institutionellen Erwartungen. Tatsächlich haben wir an unseren Kernstandorten Deutschland, USA, Portugal und Costa Rica keinen einzigen Mitarbeiter verloren. Gleichzeitig muss man dabei auch erwähnen, dass wir ursprünglich unseren Technology Hub in St. Petersburg aufgebaut haben. Aufgrund der politischen Situation mit Russland waren wir gezwungen, diesen Standort auf Portugal zu verlegen. Einigen unserer russischen Mitarbeiter haben wir dann mit dem Umzug nach Deutschland oder in andere Länder geholfen. Aufgrund von persönlichen Umständen war damit nicht jeder einverstanden, weswegen wir Kündigungen entgegennehmen mussten. Auf Kundenebene mussten wir leider einen Churn verzeichnen, alle anderen und auch neue sind dafür nach wie vor an Board mit langjährigen Geschäftsbeziehungen.

Warum sich lange Hiring-Prozesse für ClearOps lohnen

Munich Startup: Welche Hindernisse sind Euch dabei begegnet?

William Barkawi: Wir sind ziemlich wählerisch damit, wen wir einstellen und wen nicht. Das führt echt zu ziemlich langen Hiring Stages. Positiv daran ist, dass sich das eben genau in der Mitarbeiter-Betriebszugehörigkeit sowie der langjährigen Begeisterung der Leute zeigt. Schlecht daran ist aber, dass wir einfach enorm viele Ressourcen auf einen guten Hire verwenden müssen. Was als Founder bei so schnellem Wachstum herausfordernd ist, ist einerseits persönlich immer gleichermaßen für alle nahbar zu sein als auch grundsätzlich als gesamtes Team gemeinschaftlich immer in die gleiche Richtung zu arbeiten. Der richtige Einsatz vom OKR-Framework hat hier geholfen, da müssen wir aber auch noch effizienter werden.

Zu guter Letzt versuchen wir mit allen Mitteln, jeden Mitarbeiter zu motivieren, sich wirklich kreativ und konstruktiv mit dem Produkt auseinanderzusetzen. Viel zu oft sieht man in unterschiedlichsten Firmen, dass Mitarbeiter, die nicht direkt mit dem Produkt zu tun haben, sich auch nicht dafür verantwortlich fühlen. Innovativ zu bleiben und das auch einzufordern, ist also eine Herausforderung, gerade wenn man wächst. Beispielsweise versuchen wir mit Hackathons, Idea Sprints, einem ziemlich proaktiven Produktmanagement und weiteren Maßnahmen die Kreativität jedes einzelnen zu fördern und zu fordern.

ClearOps-Gründer William Barkawi © ClearOps

„From a software to a platform to a data company”

Munich Startup: Wie hat sich Eure Lösung weiterentwickelt?

William Barkawi: Nach wie vor steht alles im Zeichen unserer Vision „We keep the world of machinery moving“. Wir haben letztes Jahr eine ziemlich spannende Drei-Jahres-Company-Journey eingeleitet. From a software (2023) to a platform (2024) to a data company (2025) ist die Strategie. Was sich dahinter verbirgt, können wir so öffentlich leider nicht detailliert aufbrechen. Unser Ziel ist es, ClearOps als globales Ökosystem für vernetzte Aftersales-Supply-Chains zu etablieren. Somit werden wir nicht ruhen, bis nicht jede Maschine, jeder Händler und jeder Produzent Teil des ClearOps-Ökosystems für eine nie stillstehende Welt wird. Das ermöglicht einerseits die digitalisierte und automatisierte Planung der Nachfrage sowie die globale Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Services – also Vollvernetzung vom Produktionsband über die Händler und Techniker bis zur Maschine im Einsatz.

Dabei expandieren wir gerade ziemlich schnell von unserem ursprünglichen Industrial-Machinery-Fokus hin zu Automotive, Trucking und vielem mehr. Richtig spannend wird es dann tatsächlich bei den datengetriebenen Geschäftsmodellen, also alles rund um Predictive Analytics, Customer Lifetime Value Analytics & Exploitation und, und, und. Wir wollen aggressiv wachsen, investieren in Forschung und möchten vor allem transformieren, egal wie komplex die Supply Chain dahinter auch sein mag.

Investorensuche nach langer Bootstrapping-Phase

Munich Startup: Und wie sieht es finanziell bei Euch aus?

William Barkawi: Wir haben uns in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen gegen Investoren entschieden. Wir sind trotz der kontinuierlichen Verdopplung jedes Jahr immer extrem kapitaleffizient gefahren. Das ist keine emotionale Entscheidung, Investoren haben für uns sicherlich viele Vor- aber eben auch Nachteile. Bisher sind wir auch gut ohne gefahren, was natürlich auch viele Herausforderungen und Sorgen mit sich gebracht hat. Um uns selbst, das Produkt und unsere globale Präsenz jedoch auf ein neues Level zu bringen, eruieren wir gerade die finanziellen Möglichkeiten da draußen. Aus bisherigen lnvestoren-Gesprächen zeigt sich der Markt zumindest für eine Firma wie unsere gerade ziemlich ergiebig. Hierfür ist aber Voraussetzung, dass wir uns wirklich miteinander wohlfühlen. Wir würden kein Funding holen nur des Geldes wegen, sondern setzen hier auf wirklich strategischen Mehrwert miteinander.

Munich Startup: Welche Learnings konntet Ihr im Gründerteam bisher mitnehmen?

William Barkawi: Tatsachlich bin ich ja alleine, muss aber gestehen, dass die Mitarbeiter bei ClearOps allesamt so committed sind als wären sie Co-Founder, was wirklich gigantisch ist. lch denke, die wichtigsten Learnings aus 2023 sind die folgenden:

Wachstum ist nicht automatisch Skalierung: Die größte Herausforderung ist tatsachlich Wachstum nicht mit Skalierung zu verwechseln. Wir wachsen schnell, aber Skalierung erfordert ein absolutes Standardprodukt, replizierbare Prozesse und ein global ineinandergreifendes Team. Wir sind hier auf einem super Weg, aber dieser ist auch vollgepflastert mit Hürden. Mal wächst das Produkt schneller als Sales, mal verkaufen unsere Vertriebler mehr als wir liefern können und mal hinkt unser HR hinterher. 2024 steht bei uns voll und ganz im Bilde der globalen Skalierbarkeit und wird daher umso spannender als die Jahre zuvor. Wir dürfen das Wachstum aus den letzten Jahren also keinesfalls als Signal einer perfekt laufenden Firma sehen, vielmehr als Anstoß an den richtigen Enden effizienter zu werden.

Drei wichtige Learnings aus 2023

Sales is a numbers game: Vom Founder-Led Sales rein über Netzwerk- und Direktansprache hin zu einem global skalierbaren Sales-Apparat in Europa, Amerika und Asien zu kommen, war und ist auch ziemlich kräftezehrend. Beim Thema Sales und Marketing gehört weit mehr dazu als ich am Anfang geglaubt habe. Prozesse, technische Infrastruktur und Automatisierung bilden die Grundlage, worauf ein Expertenteam aus Marketeers, SDRs, AEs und Co aufbauen kann. Der Aufbau einer skalierbaren Demand Generation, Lead Nurturing und Closing Machine ist super spannend, aber sollte niemals unterschätzt werden. Man will kaum glauben, wie viele tausende Lead Touchpoints eigentlich benötigt werden, um mal zehn Kunden zu closen. Das kann man ohne die richtige Infrastruktur, einem top Team und der notwendigen Mischung aus Analytik und Pragmatismus nicht nachhaltig skalierbar aufbauen.

Fokus: Die meiner Meinung nach größte Schwierigkeit ist, sich wirklich zu fokussieren. Als Startup opportunistisch zu sein, liegt in der Natur der Sache, vor allem wenn man selbstfinanziert ist. Nichtsdestotrotz sollte man aufpassen, sich nicht zu stark von seinem ICP und Kernprodukt zu entfernen. Ich selbst habe eine Nische zu besetzen im ersten Gedanken immer als zu klein angesehen, während eine Nische eigentlich nichts mit der Größe zu tun hat. Es hat etwas mit Fokus zu tun. Fokus auf einen bestimmten Zielkunden mit einem bestimmten Schmerz. Hypergrowth resultiert nicht aus ununterbrochenem Opportunismus und dem Verkauf vieler verschiedener Produkte auf zahlreichen Märkten. Vielmehr entsteht es durch den Fokus auf einen Bereich, in dem man schnell Kunden gewinnen und erfolgreich bedienen kann, eine Reputation mit greifbaren Ergebnissen aufbauen und von dort aus wachsen kann. Beispiele erfolgreicher Fokussierung sind Unternehmen wie Amazon, das anfangs nur Bücher verkaufte, und Netflix, das mit DVD-Verleihen begann.

Eine Nische ist also nicht notwendigerweise klein, sondern definiert sich vielmehr durch eine ähnliche Nachfrage und ein replizierbares Angebot. Auch wenn wir als Unternehmen immer viele verschiedene Dinge gleichzeitig tun und dies auch in Zukunft tun werden, ist es wichtig, sich auf unseren Sweet Spot zu konzentrieren. Dieser kann zwar immer noch ein Multi­-Milliarden-Markt sein, ist jedoch manchmal nicht so offensichtlich zugänglich wie andere Bereiche.

ClearOps will schnell zum nächsten Unicorn werden

Munich Startup: Welche Rolle spielte das Münchner Ökosystem auf Eurem bisherigen Weg?

William Barkawi: Bisher leider eine ziemlich kleine. Ich habe zwar viele Freunde, die selber gegründet haben, mit den ganzen namhaften Organisationen wie CDTM, UnternehmerTUM und andere haben wir aber sehr wenig zu tun. Das möchten wir dieses Jahr gerne ändern, hatte bisher aber noch nicht genug Beachtung gefunden.

Nichtsdestotrotz ist München als Standort natürlich super. Viele unserer Mitarbeiter kommen aus Startups und kennen sich deswegen sehr gut aus, da ist der Arbeitnehmermarkt einfach wie perfekt für uns gemacht. Wir werden dieses Jahr in ein deutlich größeres Office ziehen und würden das gerne auch nutzen, um uns PR- und Employer-Branding-seitig anders aufzustellen. Bisher sind wir ziemlich im Stealth Modus geflogen bzw. vor allem in unsere Zielbranche aktiv gewesen. Dieses Jahr möchten wir aber nach außen gerichtetes Employer- und Investor-Branding deutlich größer schreiben. Und ich als Founder auch gerne helfen, andere Gründungsbegeisterte zu unterstützen.

Munich Startup: Auf welche Milestones arbeitet Ihr als nächstes hin?

William Barkawi: Mit Sicherheit sagen das die meisten Gründer, aber ich bin mehr als überzeugt davon, dass ClearOps das richtige Team, das richtige Produkt als auch den richtigen Markt hat, um relativ schnell ein Unicorn zu werden. Das ist der große Milestone auf den das gesamte Team hinarbeitet. Auf Jahresebene möchten wir weiterhin mit mindestens 100 Prozent wachsen, den amerikanischen und asiatischen Markt nicht nur anfassen, sondern wirklich auch effizient erschließen. Produktseitig investieren wir massiv in die Forschung an rein datengetriebenen Geschäftsmodellen, da ist mit einer Plattform, die alle Maschinen, Händler und Produzenten vereint, wirklich gigantisch spannendes Potenzial. Außerdem möchten wir mal das ganze globale Team wieder zusammenbekommen und ein gemeinsames Team Offsite in den Bergen organisieren.